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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVIII. Fahrt nach Hong-kong.
Quai und mehrere Häuser waren vollendet, viele andere im Bau
begriffen, die Strassen breit und regelmässig. -- Die Consuln be-
wohnten meist reizende in Cameliengebüsch eingebettete Häuschen
und Tempel an den auf die Ansiedlung blickenden Hängen.

Vor dem Abschied von Nangasaki lud die Mannschaft der
Arkona die ganze europäische Gesellschaft zu einer theatralischen
Vorstellung. Die Bühne war in der Batterie eingerichtet und mit
Flaggen verhängt. Einzelne Scenen aus Berliner Localpossen wur-
den mit viel Humor aufgeführt; die Couplets waren voll treffender
Anzüglichkeiten. In später Nacht kehrten die Gäste am 4. Novbr.
mit herzlichem Lebewohl an das Land zurück.


Am 5. November früh dampfte Arkona zur Bucht hinaus.
Im offenen Meer wurden Segel gesetzt; der Wind starb aber fort
und wir kamen wenig vorwärts. In der Nacht zum 6. begann es
aus Nordost zu blasen, so stätig, dass wir den Monsun bald merkten.
Die Luft war frisch, das Meer stark bewegt; zuweilen schlug eine
See in die Batterie; bei einer Fahrt von zehn Knoten lässt man
sich gern ein Sturzbad gefallen. So blieb es die folgenden Tage.
Am 9., als wir in die Fu-kian-Strasse liefen, erstarkte der Wind
fast zum Sturme. Unter dichtgerefften Marssegeln schoss Arkona
vor dem unbändig anstürmenden Nordost wie ein Pfeil durch die
Wogen; ächzend und stöhnend wühlte sich ihr Bug in die schäu-
mende schwarzblaue Fluth. Die Luft war trübe und winterlich
rauh, die Küste in dicken Dunst gehüllt, -- anders als im August
1860, da die Thetis hier kreuzte. Damals lag das Meer todtenstill
in der blitzenden Sonnengluth, nicht zu bergen wusste man sich
vor sengendem Glanz; die Segel klappten träge an die Masten;
an den Küsten schimmerten hohe Pagoden, es wimmelte von Fischern
und Piraten.

Am 10. November wehte es mässiger, doch immer frisch und
günstig. Wir steuerten mehr westlich und sahen Vormittags den
Eingang der Bucht von Swa-tau, wo das bessere Wetter eben
eine Flotte von Dschunken herauslockte. Bald war der Horizont
mit Segeln wie besät. Dem Lande näher kommend umschifften
wir manches Vorgebirge und nahmen bald einen Lootsen an Bord,
der sehr gut Bescheid wusste, durch seine affenähnliche Gestalt

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XVIII. Fahrt nach Hong-kong.
Quai und mehrere Häuser waren vollendet, viele andere im Bau
begriffen, die Strassen breit und regelmässig. — Die Consuln be-
wohnten meist reizende in Cameliengebüsch eingebettete Häuschen
und Tempel an den auf die Ansiedlung blickenden Hängen.

Vor dem Abschied von Naṅgasaki lud die Mannschaft der
Arkona die ganze europäische Gesellschaft zu einer theatralischen
Vorstellung. Die Bühne war in der Batterie eingerichtet und mit
Flaggen verhängt. Einzelne Scenen aus Berliner Localpossen wur-
den mit viel Humor aufgeführt; die Couplets waren voll treffender
Anzüglichkeiten. In später Nacht kehrten die Gäste am 4. Novbr.
mit herzlichem Lebewohl an das Land zurück.


Am 5. November früh dampfte Arkona zur Bucht hinaus.
Im offenen Meer wurden Segel gesetzt; der Wind starb aber fort
und wir kamen wenig vorwärts. In der Nacht zum 6. begann es
aus Nordost zu blasen, so stätig, dass wir den Monsun bald merkten.
Die Luft war frisch, das Meer stark bewegt; zuweilen schlug eine
See in die Batterie; bei einer Fahrt von zehn Knoten lässt man
sich gern ein Sturzbad gefallen. So blieb es die folgenden Tage.
Am 9., als wir in die Fu-kian-Strasse liefen, erstarkte der Wind
fast zum Sturme. Unter dichtgerefften Marssegeln schoss Arkona
vor dem unbändig anstürmenden Nordost wie ein Pfeil durch die
Wogen; ächzend und stöhnend wühlte sich ihr Bug in die schäu-
mende schwarzblaue Fluth. Die Luft war trübe und winterlich
rauh, die Küste in dicken Dunst gehüllt, — anders als im August
1860, da die Thetis hier kreuzte. Damals lag das Meer todtenstill
in der blitzenden Sonnengluth, nicht zu bergen wusste man sich
vor sengendem Glanz; die Segel klappten träge an die Masten;
an den Küsten schimmerten hohe Pagoden, es wimmelte von Fischern
und Piraten.

Am 10. November wehte es mässiger, doch immer frisch und
günstig. Wir steuerten mehr westlich und sahen Vormittags den
Eingang der Bucht von Swa-tau, wo das bessere Wetter eben
eine Flotte von Dschunken herauslockte. Bald war der Horizont
mit Segeln wie besät. Dem Lande näher kommend umschifften
wir manches Vorgebirge und nahmen bald einen Lootsen an Bord,
der sehr gut Bescheid wusste, durch seine affenähnliche Gestalt

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[179/0193] XVIII. Fahrt nach Hong-kong. Quai und mehrere Häuser waren vollendet, viele andere im Bau begriffen, die Strassen breit und regelmässig. — Die Consuln be- wohnten meist reizende in Cameliengebüsch eingebettete Häuschen und Tempel an den auf die Ansiedlung blickenden Hängen. Vor dem Abschied von Naṅgasaki lud die Mannschaft der Arkona die ganze europäische Gesellschaft zu einer theatralischen Vorstellung. Die Bühne war in der Batterie eingerichtet und mit Flaggen verhängt. Einzelne Scenen aus Berliner Localpossen wur- den mit viel Humor aufgeführt; die Couplets waren voll treffender Anzüglichkeiten. In später Nacht kehrten die Gäste am 4. Novbr. mit herzlichem Lebewohl an das Land zurück. Am 5. November früh dampfte Arkona zur Bucht hinaus. Im offenen Meer wurden Segel gesetzt; der Wind starb aber fort und wir kamen wenig vorwärts. In der Nacht zum 6. begann es aus Nordost zu blasen, so stätig, dass wir den Monsun bald merkten. Die Luft war frisch, das Meer stark bewegt; zuweilen schlug eine See in die Batterie; bei einer Fahrt von zehn Knoten lässt man sich gern ein Sturzbad gefallen. So blieb es die folgenden Tage. Am 9., als wir in die Fu-kian-Strasse liefen, erstarkte der Wind fast zum Sturme. Unter dichtgerefften Marssegeln schoss Arkona vor dem unbändig anstürmenden Nordost wie ein Pfeil durch die Wogen; ächzend und stöhnend wühlte sich ihr Bug in die schäu- mende schwarzblaue Fluth. Die Luft war trübe und winterlich rauh, die Küste in dicken Dunst gehüllt, — anders als im August 1860, da die Thetis hier kreuzte. Damals lag das Meer todtenstill in der blitzenden Sonnengluth, nicht zu bergen wusste man sich vor sengendem Glanz; die Segel klappten träge an die Masten; an den Küsten schimmerten hohe Pagoden, es wimmelte von Fischern und Piraten. Am 10. November wehte es mässiger, doch immer frisch und günstig. Wir steuerten mehr westlich und sahen Vormittags den Eingang der Bucht von Swa-tau, wo das bessere Wetter eben eine Flotte von Dschunken herauslockte. Bald war der Horizont mit Segeln wie besät. Dem Lande näher kommend umschifften wir manches Vorgebirge und nahmen bald einen Lootsen an Bord, der sehr gut Bescheid wusste, durch seine affenähnliche Gestalt 12*

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/193>, abgerufen am 24.11.2024.