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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXII. Chinesische Einwanderung. -- Natur.
europäische Kaufleute nach einer Reihe von Jahren immer wieder
Erfrischung in der Heimath suchen. Von der jetzt schon beträcht-
lichen Einwanderung der Chinesen aus Fu-kian, Kuan-tun und
Kuan-si, die arbeitsam, zäh, genügsam und an feuchte Hitze ge-
wöhnt sind, ist in Zukunft ausgedehntere Bebauung der grossen
hinterindischen Ebenen zu erwarten, die überschwellende Bevöl-
kerung jener Provinzen strömt am natürlichsten nach Siam ab.
Die einwandernden Chinesen scheinen auch die siamesische Sprache
leicht zu lernen, die ihrer eigenen, wenn auch nicht stammverwandt,
doch als monosyllabische, singende Sprache an Charakter ähnlich
ist; alle mehrsilbigen Worte darin sollen fremden Ursprungs, das
buchstabenreiche Alphabet aus dem Devanagari abgeleitet sein.
Alle heiligen Bücher sind in Pali-Sprache geschrieben, doch besitzt
auch die Sprache der Thai oder Freien, wie die heutigen Siamesen
-- besser Sayamesen -- sich euphemistisch nennen, eine lyrische
und dramatische Literatur, die das Volk versteht und weiterbildet.


Des landschaftlichen Eindrucks der siamesischen Pflanzen-
welt wurde in diesen Blättern mehrfach gedacht. Von wildem Ge-
thier gewahrte man wenig. Ausser dem trägen Scheusal von Wat-
po
sah der Verfasser auch ausserhalb der Hauptstadt nicht ein ein-
ziges Crocodil, von denen doch der Menam wimmelt. In Bankok
baden die Eingeborenen ohne Scheu: "der König hat den Croco-
dilen dort das Beissen verboten". Von Rhinoceros, Bären, Tigern
und anderen grossen Katzen sollen die nahen Wälder bevölkert
sein, doch lebt man in Bankok vollkommen sicher. Als unerhörtes
Ereigniss galt es, dass einst in der Nacht sämmtliche Affen des
französischen Consulates erwürgt wurden; vielleicht war das Un-
thier zweibeinig. Schlangen giebt es viele; selbst der Riesen-Python
kommt in Bankok so häufig vor, dass für einen Tikal das schönste
Exemplar zu kaufen ist. Niemand scheint ihn zu fürchten; oft sitzt
eine Schaar halbwachsener Knaben um solches Ungeheuer herum,
das sie vom Baume gezerrt haben und unbarmherzig necken. Bei
aller ungeheuren Muskelkraft ist die Riesenschlange zu unbeholfen,
als dass man ihrem Angriff nicht ausweichen sollte; sie greift aber
den Menschen nicht an, und wie sie ein behendes Thier umschlin-
gen sollte ist gar unbegreiflich. Giftzähne hat sie nicht; die kleinen

XXII. Chinesische Einwanderung. — Natur.
europäische Kaufleute nach einer Reihe von Jahren immer wieder
Erfrischung in der Heimath suchen. Von der jetzt schon beträcht-
lichen Einwanderung der Chinesen aus Fu-kian, Kuaṅ-tuṅ und
Kuaṅ-si, die arbeitsam, zäh, genügsam und an feuchte Hitze ge-
wöhnt sind, ist in Zukunft ausgedehntere Bebauung der grossen
hinterindischen Ebenen zu erwarten, die überschwellende Bevöl-
kerung jener Provinzen strömt am natürlichsten nach Siam ab.
Die einwandernden Chinesen scheinen auch die siamesische Sprache
leicht zu lernen, die ihrer eigenen, wenn auch nicht stammverwandt,
doch als monosyllabische, singende Sprache an Charakter ähnlich
ist; alle mehrsilbigen Worte darin sollen fremden Ursprungs, das
buchstabenreiche Alphabet aus dem Devanagari abgeleitet sein.
Alle heiligen Bücher sind in Pali-Sprache geschrieben, doch besitzt
auch die Sprache der Thai oder Freien, wie die heutigen Siamesen
— besser Sayamesen — sich euphemistisch nennen, eine lyrische
und dramatische Literatur, die das Volk versteht und weiterbildet.


Des landschaftlichen Eindrucks der siamesischen Pflanzen-
welt wurde in diesen Blättern mehrfach gedacht. Von wildem Ge-
thier gewahrte man wenig. Ausser dem trägen Scheusal von Wat-
po
sah der Verfasser auch ausserhalb der Hauptstadt nicht ein ein-
ziges Crocodil, von denen doch der Menam wimmelt. In Baṅkok
baden die Eingeborenen ohne Scheu: »der König hat den Croco-
dilen dort das Beissen verboten«. Von Rhinoceros, Bären, Tigern
und anderen grossen Katzen sollen die nahen Wälder bevölkert
sein, doch lebt man in Baṅkok vollkommen sicher. Als unerhörtes
Ereigniss galt es, dass einst in der Nacht sämmtliche Affen des
französischen Consulates erwürgt wurden; vielleicht war das Un-
thier zweibeinig. Schlangen giebt es viele; selbst der Riesen-Python
kommt in Baṅkok so häufig vor, dass für einen Tikal das schönste
Exemplar zu kaufen ist. Niemand scheint ihn zu fürchten; oft sitzt
eine Schaar halbwachsener Knaben um solches Ungeheuer herum,
das sie vom Baume gezerrt haben und unbarmherzig necken. Bei
aller ungeheuren Muskelkraft ist die Riesenschlange zu unbeholfen,
als dass man ihrem Angriff nicht ausweichen sollte; sie greift aber
den Menschen nicht an, und wie sie ein behendes Thier umschlin-
gen sollte ist gar unbegreiflich. Giftzähne hat sie nicht; die kleinen

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[343/0357] XXII. Chinesische Einwanderung. — Natur. europäische Kaufleute nach einer Reihe von Jahren immer wieder Erfrischung in der Heimath suchen. Von der jetzt schon beträcht- lichen Einwanderung der Chinesen aus Fu-kian, Kuaṅ-tuṅ und Kuaṅ-si, die arbeitsam, zäh, genügsam und an feuchte Hitze ge- wöhnt sind, ist in Zukunft ausgedehntere Bebauung der grossen hinterindischen Ebenen zu erwarten, die überschwellende Bevöl- kerung jener Provinzen strömt am natürlichsten nach Siam ab. Die einwandernden Chinesen scheinen auch die siamesische Sprache leicht zu lernen, die ihrer eigenen, wenn auch nicht stammverwandt, doch als monosyllabische, singende Sprache an Charakter ähnlich ist; alle mehrsilbigen Worte darin sollen fremden Ursprungs, das buchstabenreiche Alphabet aus dem Devanagari abgeleitet sein. Alle heiligen Bücher sind in Pali-Sprache geschrieben, doch besitzt auch die Sprache der Thai oder Freien, wie die heutigen Siamesen — besser Sayamesen — sich euphemistisch nennen, eine lyrische und dramatische Literatur, die das Volk versteht und weiterbildet. Des landschaftlichen Eindrucks der siamesischen Pflanzen- welt wurde in diesen Blättern mehrfach gedacht. Von wildem Ge- thier gewahrte man wenig. Ausser dem trägen Scheusal von Wat- po sah der Verfasser auch ausserhalb der Hauptstadt nicht ein ein- ziges Crocodil, von denen doch der Menam wimmelt. In Baṅkok baden die Eingeborenen ohne Scheu: »der König hat den Croco- dilen dort das Beissen verboten«. Von Rhinoceros, Bären, Tigern und anderen grossen Katzen sollen die nahen Wälder bevölkert sein, doch lebt man in Baṅkok vollkommen sicher. Als unerhörtes Ereigniss galt es, dass einst in der Nacht sämmtliche Affen des französischen Consulates erwürgt wurden; vielleicht war das Un- thier zweibeinig. Schlangen giebt es viele; selbst der Riesen-Python kommt in Baṅkok so häufig vor, dass für einen Tikal das schönste Exemplar zu kaufen ist. Niemand scheint ihn zu fürchten; oft sitzt eine Schaar halbwachsener Knaben um solches Ungeheuer herum, das sie vom Baume gezerrt haben und unbarmherzig necken. Bei aller ungeheuren Muskelkraft ist die Riesenschlange zu unbeholfen, als dass man ihrem Angriff nicht ausweichen sollte; sie greift aber den Menschen nicht an, und wie sie ein behendes Thier umschlin- gen sollte ist gar unbegreiflich. Giftzähne hat sie nicht; die kleinen

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/357>, abgerufen am 22.11.2024.