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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XXI. Bazar und schwimmende Häuser.
und den breiteren Seitenarmen; hier concentrirt sich alles lebendige
Treiben. Aber wenige Ruderschläge führen das Boot aus dem
dichten Gewühl in die Tiefe des Tropenwaldes, der seine Wipfel
zusammenwölbt über allen schmaleren Rinnsalen. Dann kommt
wieder eine Lichtung, wo bunte Tempel in das Grün gebettet lie-
gen; man blickt vom Boot in die offenen Hallen, wo Bonzen ihre
Zöglinge unterrichten. Goldene Giebel mit geschwungenen Hörnern
und Adlerflügeln, spitze glänzende Thürmchen spiegeln sich in der
leise gleitenden Fluth. -- So ist wie gesagt Bankok ein dichter Wald-
sumpf; jede Hütte, jeder Palast, jeder Tempel liegt im Grünen. Selbst
in den belebteren Wassergassen drängen sich Bambus, Areca, Cocos,
Borassus, Urania speciosa, Pandanus, Ravenala, Nipa, Musaceen,
Artocarpeen und Ficus in dichten Massen an die Ufer, oder schirmen
die Dächer der malerischen Hütten.

Feste Brücken mit Geländer sind selten; über die kleineren
Rinnsale führt hier und da eine einzelne schmale Planke, nur für
Schwindelfreie gangbar, mit beiden Enden auf hohem Gepfähle
ruhend, zu welchem man mit akrobatischer Gewandtheit über ein
steiles Brett ohne Lehne hinanrennt. Trockenen Fusses kann man
ausserhalb der Ringmauer nur in einer einzigen Strasse eine be-
trächtliche Strecke, fast eine halbe Meile wandern; sie führt aus der
Gegend, wo die Fremden wohnen, nach der Binnenstadt, ist aber
grossentheils so eng, dass kaum zwei Menschen nebeneinander Platz
haben, und, wenn auch stellenweise mit Backsteinen gepflastert,
sehr schmutzig und übelriechend. In ihrer ganzen Länge bildet
diese Gasse einen Bazar; die unreinlichen Hütten sind nach vorn
gleichsam aufgeklappt und entfalten auf der geneigten Fläche des
Ladens eine Fülle von Esswaaren, -- Früchte, Gemüse, getrocknete
Fische, -- daneben Haufen der Cowrie-Muschel, welche das Klein-
geld der Siamesen bildet. Da giebt es auch Garküchen, wo die
Speisen vor des Gastes Augen nicht sehr appetitlich bereitet wer-
den. Den grössten Glanz entfalten die Branntweinbuden. -- In
einigen Läden standen europäische Baumwollenzeuge, Glas- und
Quincaillerie-Waaren zu Verkauf. Dieser Bazar, der einzige auf
trockenem Boden in Bankok, gleicht einem elenden Krämerviertel
und müsste vom einheimischen Handel einen geringen Begriff geben,
wenn nicht die schwimmenden Häuser, da aller Transport zu
Wasser geschieht, die bequemsten Tauschplätze für Handel und
Wandel wären. Anziehendes bieten auch diese kaum, denn Siam

XXI. Bazar und schwimmende Häuser.
und den breiteren Seitenarmen; hier concentrirt sich alles lebendige
Treiben. Aber wenige Ruderschläge führen das Boot aus dem
dichten Gewühl in die Tiefe des Tropenwaldes, der seine Wipfel
zusammenwölbt über allen schmaleren Rinnsalen. Dann kommt
wieder eine Lichtung, wo bunte Tempel in das Grün gebettet lie-
gen; man blickt vom Boot in die offenen Hallen, wo Bonzen ihre
Zöglinge unterrichten. Goldene Giebel mit geschwungenen Hörnern
und Adlerflügeln, spitze glänzende Thürmchen spiegeln sich in der
leise gleitenden Fluth. — So ist wie gesagt Baṅkok ein dichter Wald-
sumpf; jede Hütte, jeder Palast, jeder Tempel liegt im Grünen. Selbst
in den belebteren Wassergassen drängen sich Bambus, Areca, Cocos,
Borassus, Urania speciosa, Pandanus, Ravenala, Nipa, Musaceen,
Artocarpeen und Ficus in dichten Massen an die Ufer, oder schirmen
die Dächer der malerischen Hütten.

Feste Brücken mit Geländer sind selten; über die kleineren
Rinnsale führt hier und da eine einzelne schmale Planke, nur für
Schwindelfreie gangbar, mit beiden Enden auf hohem Gepfähle
ruhend, zu welchem man mit akrobatischer Gewandtheit über ein
steiles Brett ohne Lehne hinanrennt. Trockenen Fusses kann man
ausserhalb der Ringmauer nur in einer einzigen Strasse eine be-
trächtliche Strecke, fast eine halbe Meile wandern; sie führt aus der
Gegend, wo die Fremden wohnen, nach der Binnenstadt, ist aber
grossentheils so eng, dass kaum zwei Menschen nebeneinander Platz
haben, und, wenn auch stellenweise mit Backsteinen gepflastert,
sehr schmutzig und übelriechend. In ihrer ganzen Länge bildet
diese Gasse einen Bazar; die unreinlichen Hütten sind nach vorn
gleichsam aufgeklappt und entfalten auf der geneigten Fläche des
Ladens eine Fülle von Esswaaren, — Früchte, Gemüse, getrocknete
Fische, — daneben Haufen der Cowrie-Muschel, welche das Klein-
geld der Siamesen bildet. Da giebt es auch Garküchen, wo die
Speisen vor des Gastes Augen nicht sehr appetitlich bereitet wer-
den. Den grössten Glanz entfalten die Branntweinbuden. — In
einigen Läden standen europäische Baumwollenzeuge, Glas- und
Quincaillerie-Waaren zu Verkauf. Dieser Bazar, der einzige auf
trockenem Boden in Baṅkok, gleicht einem elenden Krämerviertel
und müsste vom einheimischen Handel einen geringen Begriff geben,
wenn nicht die schwimmenden Häuser, da aller Transport zu
Wasser geschieht, die bequemsten Tauschplätze für Handel und
Wandel wären. Anziehendes bieten auch diese kaum, denn Siam

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[255/0269] XXI. Bazar und schwimmende Häuser. und den breiteren Seitenarmen; hier concentrirt sich alles lebendige Treiben. Aber wenige Ruderschläge führen das Boot aus dem dichten Gewühl in die Tiefe des Tropenwaldes, der seine Wipfel zusammenwölbt über allen schmaleren Rinnsalen. Dann kommt wieder eine Lichtung, wo bunte Tempel in das Grün gebettet lie- gen; man blickt vom Boot in die offenen Hallen, wo Bonzen ihre Zöglinge unterrichten. Goldene Giebel mit geschwungenen Hörnern und Adlerflügeln, spitze glänzende Thürmchen spiegeln sich in der leise gleitenden Fluth. — So ist wie gesagt Baṅkok ein dichter Wald- sumpf; jede Hütte, jeder Palast, jeder Tempel liegt im Grünen. Selbst in den belebteren Wassergassen drängen sich Bambus, Areca, Cocos, Borassus, Urania speciosa, Pandanus, Ravenala, Nipa, Musaceen, Artocarpeen und Ficus in dichten Massen an die Ufer, oder schirmen die Dächer der malerischen Hütten. Feste Brücken mit Geländer sind selten; über die kleineren Rinnsale führt hier und da eine einzelne schmale Planke, nur für Schwindelfreie gangbar, mit beiden Enden auf hohem Gepfähle ruhend, zu welchem man mit akrobatischer Gewandtheit über ein steiles Brett ohne Lehne hinanrennt. Trockenen Fusses kann man ausserhalb der Ringmauer nur in einer einzigen Strasse eine be- trächtliche Strecke, fast eine halbe Meile wandern; sie führt aus der Gegend, wo die Fremden wohnen, nach der Binnenstadt, ist aber grossentheils so eng, dass kaum zwei Menschen nebeneinander Platz haben, und, wenn auch stellenweise mit Backsteinen gepflastert, sehr schmutzig und übelriechend. In ihrer ganzen Länge bildet diese Gasse einen Bazar; die unreinlichen Hütten sind nach vorn gleichsam aufgeklappt und entfalten auf der geneigten Fläche des Ladens eine Fülle von Esswaaren, — Früchte, Gemüse, getrocknete Fische, — daneben Haufen der Cowrie-Muschel, welche das Klein- geld der Siamesen bildet. Da giebt es auch Garküchen, wo die Speisen vor des Gastes Augen nicht sehr appetitlich bereitet wer- den. Den grössten Glanz entfalten die Branntweinbuden. — In einigen Läden standen europäische Baumwollenzeuge, Glas- und Quincaillerie-Waaren zu Verkauf. Dieser Bazar, der einzige auf trockenem Boden in Baṅkok, gleicht einem elenden Krämerviertel und müsste vom einheimischen Handel einen geringen Begriff geben, wenn nicht die schwimmenden Häuser, da aller Transport zu Wasser geschieht, die bequemsten Tauschplätze für Handel und Wandel wären. Anziehendes bieten auch diese kaum, denn Siam

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/269>, abgerufen am 03.05.2024.