yuan verbundenen Stadtgraben empfängt, hat jetzt nur geringen Zufluss; seine Oberfläche ist über und über mit Schilf, Lotos und anderen wuchernden Pflanzen bedeckt und gleicht einer über- schwemmten üppigen Wiese. Ganz verwahrlost geht das schöne Becken rascher Verschlammung entgegen.
Jenseit der Brücke liegt am westlichen See-Ufer das katho- lische Missionshaus Pe-tan. Das Grundstück wurde den Jesuiten mit dem der Cathedrale und zwei anderen von Kaiser Kan-gi ge- schenkt, der nach ihrem Bericht nur deshalb die Taufe nicht an- nahm, weil er der Vielweiberei entsagen sollte. Das wollte er erst auf dem Sterbebett. Um nun die Priester schnell zur Hand zu haben, schenkte er ihnen das bei der Rothen Stadt gelegene Grund- stück, wurde aber vom Tode so plötzlich überrascht, dass sie doch zu spät kamen. -- Die Jesuiten hielten sich in Pe-tan bis 1823 und wurden auch dann nicht vertrieben: der einzige damals noch an- wesende wünschte abzureisen und erbat sich die Erlaubniss vom Kaiser, welcher ihm obenein 5000 Tael als Ersatz für das von seinem Vorfahren geschenkte Grundstück zahlen liess. Die Kirche und die Wohngebäude der Missionare, welche die Chinesen nicht brauchen konnten, wurden niedergerissen, der Garten scheint in den Besitz eines Prinzen des kaiserlichen Hauses übergegangen zu sein. Beim Friedensschluss 1860 verlangten die Franzosen die Heraus- gabe dieser und aller übrigen alten Besitzungen der Jesuiten. Die kaiserliche Regierung erklärte, dass sie das Grundstück käuflich er- worben habe, wogegen die französischen Diplomaten die Kauf- summe zu erstatten versprachen, wenn die Regierung die zerstörten Gebäude dort wieder herstellen liesse. Natürlich siegte das Un- recht des Stärkeren: die schon einmal geschenkte, dann grossmüthig zurückgekaufte Besitzung wurde ohne Entschädigung herausgegeben. -- Nach dem Friedensschluss verlangten die Lazaristen, welche Pe- tan bezogen, auch noch die Herausgabe eines Nachbargrundstücks, wo die Jesuiten für den Himmelssohn Glas fabricirt hatten; die Regierung verwies sie aber auf die Bestimmung des zerstörten Gebäudes und verlangte als Bedingung, dass die Lazaristen dort ebenfalls Glas für den kaiserlichen Palast machen sollten.
Die Capelle, von welcher die Chinesen nur ein Stück Frei- treppe stehen liessen, war bei unserem Besuch wieder aufgebaut und ein niedriger Glockenthurm angefügt worden, dessen Fortbau die Regierung sistirte; die Plateform musste sogar mit übermanns-
XVII. Pe-taṅ.
yuaṅ verbundenen Stadtgraben empfängt, hat jetzt nur geringen Zufluss; seine Oberfläche ist über und über mit Schilf, Lotos und anderen wuchernden Pflanzen bedeckt und gleicht einer über- schwemmten üppigen Wiese. Ganz verwahrlost geht das schöne Becken rascher Verschlammung entgegen.
Jenseit der Brücke liegt am westlichen See-Ufer das katho- lische Missionshaus Pe-taṅ. Das Grundstück wurde den Jesuiten mit dem der Cathedrale und zwei anderen von Kaiser Kaṅ-gi ge- schenkt, der nach ihrem Bericht nur deshalb die Taufe nicht an- nahm, weil er der Vielweiberei entsagen sollte. Das wollte er erst auf dem Sterbebett. Um nun die Priester schnell zur Hand zu haben, schenkte er ihnen das bei der Rothen Stadt gelegene Grund- stück, wurde aber vom Tode so plötzlich überrascht, dass sie doch zu spät kamen. — Die Jesuiten hielten sich in Pe-taṅ bis 1823 und wurden auch dann nicht vertrieben: der einzige damals noch an- wesende wünschte abzureisen und erbat sich die Erlaubniss vom Kaiser, welcher ihm obenein 5000 Tael als Ersatz für das von seinem Vorfahren geschenkte Grundstück zahlen liess. Die Kirche und die Wohngebäude der Missionare, welche die Chinesen nicht brauchen konnten, wurden niedergerissen, der Garten scheint in den Besitz eines Prinzen des kaiserlichen Hauses übergegangen zu sein. Beim Friedensschluss 1860 verlangten die Franzosen die Heraus- gabe dieser und aller übrigen alten Besitzungen der Jesuiten. Die kaiserliche Regierung erklärte, dass sie das Grundstück käuflich er- worben habe, wogegen die französischen Diplomaten die Kauf- summe zu erstatten versprachen, wenn die Regierung die zerstörten Gebäude dort wieder herstellen liesse. Natürlich siegte das Un- recht des Stärkeren: die schon einmal geschenkte, dann grossmüthig zurückgekaufte Besitzung wurde ohne Entschädigung herausgegeben. — Nach dem Friedensschluss verlangten die Lazaristen, welche Pe- taṅ bezogen, auch noch die Herausgabe eines Nachbargrundstücks, wo die Jesuiten für den Himmelssohn Glas fabricirt hatten; die Regierung verwies sie aber auf die Bestimmung des zerstörten Gebäudes und verlangte als Bedingung, dass die Lazaristen dort ebenfalls Glas für den kaiserlichen Palast machen sollten.
Die Capelle, von welcher die Chinesen nur ein Stück Frei- treppe stehen liessen, war bei unserem Besuch wieder aufgebaut und ein niedriger Glockenthurm angefügt worden, dessen Fortbau die Regierung sistirte; die Plateform musste sogar mit übermanns-
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XVII. Pe-taṅ.
yuaṅ verbundenen Stadtgraben empfängt, hat jetzt nur geringen
Zufluss; seine Oberfläche ist über und über mit Schilf, Lotos und
anderen wuchernden Pflanzen bedeckt und gleicht einer über-
schwemmten üppigen Wiese. Ganz verwahrlost geht das schöne
Becken rascher Verschlammung entgegen.
Jenseit der Brücke liegt am westlichen See-Ufer das katho-
lische Missionshaus Pe-taṅ. Das Grundstück wurde den Jesuiten
mit dem der Cathedrale und zwei anderen von Kaiser Kaṅ-gi ge-
schenkt, der nach ihrem Bericht nur deshalb die Taufe nicht an-
nahm, weil er der Vielweiberei entsagen sollte. Das wollte er erst
auf dem Sterbebett. Um nun die Priester schnell zur Hand zu
haben, schenkte er ihnen das bei der Rothen Stadt gelegene Grund-
stück, wurde aber vom Tode so plötzlich überrascht, dass sie doch
zu spät kamen. — Die Jesuiten hielten sich in Pe-taṅ bis 1823 und
wurden auch dann nicht vertrieben: der einzige damals noch an-
wesende wünschte abzureisen und erbat sich die Erlaubniss vom
Kaiser, welcher ihm obenein 5000 Tael als Ersatz für das von
seinem Vorfahren geschenkte Grundstück zahlen liess. Die Kirche
und die Wohngebäude der Missionare, welche die Chinesen nicht
brauchen konnten, wurden niedergerissen, der Garten scheint in den
Besitz eines Prinzen des kaiserlichen Hauses übergegangen zu sein.
Beim Friedensschluss 1860 verlangten die Franzosen die Heraus-
gabe dieser und aller übrigen alten Besitzungen der Jesuiten. Die
kaiserliche Regierung erklärte, dass sie das Grundstück käuflich er-
worben habe, wogegen die französischen Diplomaten die Kauf-
summe zu erstatten versprachen, wenn die Regierung die zerstörten
Gebäude dort wieder herstellen liesse. Natürlich siegte das Un-
recht des Stärkeren: die schon einmal geschenkte, dann grossmüthig
zurückgekaufte Besitzung wurde ohne Entschädigung herausgegeben.
— Nach dem Friedensschluss verlangten die Lazaristen, welche Pe-
taṅ bezogen, auch noch die Herausgabe eines Nachbargrundstücks,
wo die Jesuiten für den Himmelssohn Glas fabricirt hatten; die
Regierung verwies sie aber auf die Bestimmung des zerstörten
Gebäudes und verlangte als Bedingung, dass die Lazaristen dort
ebenfalls Glas für den kaiserlichen Palast machen sollten.
Die Capelle, von welcher die Chinesen nur ein Stück Frei-
treppe stehen liessen, war bei unserem Besuch wieder aufgebaut
und ein niedriger Glockenthurm angefügt worden, dessen Fortbau
die Regierung sistirte; die Plateform musste sogar mit übermanns-
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/139>, abgerufen am 22.11.2024.
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