Musik war lärmend, aber harmonisch; einige Frauen sangen Strophen zum Tanze, die ein Vorsänger aus einem Buche vorsagte.
Die pantomimischen Tänze forderten langsam rythmische Bewegung des Körpers, besonders der Hände und Finger, ohne heftigen Affect, und waren bis auf gewisse Verrenkungen der Elbogen und des Handgelenkes, deren Einübung schwierig genug sein mag, recht hübsch. Die Füsse spielen dabei fast gar nicht mit: die erste Dame tanzte auf einem Divan sitzend, die zweite stehend, ohne vom Fleck zu weichen; dann führten ihrer zwei eine Scene auf, bei welcher auch die Füsse, doch nur beiläufig, mitwirkten.
Nun wollte Graf Eulenburg gehen, wurde aber dringend zu einem Glase Wein gebeten. Im Laufe des Gespräches fragte er den Prinzen, ob die Siamesen europäische Möbel und Geräthe erst seit der näheren Berührung mit Fremden hätten, ob die Vornehmen sich ihrer auch beim Essen bedienten; worauf Prinz Khroma-luan erwiederte, die Divans hätten schon die Moslem eingeführt, Stühle aber erst die Europäer: die beiden Könige und er selbst sässen auch beim Essen auf Stühlen, die anderen Grossen, selbst der Kalahum, hätten das noch nicht gelernt.
Vom Prinzen fuhr Graf Eulenburg zum Kalahum, der ziem- lich entfernt wohnte; es ging durch enge Rinnsale mit vielen Bretter- stegen, die theilweise hochgehoben werden mussten um die Boote durchzulassen. Am Eingang des Ministerhotels standen zwei Wachtposten mit hölzernen Säbeln; dort empfing der Kalahum mit zwei Söhnen und vier Enkeln -- die sämmtlich ehrfurchtsvoll auf dem Bauche lagen -- den Gesandten, und führte ihn durch eine Reihe luftiger Zimmer. Für den Geburtstag des Hausherrn waren dort auf Tischen viele Porcelanvasen und andere Prachtstücke -- europäische und chinesische -- aufgestellt, welche die Freunde nach siamesischer Sitte zur Feier des Tages keineswegs schenkten, sondern nur liehen. Die elegante Einrichtung war gut gehalten und sauber. -- Der Kalahum, damals 54 Jahre alt, hatte ein kluges durchdringendes Auge und energische Züge; er trug ein weisses europäisches Hemde, kurze Beinkleider und einen blauseidenen Rock, doch weder Strümpfe noch Schuhe. Seine Söhne waren der eine als Gesandter, der andere als Secretär der siamesichen Gesandtschaft in Europa gewesen und erst kürzlich zurückgekehrt. Mit ihren anmuthigen Kindern war auch ein vom Kalahum adop-
XXI. Besuch beim Kalahum.
Musik war lärmend, aber harmonisch; einige Frauen sangen Strophen zum Tanze, die ein Vorsänger aus einem Buche vorsagte.
Die pantomimischen Tänze forderten langsam rythmische Bewegung des Körpers, besonders der Hände und Finger, ohne heftigen Affect, und waren bis auf gewisse Verrenkungen der Elbogen und des Handgelenkes, deren Einübung schwierig genug sein mag, recht hübsch. Die Füsse spielen dabei fast gar nicht mit: die erste Dame tanzte auf einem Divan sitzend, die zweite stehend, ohne vom Fleck zu weichen; dann führten ihrer zwei eine Scene auf, bei welcher auch die Füsse, doch nur beiläufig, mitwirkten.
Nun wollte Graf Eulenburg gehen, wurde aber dringend zu einem Glase Wein gebeten. Im Laufe des Gespräches fragte er den Prinzen, ob die Siamesen europäische Möbel und Geräthe erst seit der näheren Berührung mit Fremden hätten, ob die Vornehmen sich ihrer auch beim Essen bedienten; worauf Prinz Khroma-luaṅ erwiederte, die Divans hätten schon die Moslem eingeführt, Stühle aber erst die Europäer: die beiden Könige und er selbst sässen auch beim Essen auf Stühlen, die anderen Grossen, selbst der Kalahum, hätten das noch nicht gelernt.
Vom Prinzen fuhr Graf Eulenburg zum Kalahum, der ziem- lich entfernt wohnte; es ging durch enge Rinnsale mit vielen Bretter- stegen, die theilweise hochgehoben werden mussten um die Boote durchzulassen. Am Eingang des Ministerhotels standen zwei Wachtposten mit hölzernen Säbeln; dort empfing der Kalahum mit zwei Söhnen und vier Enkeln — die sämmtlich ehrfurchtsvoll auf dem Bauche lagen — den Gesandten, und führte ihn durch eine Reihe luftiger Zimmer. Für den Geburtstag des Hausherrn waren dort auf Tischen viele Porcelanvasen und andere Prachtstücke — europäische und chinesische — aufgestellt, welche die Freunde nach siamesischer Sitte zur Feier des Tages keineswegs schenkten, sondern nur liehen. Die elegante Einrichtung war gut gehalten und sauber. — Der Kalahum, damals 54 Jahre alt, hatte ein kluges durchdringendes Auge und energische Züge; er trug ein weisses europäisches Hemde, kurze Beinkleider und einen blauseidenen Rock, doch weder Strümpfe noch Schuhe. Seine Söhne waren der eine als Gesandter, der andere als Secretär der siamesichen Gesandtschaft in Europa gewesen und erst kürzlich zurückgekehrt. Mit ihren anmuthigen Kindern war auch ein vom Kalahum adop-
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XXI. Besuch beim Kalahum.
Musik war lärmend, aber harmonisch; einige Frauen sangen Strophen
zum Tanze, die ein Vorsänger aus einem Buche vorsagte.
Die pantomimischen Tänze forderten langsam rythmische
Bewegung des Körpers, besonders der Hände und Finger, ohne
heftigen Affect, und waren bis auf gewisse Verrenkungen der
Elbogen und des Handgelenkes, deren Einübung schwierig genug
sein mag, recht hübsch. Die Füsse spielen dabei fast gar nicht
mit: die erste Dame tanzte auf einem Divan sitzend, die zweite
stehend, ohne vom Fleck zu weichen; dann führten ihrer zwei
eine Scene auf, bei welcher auch die Füsse, doch nur beiläufig,
mitwirkten.
Nun wollte Graf Eulenburg gehen, wurde aber dringend zu
einem Glase Wein gebeten. Im Laufe des Gespräches fragte er
den Prinzen, ob die Siamesen europäische Möbel und Geräthe erst
seit der näheren Berührung mit Fremden hätten, ob die Vornehmen
sich ihrer auch beim Essen bedienten; worauf Prinz Khroma-luaṅ
erwiederte, die Divans hätten schon die Moslem eingeführt, Stühle
aber erst die Europäer: die beiden Könige und er selbst sässen auch
beim Essen auf Stühlen, die anderen Grossen, selbst der Kalahum,
hätten das noch nicht gelernt.
Vom Prinzen fuhr Graf Eulenburg zum Kalahum, der ziem-
lich entfernt wohnte; es ging durch enge Rinnsale mit vielen Bretter-
stegen, die theilweise hochgehoben werden mussten um die Boote
durchzulassen. Am Eingang des Ministerhotels standen zwei
Wachtposten mit hölzernen Säbeln; dort empfing der Kalahum mit
zwei Söhnen und vier Enkeln — die sämmtlich ehrfurchtsvoll auf
dem Bauche lagen — den Gesandten, und führte ihn durch eine
Reihe luftiger Zimmer. Für den Geburtstag des Hausherrn waren
dort auf Tischen viele Porcelanvasen und andere Prachtstücke —
europäische und chinesische — aufgestellt, welche die Freunde
nach siamesischer Sitte zur Feier des Tages keineswegs schenkten,
sondern nur liehen. Die elegante Einrichtung war gut gehalten und
sauber. — Der Kalahum, damals 54 Jahre alt, hatte ein kluges
durchdringendes Auge und energische Züge; er trug ein weisses
europäisches Hemde, kurze Beinkleider und einen blauseidenen
Rock, doch weder Strümpfe noch Schuhe. Seine Söhne waren
der eine als Gesandter, der andere als Secretär der siamesichen
Gesandtschaft in Europa gewesen und erst kürzlich zurückgekehrt.
Mit ihren anmuthigen Kindern war auch ein vom Kalahum adop-
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/275>, abgerufen am 22.11.2024.
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