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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXI. Der weisse Elephant.
füssen, den einen Hinterfuss an eine Säule gefesselt, stand das
heilige Thier in der Mitte seines Stalles, an dessen Wänden ein
erhöhter Gang hinläuft; dort knieen fromme Siamesen betend nieder.
Der weisse Elephant wird mit Bananen, Zuckerrohr und frischem
Grase gefüttert; er soll seinen eigenen Hofstaat und Leibarzt haben
und beim Ausgehn mit grossen Sonnenschirmen beschützt werden.
Die Verehrung dieser Albinos beruht wohl auf ihrer Seltenheit:
man glaubt, dass sie von den Seelen grosser Helden und Könige
bewohnt werden, die, gleich der siamesischen Majestät, göttlichen
Rang auf Erden gehabt hätten. Als Seinesgleichen reitet selbst
der König nicht den Weissen Elephanten, was seinen Wärter nicht
hindert, denselben nach Bedürfniss tüchtig zu prügeln.

Ein echter weisser Elephant wurde bald nach unserer Ab-
reise in einer der nördlichen Provinzen entdeckt, starb aber auf
dem Wege nach Bankok. Sein Tod versetzte das Land in tiefe
Trauer. Der König, der ihm pflichtgemäss entgegenreiste, beschrieb
ihn mit folgenden Worten: "Seine Augen waren lichtblau, ihre
Einfassung lachsfarben, sein Haar fein, zart und weiss, seine Stoss-
zähne wie Perlen, seine Ohren gleich silbernen Schilden, sein
Rüssel gleich dem Schweif von Kometen, seine Beine gleich den
Füssen der Himmel, sein Tritt wie das Rollen des Donners, seine
Blicke voll tiefer Betrachtung, seine Augen voll Zärtlichkeit, seine
Stimme die Stimme eines mächtigen Kriegers, und seine Haltung
die eines erhabenen Herrschers." -- Wie sehr der weisse Elephant
das Schönheitsideal der Siamesen ist, beweist auch die Schilderung,
welche die aus England zurückkehrenden Gesandten vom Aussehn
Ihrer Majestät der Königin Victoria gaben: "Man kann sich des
Eindrucks nicht erwehren, dass sie reiner Abstammung sein muss
von einem Geschlechte wackerer und kriegerischer Könige und
Herrscher der Erde, da ihre Augen, Hautfarbe und besonders ihre
Haltung die eines schönen und majestätischen weissen Elephanten
sind." -- Seit der Zerstörung von Ayutia 1767 sollen nur fünf echte
entdeckt worden sein.

Viele Magazine, Schatzhäuser und Werkstätten, wo Budda-
bilder, Tempelornamente, die königlichen Tragsessel und andere
Prunkgeräthe angefertigt werden, liegen in der Königsstadt zerstreut.
Es giebt auch ganze von königlichen Handwerkern bewohnte
Strassen, in deren Läden reiche Stoffe und hübsche Arbeiten in
Gold und Silber zu finden sind. In den Zeughäusern stehen unzählige

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XXI. Der weisse Elephant.
füssen, den einen Hinterfuss an eine Säule gefesselt, stand das
heilige Thier in der Mitte seines Stalles, an dessen Wänden ein
erhöhter Gang hinläuft; dort knieen fromme Siamesen betend nieder.
Der weisse Elephant wird mit Bananen, Zuckerrohr und frischem
Grase gefüttert; er soll seinen eigenen Hofstaat und Leibarzt haben
und beim Ausgehn mit grossen Sonnenschirmen beschützt werden.
Die Verehrung dieser Albinos beruht wohl auf ihrer Seltenheit:
man glaubt, dass sie von den Seelen grosser Helden und Könige
bewohnt werden, die, gleich der siamesischen Majestät, göttlichen
Rang auf Erden gehabt hätten. Als Seinesgleichen reitet selbst
der König nicht den Weissen Elephanten, was seinen Wärter nicht
hindert, denselben nach Bedürfniss tüchtig zu prügeln.

Ein echter weisser Elephant wurde bald nach unserer Ab-
reise in einer der nördlichen Provinzen entdeckt, starb aber auf
dem Wege nach Baṅkok. Sein Tod versetzte das Land in tiefe
Trauer. Der König, der ihm pflichtgemäss entgegenreiste, beschrieb
ihn mit folgenden Worten: »Seine Augen waren lichtblau, ihre
Einfassung lachsfarben, sein Haar fein, zart und weiss, seine Stoss-
zähne wie Perlen, seine Ohren gleich silbernen Schilden, sein
Rüssel gleich dem Schweif von Kometen, seine Beine gleich den
Füssen der Himmel, sein Tritt wie das Rollen des Donners, seine
Blicke voll tiefer Betrachtung, seine Augen voll Zärtlichkeit, seine
Stimme die Stimme eines mächtigen Kriegers, und seine Haltung
die eines erhabenen Herrschers.« — Wie sehr der weisse Elephant
das Schönheitsideal der Siamesen ist, beweist auch die Schilderung,
welche die aus England zurückkehrenden Gesandten vom Aussehn
Ihrer Majestät der Königin Victoria gaben: »Man kann sich des
Eindrucks nicht erwehren, dass sie reiner Abstammung sein muss
von einem Geschlechte wackerer und kriegerischer Könige und
Herrscher der Erde, da ihre Augen, Hautfarbe und besonders ihre
Haltung die eines schönen und majestätischen weissen Elephanten
sind.« — Seit der Zerstörung von Ayutia 1767 sollen nur fünf echte
entdeckt worden sein.

Viele Magazine, Schatzhäuser und Werkstätten, wo Budda-
bilder, Tempelornamente, die königlichen Tragsessel und andere
Prunkgeräthe angefertigt werden, liegen in der Königsstadt zerstreut.
Es giebt auch ganze von königlichen Handwerkern bewohnte
Strassen, in deren Läden reiche Stoffe und hübsche Arbeiten in
Gold und Silber zu finden sind. In den Zeughäusern stehen unzählige

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[275/0289] XXI. Der weisse Elephant. füssen, den einen Hinterfuss an eine Säule gefesselt, stand das heilige Thier in der Mitte seines Stalles, an dessen Wänden ein erhöhter Gang hinläuft; dort knieen fromme Siamesen betend nieder. Der weisse Elephant wird mit Bananen, Zuckerrohr und frischem Grase gefüttert; er soll seinen eigenen Hofstaat und Leibarzt haben und beim Ausgehn mit grossen Sonnenschirmen beschützt werden. Die Verehrung dieser Albinos beruht wohl auf ihrer Seltenheit: man glaubt, dass sie von den Seelen grosser Helden und Könige bewohnt werden, die, gleich der siamesischen Majestät, göttlichen Rang auf Erden gehabt hätten. Als Seinesgleichen reitet selbst der König nicht den Weissen Elephanten, was seinen Wärter nicht hindert, denselben nach Bedürfniss tüchtig zu prügeln. Ein echter weisser Elephant wurde bald nach unserer Ab- reise in einer der nördlichen Provinzen entdeckt, starb aber auf dem Wege nach Baṅkok. Sein Tod versetzte das Land in tiefe Trauer. Der König, der ihm pflichtgemäss entgegenreiste, beschrieb ihn mit folgenden Worten: »Seine Augen waren lichtblau, ihre Einfassung lachsfarben, sein Haar fein, zart und weiss, seine Stoss- zähne wie Perlen, seine Ohren gleich silbernen Schilden, sein Rüssel gleich dem Schweif von Kometen, seine Beine gleich den Füssen der Himmel, sein Tritt wie das Rollen des Donners, seine Blicke voll tiefer Betrachtung, seine Augen voll Zärtlichkeit, seine Stimme die Stimme eines mächtigen Kriegers, und seine Haltung die eines erhabenen Herrschers.« — Wie sehr der weisse Elephant das Schönheitsideal der Siamesen ist, beweist auch die Schilderung, welche die aus England zurückkehrenden Gesandten vom Aussehn Ihrer Majestät der Königin Victoria gaben: »Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie reiner Abstammung sein muss von einem Geschlechte wackerer und kriegerischer Könige und Herrscher der Erde, da ihre Augen, Hautfarbe und besonders ihre Haltung die eines schönen und majestätischen weissen Elephanten sind.« — Seit der Zerstörung von Ayutia 1767 sollen nur fünf echte entdeckt worden sein. Viele Magazine, Schatzhäuser und Werkstätten, wo Budda- bilder, Tempelornamente, die königlichen Tragsessel und andere Prunkgeräthe angefertigt werden, liegen in der Königsstadt zerstreut. Es giebt auch ganze von königlichen Handwerkern bewohnte Strassen, in deren Läden reiche Stoffe und hübsche Arbeiten in Gold und Silber zu finden sind. In den Zeughäusern stehen unzählige 18*

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/289>, abgerufen am 23.11.2024.