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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXII. Königsknechte.
Siamese der Knechtschaft verfällt; seine Arbeit gilt für die Zinsen
der geschuldeten Summe; der Herr muss ihn nähren, darf ihn
gegen seinen Willen nicht verkaufen, muss ihn dagegen freilassen
oder auf seinen Antrag einem Anderen abtreten, wenn die ge-
schuldete Summe erlegt wird. Die Knechtschaft soll in Siam nicht
hart sein, oft hört man rührende Züge der Aufopferung treuer
Sclaven für ihre bedrängten Herren. Die einzige Strafe, die vom
Herrn über Knechte verhängt werden kann, ist Fesselung; unver-
besserliche Uebelthäter überantwortet er den königlichen Gerichten,
welche sie mit Zwangsarbeit und schwerem Kerker strafen.

Die königlichen Knechte, meist kriegsgefangene Malayen, Co-
chinchinesen, Peguaner, Laos, Birmanen, sehen mit grossem Dünkel auf
alle anderen herab. Viele dienen als Bootsleute, andere, besonders
Cochinchinesen, Peguaner und Laos als Soldaten; das sind die
Garden der Könige. Ausser diesen wenigen Truppen -- Pallegoix
schätzt ihre Zahl wohl zu hoch auf etwa zehntausend -- giebt es
kein stehendes Heer. Bricht ein Krieg aus, so müssen die Pro-
vinzialbeamten ihre Contingente stellen, die aus allen Ständen der
Bevölkerung ausgehoben werden. Für Nahrung sorgen die Sol-
daten: Sold erhalten sie nicht; ihre Ausrüstung, die in den
Zeughäusern von Bankok bereit liegt, soll bunt genug sein.
Die Armee bewegt sich meist zu Wasser; auf den Landmärschen
begleiten sie viele, man sagt bis tausend Elephanten, welche die
Geschütze, Munition und Vorräthe tragen und mit wüthiger Tapfer-
keit die feindliche Schlachtordnung, ja Pallisaden und Stadtthore
einrennen. Die Officiere treiben ihre Truppen meist mit blanker
Waffe in den Kampf, für den kein Siamese besondere Neigung
haben soll. -- Abergläubische Gebräuche begleiten alle Handlungen
des Heeres und seiner Führer; z. B. muss der Obergeneral jeden
Tag der Woche einen Rock von anderer Farbe tragen. Die Offi-
ciere nehmen auch furchterregende Namen an, wie Löwe, Tiger,
Drachen. -- Die Flotte besteht vorzüglich aus Kanonenbooten --
man nennt 500 bis 1000 -- verschiedener Grösse, aus etwa 20
europäisch getakelten Kriegsschiffen und einer Anzahl Dampfern.

Die in den Schatz des Königs fliessenden Staatseinkünfte
bestehen neben den Einfuhr-, Ausfuhr- und Binnenzöllen aus dem
Tribut abhängiger Fürsten, den Grund- und Landbau-Steuern,
Geldstrafen und den erwähnten Abgaben der Clienten und Freien.
-- Die malayischen Sultane haben meist nur alle drei Jahre goldene

XXII. Königsknechte.
Siamese der Knechtschaft verfällt; seine Arbeit gilt für die Zinsen
der geschuldeten Summe; der Herr muss ihn nähren, darf ihn
gegen seinen Willen nicht verkaufen, muss ihn dagegen freilassen
oder auf seinen Antrag einem Anderen abtreten, wenn die ge-
schuldete Summe erlegt wird. Die Knechtschaft soll in Siam nicht
hart sein, oft hört man rührende Züge der Aufopferung treuer
Sclaven für ihre bedrängten Herren. Die einzige Strafe, die vom
Herrn über Knechte verhängt werden kann, ist Fesselung; unver-
besserliche Uebelthäter überantwortet er den königlichen Gerichten,
welche sie mit Zwangsarbeit und schwerem Kerker strafen.

Die königlichen Knechte, meist kriegsgefangene Malayen, Co-
chinchinesen, Peguaner, Laos, Birmanen, sehen mit grossem Dünkel auf
alle anderen herab. Viele dienen als Bootsleute, andere, besonders
Cochinchinesen, Peguaner und Laos als Soldaten; das sind die
Garden der Könige. Ausser diesen wenigen Truppen — Pallégoix
schätzt ihre Zahl wohl zu hoch auf etwa zehntausend — giebt es
kein stehendes Heer. Bricht ein Krieg aus, so müssen die Pro-
vinzialbeamten ihre Contingente stellen, die aus allen Ständen der
Bevölkerung ausgehoben werden. Für Nahrung sorgen die Sol-
daten: Sold erhalten sie nicht; ihre Ausrüstung, die in den
Zeughäusern von Baṅkok bereit liegt, soll bunt genug sein.
Die Armee bewegt sich meist zu Wasser; auf den Landmärschen
begleiten sie viele, man sagt bis tausend Elephanten, welche die
Geschütze, Munition und Vorräthe tragen und mit wüthiger Tapfer-
keit die feindliche Schlachtordnung, ja Pallisaden und Stadtthore
einrennen. Die Officiere treiben ihre Truppen meist mit blanker
Waffe in den Kampf, für den kein Siamese besondere Neigung
haben soll. — Abergläubische Gebräuche begleiten alle Handlungen
des Heeres und seiner Führer; z. B. muss der Obergeneral jeden
Tag der Woche einen Rock von anderer Farbe tragen. Die Offi-
ciere nehmen auch furchterregende Namen an, wie Löwe, Tiger,
Drachen. — Die Flotte besteht vorzüglich aus Kanonenbooten —
man nennt 500 bis 1000 — verschiedener Grösse, aus etwa 20
europäisch getakelten Kriegsschiffen und einer Anzahl Dampfern.

Die in den Schatz des Königs fliessenden Staatseinkünfte
bestehen neben den Einfuhr-, Ausfuhr- und Binnenzöllen aus dem
Tribut abhängiger Fürsten, den Grund- und Landbau-Steuern,
Geldstrafen und den erwähnten Abgaben der Clienten und Freien.
— Die malayischen Sultane haben meist nur alle drei Jahre goldene

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[325/0339] XXII. Königsknechte. Siamese der Knechtschaft verfällt; seine Arbeit gilt für die Zinsen der geschuldeten Summe; der Herr muss ihn nähren, darf ihn gegen seinen Willen nicht verkaufen, muss ihn dagegen freilassen oder auf seinen Antrag einem Anderen abtreten, wenn die ge- schuldete Summe erlegt wird. Die Knechtschaft soll in Siam nicht hart sein, oft hört man rührende Züge der Aufopferung treuer Sclaven für ihre bedrängten Herren. Die einzige Strafe, die vom Herrn über Knechte verhängt werden kann, ist Fesselung; unver- besserliche Uebelthäter überantwortet er den königlichen Gerichten, welche sie mit Zwangsarbeit und schwerem Kerker strafen. Die königlichen Knechte, meist kriegsgefangene Malayen, Co- chinchinesen, Peguaner, Laos, Birmanen, sehen mit grossem Dünkel auf alle anderen herab. Viele dienen als Bootsleute, andere, besonders Cochinchinesen, Peguaner und Laos als Soldaten; das sind die Garden der Könige. Ausser diesen wenigen Truppen — Pallégoix schätzt ihre Zahl wohl zu hoch auf etwa zehntausend — giebt es kein stehendes Heer. Bricht ein Krieg aus, so müssen die Pro- vinzialbeamten ihre Contingente stellen, die aus allen Ständen der Bevölkerung ausgehoben werden. Für Nahrung sorgen die Sol- daten: Sold erhalten sie nicht; ihre Ausrüstung, die in den Zeughäusern von Baṅkok bereit liegt, soll bunt genug sein. Die Armee bewegt sich meist zu Wasser; auf den Landmärschen begleiten sie viele, man sagt bis tausend Elephanten, welche die Geschütze, Munition und Vorräthe tragen und mit wüthiger Tapfer- keit die feindliche Schlachtordnung, ja Pallisaden und Stadtthore einrennen. Die Officiere treiben ihre Truppen meist mit blanker Waffe in den Kampf, für den kein Siamese besondere Neigung haben soll. — Abergläubische Gebräuche begleiten alle Handlungen des Heeres und seiner Führer; z. B. muss der Obergeneral jeden Tag der Woche einen Rock von anderer Farbe tragen. Die Offi- ciere nehmen auch furchterregende Namen an, wie Löwe, Tiger, Drachen. — Die Flotte besteht vorzüglich aus Kanonenbooten — man nennt 500 bis 1000 — verschiedener Grösse, aus etwa 20 europäisch getakelten Kriegsschiffen und einer Anzahl Dampfern. Die in den Schatz des Königs fliessenden Staatseinkünfte bestehen neben den Einfuhr-, Ausfuhr- und Binnenzöllen aus dem Tribut abhängiger Fürsten, den Grund- und Landbau-Steuern, Geldstrafen und den erwähnten Abgaben der Clienten und Freien. — Die malayischen Sultane haben meist nur alle drei Jahre goldene

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/339>, abgerufen am 26.11.2024.