Leuchtern. An den Seitenwänden der Tempelhalle sind ähnliche Nischen mit den Gedenktafeln der vier anderen grossen Heiligen und Altäre davor; daneben stehen, nach dem Eingange zu, die Ta- feln und Altäre der zwölf chinesischen Weisen, sechs auf jeder Seite. -- In einem angrenzenden Prachthofe sind alle Weisheits- sprüche des Confucius in Goldschrift auf schwarzen Marmortafeln zu lesen.
Viele andere Tempel liegen in der Tartarenstadt zerstreut; hier ragt ein mächtiges blaues Ziegeldach, dort eine vielstöckige Pagode über die Häuserreihen. Die meisten bieten wenig Merk- würdiges; man fühlt sich nach Besichtigung einiger Tempel kaum versucht in andere einzudringen. Der forschende Sinologe möchte Ausbeute finden für das Studium der chinesischen Cultur: da ist ein Tempel des Mondes, ein den Herrschern aller Dynastieen ge- weihter, ein Tempel der aufgehenden Sonne, ein Heiligthum der Schamanen, wo der Kaiser seinen Ahnen opfert, u. s. w.; der Un- kundige sieht nur gleichartige Schaustellungen.
Den Elephantenhof im südwestlichen Winkel der Tartaren- stadt bewohnte 1861 nur noch ein einziger einäugiger Elephant von weisslicher Farbe mit abgestumpften Stosszähnen, der nach Aeusse- rungen der Wärter über hundert Jahr alt war und aus Yun-nan stammte. Die Min-Kaiser sollen für den Prunk ihrer Feste immer grosse Heerden dieser Thiere unterhalten haben; auch unter den Mandschu-Herrschern des 17. und 18. Jahrhunderts muss nach der Jesuiten Bericht die Hofhaltung noch sehr prächtig gewesen sein; bei Tau-kwan's Regierungsantritt sollen die kaiserlichen Ställe noch 38 Elephanten enthalten haben. Beim schnellen Ruin der Finanzen liess man mit anderem Gepränge auch diesen Luxus eingehn. Jetzt sind die Ställe ganz verfallen.
Den landschaftlichen Mittelpunct von Pe-kin bildet der Steinkohlenberg Me-tsaen in der Gelben Stadt; er heisst auch Kin- tsaen, Berg der Hauptstadt, und Wan-sui-tsaen, Berg der zehn- tausend Jahre: Engländer nennen ihn Prospect hill. Lange Be- lagerung fürchtend, soll ein Kaiser des Min-Hauses hier grosse Steinkohlenvorräthe aufgehäuft haben; die verwitterten Schichten an der Oberfläche verwandelten sich bald in eine Humusdecke; jetzt beschatten dichte Wipfel den ganzen Hügel und seine als kaiserlicher Lustgarten dienende Umgebung. Im Rechtek von Mauern umschlossen, mit Thoren nach allen vier Seiten, blickt die
XVII. Der Elephantenhof. Der Kohlenberg.
Leuchtern. An den Seitenwänden der Tempelhalle sind ähnliche Nischen mit den Gedenktafeln der vier anderen grossen Heiligen und Altäre davor; daneben stehen, nach dem Eingange zu, die Ta- feln und Altäre der zwölf chinesischen Weisen, sechs auf jeder Seite. — In einem angrenzenden Prachthofe sind alle Weisheits- sprüche des Confucius in Goldschrift auf schwarzen Marmortafeln zu lesen.
Viele andere Tempel liegen in der Tartarenstadt zerstreut; hier ragt ein mächtiges blaues Ziegeldach, dort eine vielstöckige Pagode über die Häuserreihen. Die meisten bieten wenig Merk- würdiges; man fühlt sich nach Besichtigung einiger Tempel kaum versucht in andere einzudringen. Der forschende Sinologe möchte Ausbeute finden für das Studium der chinesischen Cultur: da ist ein Tempel des Mondes, ein den Herrschern aller Dynastieen ge- weihter, ein Tempel der aufgehenden Sonne, ein Heiligthum der Schamanen, wo der Kaiser seinen Ahnen opfert, u. s. w.; der Un- kundige sieht nur gleichartige Schaustellungen.
Den Elephantenhof im südwestlichen Winkel der Tartaren- stadt bewohnte 1861 nur noch ein einziger einäugiger Elephant von weisslicher Farbe mit abgestumpften Stosszähnen, der nach Aeusse- rungen der Wärter über hundert Jahr alt war und aus Yun-nan stammte. Die Miṅ-Kaiser sollen für den Prunk ihrer Feste immer grosse Heerden dieser Thiere unterhalten haben; auch unter den Mandschu-Herrschern des 17. und 18. Jahrhunderts muss nach der Jesuiten Bericht die Hofhaltung noch sehr prächtig gewesen sein; bei Tau-kwaṅ’s Regierungsantritt sollen die kaiserlichen Ställe noch 38 Elephanten enthalten haben. Beim schnellen Ruin der Finanzen liess man mit anderem Gepränge auch diesen Luxus eingehn. Jetzt sind die Ställe ganz verfallen.
Den landschaftlichen Mittelpunct von Pe-kiṅ bildet der Steinkohlenberg Me-tšaen in der Gelben Stadt; er heisst auch Kiṅ- tšaen, Berg der Hauptstadt, und Wan-sui-tšaen, Berg der zehn- tausend Jahre: Engländer nennen ihn Prospect hill. Lange Be- lagerung fürchtend, soll ein Kaiser des Miṅ-Hauses hier grosse Steinkohlenvorräthe aufgehäuft haben; die verwitterten Schichten an der Oberfläche verwandelten sich bald in eine Humusdecke; jetzt beschatten dichte Wipfel den ganzen Hügel und seine als kaiserlicher Lustgarten dienende Umgebung. Im Rechtek von Mauern umschlossen, mit Thoren nach allen vier Seiten, blickt die
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XVII. Der Elephantenhof. Der Kohlenberg.
Leuchtern. An den Seitenwänden der Tempelhalle sind ähnliche
Nischen mit den Gedenktafeln der vier anderen grossen Heiligen
und Altäre davor; daneben stehen, nach dem Eingange zu, die Ta-
feln und Altäre der zwölf chinesischen Weisen, sechs auf jeder
Seite. — In einem angrenzenden Prachthofe sind alle Weisheits-
sprüche des Confucius in Goldschrift auf schwarzen Marmortafeln
zu lesen.
Viele andere Tempel liegen in der Tartarenstadt zerstreut;
hier ragt ein mächtiges blaues Ziegeldach, dort eine vielstöckige
Pagode über die Häuserreihen. Die meisten bieten wenig Merk-
würdiges; man fühlt sich nach Besichtigung einiger Tempel kaum
versucht in andere einzudringen. Der forschende Sinologe möchte
Ausbeute finden für das Studium der chinesischen Cultur: da ist
ein Tempel des Mondes, ein den Herrschern aller Dynastieen ge-
weihter, ein Tempel der aufgehenden Sonne, ein Heiligthum der
Schamanen, wo der Kaiser seinen Ahnen opfert, u. s. w.; der Un-
kundige sieht nur gleichartige Schaustellungen.
Den Elephantenhof im südwestlichen Winkel der Tartaren-
stadt bewohnte 1861 nur noch ein einziger einäugiger Elephant von
weisslicher Farbe mit abgestumpften Stosszähnen, der nach Aeusse-
rungen der Wärter über hundert Jahr alt war und aus Yun-nan
stammte. Die Miṅ-Kaiser sollen für den Prunk ihrer Feste immer
grosse Heerden dieser Thiere unterhalten haben; auch unter den
Mandschu-Herrschern des 17. und 18. Jahrhunderts muss nach der
Jesuiten Bericht die Hofhaltung noch sehr prächtig gewesen sein;
bei Tau-kwaṅ’s Regierungsantritt sollen die kaiserlichen Ställe noch
38 Elephanten enthalten haben. Beim schnellen Ruin der Finanzen
liess man mit anderem Gepränge auch diesen Luxus eingehn. Jetzt
sind die Ställe ganz verfallen.
Den landschaftlichen Mittelpunct von Pe-kiṅ bildet der
Steinkohlenberg Me-tšaen in der Gelben Stadt; er heisst auch Kiṅ-
tšaen, Berg der Hauptstadt, und Wan-sui-tšaen, Berg der zehn-
tausend Jahre: Engländer nennen ihn Prospect hill. Lange Be-
lagerung fürchtend, soll ein Kaiser des Miṅ-Hauses hier grosse
Steinkohlenvorräthe aufgehäuft haben; die verwitterten Schichten
an der Oberfläche verwandelten sich bald in eine Humusdecke;
jetzt beschatten dichte Wipfel den ganzen Hügel und seine als
kaiserlicher Lustgarten dienende Umgebung. Im Rechtek von
Mauern umschlossen, mit Thoren nach allen vier Seiten, blickt die
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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/137>, abgerufen am 16.02.2025.
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