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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Der Staatsstreich in Pe-kin. XIX.
ein für solche Zwecke eingerichtetes Gemach geführt: der Ver-
urtheilte tritt auf einen Schemel und steckt das Haupt in eine von
der Decke herabhangende Schlinge, worauf der Schemel fortgezogen
wird. -- Diese Strafe zieht nicht Confiscirung der Güter nach sich
wie die Enthauptung; der fürstliche Rang der Prinzen von Ei und
Tsin wurde jedoch ihren Neffen mit Uebergehung der eigenen
Söhne zuerkannt.

Su-tsuen wurde am Nachmittag des 8. November auf dem
Richtplatz für gemeine Verbrecher in der Chinesenstadt enthauptet.
Vorher soll man ihn in das Kerkergemach geführt haben, wo die
entseelten Leiber seines Bruders und des Prinzen von Ei hin-
gen. Zur Richtstätte wurde er in unbedecktem Karren gefahren,
vor ihm her zwei Scharfrichter auf ähnlichem Fuhrwerk. In ele-
gantem Ueberwurf von weissem Lammfell soll er mit unbeküm-
merter Miene im Karren gesessen, sich zuweilen vornehm den Staub
abgeschüttelt und dem Kärrner seine Achtlosigkeit verwiesen haben,
wenn er gegen einen Stein fuhr. Ein Vice-Präsident des Straf-
gerichtshofes las ihm auf dem Richtplatz noch einmal sein Urtheil
vor; Su-tsuen aber bestritt bis zum letzten Augenblick die Com-
petenz seiner Richter. "Statt sich niederzuwerfen bei Verlesung
des kaiserlichen Namens," sagte ein chinesischer Literat der eng-
lischen Gesandtschaft, "und wie ein Ehrenmann zu sterben, stiess
er bis zum letzten Augenblick Laute aus, die nicht ehrfurchtsvoll
waren." Der Zudrang und die Verwünschungen des Volkes sollen
unbeschreiblich gewesen sein.

Am Tage der Hinrichtung erschien in der Zeitung von Pe-
kin
ein kaiserlicher Erlass, welcher die Angeklagten des Aufruhrs
zeiht und das Urtheil bestätigt. Tsae-yuen, Twan-wa und Su-
tsuen
werden beschuldigt, sich eigenmächtig als Regentschaftsrath
constituirt zu haben; Hien-fun hätte sie in der Todesstunde nur
mündlich angewiesen, seinen Sohn zum Nachfolger einzusetzen; ein
Decret sei weder ausgefertigt, noch der Befehl dazu ertheilt worden.
Auf Grund eines gefälschten Documentes hätten sich die Ange-
klagten die höchste Gewalt angemaasst, den allerhöchsten Willen
aber niemals befragt. Das die Vorschläge des Censors Tun-yuen-
tsun
billigende Rescript hätten sie willkürlich geändert, und, vor
die Kaiserin-Wittwe berufen, in frechem Ton erklärt, sie hätten von
ihr keine Befehle zu empfangen, in Regierungssachen würde die
Kaiserin nicht gefragt. Auch durch andere Handlungen hätten sie

Der Staatsstreich in Pe-kiṅ. XIX.
ein für solche Zwecke eingerichtetes Gemach geführt: der Ver-
urtheilte tritt auf einen Schemel und steckt das Haupt in eine von
der Decke herabhangende Schlinge, worauf der Schemel fortgezogen
wird. — Diese Strafe zieht nicht Confiscirung der Güter nach sich
wie die Enthauptung; der fürstliche Rang der Prinzen von Ei und
Tšiṅ wurde jedoch ihren Neffen mit Uebergehung der eigenen
Söhne zuerkannt.

Su-tšuen wurde am Nachmittag des 8. November auf dem
Richtplatz für gemeine Verbrecher in der Chinesenstadt enthauptet.
Vorher soll man ihn in das Kerkergemach geführt haben, wo die
entseelten Leiber seines Bruders und des Prinzen von Ei hin-
gen. Zur Richtstätte wurde er in unbedecktem Karren gefahren,
vor ihm her zwei Scharfrichter auf ähnlichem Fuhrwerk. In ele-
gantem Ueberwurf von weissem Lammfell soll er mit unbeküm-
merter Miene im Karren gesessen, sich zuweilen vornehm den Staub
abgeschüttelt und dem Kärrner seine Achtlosigkeit verwiesen haben,
wenn er gegen einen Stein fuhr. Ein Vice-Präsident des Straf-
gerichtshofes las ihm auf dem Richtplatz noch einmal sein Urtheil
vor; Su-tšuen aber bestritt bis zum letzten Augenblick die Com-
petenz seiner Richter. »Statt sich niederzuwerfen bei Verlesung
des kaiserlichen Namens,« sagte ein chinesischer Literat der eng-
lischen Gesandtschaft, »und wie ein Ehrenmann zu sterben, stiess
er bis zum letzten Augenblick Laute aus, die nicht ehrfurchtsvoll
waren.« Der Zudrang und die Verwünschungen des Volkes sollen
unbeschreiblich gewesen sein.

Am Tage der Hinrichtung erschien in der Zeitung von Pe-
kiṅ
ein kaiserlicher Erlass, welcher die Angeklagten des Aufruhrs
zeiht und das Urtheil bestätigt. Tsae-yuen, Twan-wa und Su-
tšuen
werden beschuldigt, sich eigenmächtig als Regentschaftsrath
constituirt zu haben; Hien-fuṅ hätte sie in der Todesstunde nur
mündlich angewiesen, seinen Sohn zum Nachfolger einzusetzen; ein
Decret sei weder ausgefertigt, noch der Befehl dazu ertheilt worden.
Auf Grund eines gefälschten Documentes hätten sich die Ange-
klagten die höchste Gewalt angemaasst, den allerhöchsten Willen
aber niemals befragt. Das die Vorschläge des Censors Tuṅ-yuen-
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billigende Rescript hätten sie willkürlich geändert, und, vor
die Kaiserin-Wittwe berufen, in frechem Ton erklärt, sie hätten von
ihr keine Befehle zu empfangen, in Regierungssachen würde die
Kaiserin nicht gefragt. Auch durch andere Handlungen hätten sie

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[210/0224] Der Staatsstreich in Pe-kiṅ. XIX. ein für solche Zwecke eingerichtetes Gemach geführt: der Ver- urtheilte tritt auf einen Schemel und steckt das Haupt in eine von der Decke herabhangende Schlinge, worauf der Schemel fortgezogen wird. — Diese Strafe zieht nicht Confiscirung der Güter nach sich wie die Enthauptung; der fürstliche Rang der Prinzen von Ei und Tšiṅ wurde jedoch ihren Neffen mit Uebergehung der eigenen Söhne zuerkannt. Su-tšuen wurde am Nachmittag des 8. November auf dem Richtplatz für gemeine Verbrecher in der Chinesenstadt enthauptet. Vorher soll man ihn in das Kerkergemach geführt haben, wo die entseelten Leiber seines Bruders und des Prinzen von Ei hin- gen. Zur Richtstätte wurde er in unbedecktem Karren gefahren, vor ihm her zwei Scharfrichter auf ähnlichem Fuhrwerk. In ele- gantem Ueberwurf von weissem Lammfell soll er mit unbeküm- merter Miene im Karren gesessen, sich zuweilen vornehm den Staub abgeschüttelt und dem Kärrner seine Achtlosigkeit verwiesen haben, wenn er gegen einen Stein fuhr. Ein Vice-Präsident des Straf- gerichtshofes las ihm auf dem Richtplatz noch einmal sein Urtheil vor; Su-tšuen aber bestritt bis zum letzten Augenblick die Com- petenz seiner Richter. »Statt sich niederzuwerfen bei Verlesung des kaiserlichen Namens,« sagte ein chinesischer Literat der eng- lischen Gesandtschaft, »und wie ein Ehrenmann zu sterben, stiess er bis zum letzten Augenblick Laute aus, die nicht ehrfurchtsvoll waren.« Der Zudrang und die Verwünschungen des Volkes sollen unbeschreiblich gewesen sein. Am Tage der Hinrichtung erschien in der Zeitung von Pe- kiṅ ein kaiserlicher Erlass, welcher die Angeklagten des Aufruhrs zeiht und das Urtheil bestätigt. Tsae-yuen, Twan-wa und Su- tšuen werden beschuldigt, sich eigenmächtig als Regentschaftsrath constituirt zu haben; Hien-fuṅ hätte sie in der Todesstunde nur mündlich angewiesen, seinen Sohn zum Nachfolger einzusetzen; ein Decret sei weder ausgefertigt, noch der Befehl dazu ertheilt worden. Auf Grund eines gefälschten Documentes hätten sich die Ange- klagten die höchste Gewalt angemaasst, den allerhöchsten Willen aber niemals befragt. Das die Vorschläge des Censors Tuṅ-yuen- tšun billigende Rescript hätten sie willkürlich geändert, und, vor die Kaiserin-Wittwe berufen, in frechem Ton erklärt, sie hätten von ihr keine Befehle zu empfangen, in Regierungssachen würde die Kaiserin nicht gefragt. Auch durch andere Handlungen hätten sie

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/224>, abgerufen am 24.11.2024.