Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.Siamesische Grosse. XXI. bewohnte. Es glich der Werkstatt eines Alchymisten; in der Thatliebte der alte Herr, -- der durch einen Gehirnschlag gelähmt sich etwas schwerfällig bewegte, -- die ärztlichen und Naturwissen- schaften, und besass allerlei gute Instrumente, die mit Goldgötzen, chinesischen Vasen, europäischem Porcelan, Krügen und Flaschen jeder Grösse und räthselhaften Inhalts bunt durcheinander standen. In der Tracht zeichnete sich der königliche Prinz ebenso wenig vor seiner Umgebung aus, als der Minister. Prinz Khroma-Luan galt als trefflicher Charakter und aufrichtiger Gönner der Fremden, mit welchen er durch starke Betheiligung am Handel in stetem Verkehr stand. Mit dem ersten Minister oder Phra-Kalahum hatte er 1855 den Widerstand aller anderen Grossen gegen die Freigebung des Handelsverkehrs gebrochen und fuhr fort, deren Rechte mit Wärme zu schützen. Herrn Pieschel bat er dringend, alle Wünsche mit Vertrauen zu äussern; für Erfüllung wolle er sorgen. -- Eben so freundlich empfing denselben der erste Minister oder Phra-Kalahum Tsau Phya Sri Suriwonse Samant Bons Bisude Maha Purus Ra- tridom Samutra, der grade von einem Ausflug nach Singapore und Penang zurückkehrte. Der vornehmsten Familie des Landes ent- stammt, der Sohn des Ministers, der, bei des letzten Königs Tode dessen Söhnen entgegentretend, mit kräftiger Hand den rechtmäs- sigen Erben auf den Thron setzte und jede Verschwörung im Keime erstickte, war Phra-Kalahum durch Geburt und Tradition zum Lenker des Staates berufen, den er rasch in die Bahn des Fort- schrittes zu treiben suchte. Er galt für den einflussreichsten Mann des Landes und soll eben so eifrig nach Reformen im Inneren, als nach Erweiterung der auswärtigen Beziehungen gestrebt haben. Die Beseitigung der im despotischen System begründeten Missbräuche, unter denen das Volk siechte, mochte unmöglich sein. Von der Wahrhaftigkeit seiner Wünsche auch nach dieser Richtung erhielten Sir John Bowring und andere Fremden den günstigsten Eindruck, während viele ihm wohl den freien Blick und Verstandesbegabung, nicht aber den redlichen Willen zuschrieben, das Volk zu heben. Als Herr Pieschel den Kalahum besuchte, wurde in der Siamesische Grosse. XXI. bewohnte. Es glich der Werkstatt eines Alchymisten; in der Thatliebte der alte Herr, — der durch einen Gehirnschlag gelähmt sich etwas schwerfällig bewegte, — die ärztlichen und Naturwissen- schaften, und besass allerlei gute Instrumente, die mit Goldgötzen, chinesischen Vasen, europäischem Porcelan, Krügen und Flaschen jeder Grösse und räthselhaften Inhalts bunt durcheinander standen. In der Tracht zeichnete sich der königliche Prinz ebenso wenig vor seiner Umgebung aus, als der Minister. Prinz Khroma-Luaṅ galt als trefflicher Charakter und aufrichtiger Gönner der Fremden, mit welchen er durch starke Betheiligung am Handel in stetem Verkehr stand. Mit dem ersten Minister oder Phra-Kalahum hatte er 1855 den Widerstand aller anderen Grossen gegen die Freigebung des Handelsverkehrs gebrochen und fuhr fort, deren Rechte mit Wärme zu schützen. Herrn Pieschel bat er dringend, alle Wünsche mit Vertrauen zu äussern; für Erfüllung wolle er sorgen. — Eben so freundlich empfing denselben der erste Minister oder Phra-Kalahum Tšau Phya Sri Suriwoṅse Samant Boṅs Bisude Maha Purus Ra- tridom Samutra, der grade von einem Ausflug nach Singapore und Penang zurückkehrte. Der vornehmsten Familie des Landes ent- stammt, der Sohn des Ministers, der, bei des letzten Königs Tode dessen Söhnen entgegentretend, mit kräftiger Hand den rechtmäs- sigen Erben auf den Thron setzte und jede Verschwörung im Keime erstickte, war Phra-Kalahum durch Geburt und Tradition zum Lenker des Staates berufen, den er rasch in die Bahn des Fort- schrittes zu treiben suchte. Er galt für den einflussreichsten Mann des Landes und soll eben so eifrig nach Reformen im Inneren, als nach Erweiterung der auswärtigen Beziehungen gestrebt haben. Die Beseitigung der im despotischen System begründeten Missbräuche, unter denen das Volk siechte, mochte unmöglich sein. Von der Wahrhaftigkeit seiner Wünsche auch nach dieser Richtung erhielten Sir John Bowring und andere Fremden den günstigsten Eindruck, während viele ihm wohl den freien Blick und Verstandesbegabung, nicht aber den redlichen Willen zuschrieben, das Volk zu heben. Als Herr Pieschel den Kalahum besuchte, wurde in der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0246" n="232"/><fw place="top" type="header">Siamesische Grosse. XXI.</fw><lb/> bewohnte. Es glich der Werkstatt eines Alchymisten; in der That<lb/> liebte der alte Herr, — der durch einen Gehirnschlag gelähmt<lb/> sich etwas schwerfällig bewegte, — die ärztlichen und Naturwissen-<lb/> schaften, und besass allerlei gute Instrumente, die mit Goldgötzen,<lb/> chinesischen Vasen, europäischem Porcelan, Krügen und Flaschen<lb/> jeder Grösse und räthselhaften Inhalts bunt durcheinander standen.<lb/> In der Tracht zeichnete sich der königliche Prinz ebenso wenig vor<lb/> seiner Umgebung aus, als der Minister. <persName ref="nognd">Prinz <hi rendition="#k">Khroma-Luaṅ</hi></persName> galt<lb/> als trefflicher Charakter und aufrichtiger Gönner der Fremden, mit<lb/> welchen er durch starke Betheiligung am Handel in stetem Verkehr<lb/> stand. Mit dem ersten Minister oder <hi rendition="#k">Phra-Kalahum</hi> hatte er 1855<lb/> den Widerstand aller anderen Grossen gegen die Freigebung des<lb/> Handelsverkehrs gebrochen und fuhr fort, deren Rechte mit Wärme<lb/> zu schützen. Herrn <persName ref="http://d-nb.info/gnd/183988744">Pieschel</persName> bat er dringend, alle Wünsche mit<lb/> Vertrauen zu äussern; für Erfüllung wolle er sorgen. — Eben so<lb/> freundlich empfing denselben der erste Minister oder <hi rendition="#k">Phra-Kalahum<lb/><persName ref="nognd">Tšau Phya Sri Suriwoṅse Samant Boṅs Bisude Maha Purus Ra-<lb/> tridom Samutra</persName></hi>, der grade von einem Ausflug nach <placeName>Singapore</placeName> und<lb/><placeName>Penang</placeName> zurückkehrte. Der vornehmsten Familie des Landes ent-<lb/> stammt, der Sohn des Ministers, der, bei des letzten Königs Tode<lb/> dessen Söhnen entgegentretend, mit kräftiger Hand den rechtmäs-<lb/> sigen Erben auf den Thron setzte und jede Verschwörung im Keime<lb/> erstickte, war <hi rendition="#k">Phra-Kalahum</hi> durch Geburt und Tradition zum<lb/> Lenker des Staates berufen, den er rasch in die Bahn des Fort-<lb/> schrittes zu treiben suchte. Er galt für den einflussreichsten Mann<lb/> des Landes und soll eben so eifrig nach Reformen im Inneren, als<lb/> nach Erweiterung der auswärtigen Beziehungen gestrebt haben.<lb/> Die Beseitigung der im despotischen System begründeten Missbräuche,<lb/> unter denen das Volk siechte, mochte unmöglich sein. Von der<lb/> Wahrhaftigkeit seiner Wünsche auch nach dieser Richtung erhielten<lb/> Sir <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119459078">John Bowring</persName> und andere Fremden den günstigsten Eindruck,<lb/> während viele ihm wohl den freien Blick und Verstandesbegabung,<lb/> nicht aber den redlichen Willen zuschrieben, das Volk zu heben.</p><lb/> <p>Als Herr <persName ref="http://d-nb.info/gnd/183988744">Pieschel</persName> den <hi rendition="#k">Kalahum</hi> besuchte, wurde in der<lb/> Vorhalle von dessen Palast eben Gericht gehalten: der Richter, ein<lb/> alter hagerer Mann, thronte auf erhöhtem Sitz, während die Par-<lb/> theien, Anwälte und Gerichtsdiener ehrerbietig am Boden kauerten.<lb/> Als der <hi rendition="#k">Kalahum</hi> zum Empfang seines Gastes heraustrat, warf sich<lb/> auch der Richter nieder und berührte mit dem Antlitz den Staub.<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [232/0246]
Siamesische Grosse. XXI.
bewohnte. Es glich der Werkstatt eines Alchymisten; in der That
liebte der alte Herr, — der durch einen Gehirnschlag gelähmt
sich etwas schwerfällig bewegte, — die ärztlichen und Naturwissen-
schaften, und besass allerlei gute Instrumente, die mit Goldgötzen,
chinesischen Vasen, europäischem Porcelan, Krügen und Flaschen
jeder Grösse und räthselhaften Inhalts bunt durcheinander standen.
In der Tracht zeichnete sich der königliche Prinz ebenso wenig vor
seiner Umgebung aus, als der Minister. Prinz Khroma-Luaṅ galt
als trefflicher Charakter und aufrichtiger Gönner der Fremden, mit
welchen er durch starke Betheiligung am Handel in stetem Verkehr
stand. Mit dem ersten Minister oder Phra-Kalahum hatte er 1855
den Widerstand aller anderen Grossen gegen die Freigebung des
Handelsverkehrs gebrochen und fuhr fort, deren Rechte mit Wärme
zu schützen. Herrn Pieschel bat er dringend, alle Wünsche mit
Vertrauen zu äussern; für Erfüllung wolle er sorgen. — Eben so
freundlich empfing denselben der erste Minister oder Phra-Kalahum
Tšau Phya Sri Suriwoṅse Samant Boṅs Bisude Maha Purus Ra-
tridom Samutra, der grade von einem Ausflug nach Singapore und
Penang zurückkehrte. Der vornehmsten Familie des Landes ent-
stammt, der Sohn des Ministers, der, bei des letzten Königs Tode
dessen Söhnen entgegentretend, mit kräftiger Hand den rechtmäs-
sigen Erben auf den Thron setzte und jede Verschwörung im Keime
erstickte, war Phra-Kalahum durch Geburt und Tradition zum
Lenker des Staates berufen, den er rasch in die Bahn des Fort-
schrittes zu treiben suchte. Er galt für den einflussreichsten Mann
des Landes und soll eben so eifrig nach Reformen im Inneren, als
nach Erweiterung der auswärtigen Beziehungen gestrebt haben.
Die Beseitigung der im despotischen System begründeten Missbräuche,
unter denen das Volk siechte, mochte unmöglich sein. Von der
Wahrhaftigkeit seiner Wünsche auch nach dieser Richtung erhielten
Sir John Bowring und andere Fremden den günstigsten Eindruck,
während viele ihm wohl den freien Blick und Verstandesbegabung,
nicht aber den redlichen Willen zuschrieben, das Volk zu heben.
Als Herr Pieschel den Kalahum besuchte, wurde in der
Vorhalle von dessen Palast eben Gericht gehalten: der Richter, ein
alter hagerer Mann, thronte auf erhöhtem Sitz, während die Par-
theien, Anwälte und Gerichtsdiener ehrerbietig am Boden kauerten.
Als der Kalahum zum Empfang seines Gastes heraustrat, warf sich
auch der Richter nieder und berührte mit dem Antlitz den Staub.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |