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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Neue Beschränkungen.
trafen. Die Erbitterung zwischen den Fremden und den Chinesen1830.
hatte sich keineswegs gelegt, und die neuen Beamten wurden mit
Anträgen des Vice-Königs bestürmt, alle fremden Frauen aus
Kan-ton zu entfernen. Er erlaubte schliesslich den anwesenden,
bis zum Schluss der Handels-Saison zu bleiben, und die Engländer
selbst verschmähten es nachher, ihre Frauen nach Kan-ton zu
bringen, wo man sie durch öffentliche Anschläge beschimpfte. Die
nationale Abneigung trat in dieser Zeit immer stärker zu Tage, und
man kann, wenn damit das gute Einvernehmen in anderen Perioden
vergleichen wird, die gegenseitige Erbitterung kaum anders als aus
persönlichen Leidenschaften erklären. -- Beim Neubau der Fac-
toreien nach dem grossen Brande 1822 war die Uferfront derselben
ziemlich weit in den Fluss hinausgerückt worden. Nur eine Ecke
vor dem Gebäude der ostindischen Compagnie blieb noch auszu-
füllen zu Ergänzung eines kleinen Platzes, der mit Sträuchern
bepflanzt und zum Vorgarten eingerichtet werden sollte. Das
ärgerte die Chinesen. Der frühere Ausschuss war wiederholt von
den Behörden aufgefordert worden, von der Anlage des Gartens
abzustehen, hatte sich aber nicht daran gekehrt und den Platz
sogar durch englische Seeleute wieder herstellen lassen, als die
Chinesen ihn im Sommer demolirten. Der neue Ausschuss blieb
unbehelligt, so lange die Handels-Saison dauerte. Gleich nach
Abfahrt des letzten Schiffes erschien aber der Fu-yuen in der
englischen Factorei, liess die Hon-Kaufleute und Dolmetscher rufen
und stellte sie zur Rede über die gegen Befehl des Vice-Königs
ausgeführten Arbeiten. Er gebot dem Vorsteher des Hon-Ver-
bandes und dem ersten Dolmetscher bei Todesstrafe, den Bau zer-
stören zu lassen, liess im Empfangssaale der Factorei die Hülle
vom Bilde des Königs reissen, setzte sich mit dem Rücken gegen
dasselbe und betrug sich mit gesuchter Grobheit. -- Bald darauf
wurde ein Erlass veröffentlicht, dessen Inhalt berechnet war, die
Fremden zu beschimpfen, ihre Lage unerträglich zu machen: den
Sommer über dürfte kein Fremder in Kan-ton bleiben; die ein-
gebornen Diener sollten strenger beaufsichtigt werden, die Fremden
sich unweigerlich allen Befehlen der Hon-Kaufleute unterwerfen
und niemals die Factoreien verlassen, auch ohne besondere Erlaub-
niss den Fluss nicht befahren; das 1814 gewährte Recht des
schriftlichen Verkehrs mit den chinesischen Behörden sollte auf
das äusserste beschränkt werden. -- Diesen Bestimmungen trat der

Neue Beschränkungen.
trafen. Die Erbitterung zwischen den Fremden und den Chinesen1830.
hatte sich keineswegs gelegt, und die neuen Beamten wurden mit
Anträgen des Vice-Königs bestürmt, alle fremden Frauen aus
Kan-ton zu entfernen. Er erlaubte schliesslich den anwesenden,
bis zum Schluss der Handels-Saison zu bleiben, und die Engländer
selbst verschmähten es nachher, ihre Frauen nach Kan-ton zu
bringen, wo man sie durch öffentliche Anschläge beschimpfte. Die
nationale Abneigung trat in dieser Zeit immer stärker zu Tage, und
man kann, wenn damit das gute Einvernehmen in anderen Perioden
vergleichen wird, die gegenseitige Erbitterung kaum anders als aus
persönlichen Leidenschaften erklären. — Beim Neubau der Fac-
toreien nach dem grossen Brande 1822 war die Uferfront derselben
ziemlich weit in den Fluss hinausgerückt worden. Nur eine Ecke
vor dem Gebäude der ostindischen Compagnie blieb noch auszu-
füllen zu Ergänzung eines kleinen Platzes, der mit Sträuchern
bepflanzt und zum Vorgarten eingerichtet werden sollte. Das
ärgerte die Chinesen. Der frühere Ausschuss war wiederholt von
den Behörden aufgefordert worden, von der Anlage des Gartens
abzustehen, hatte sich aber nicht daran gekehrt und den Platz
sogar durch englische Seeleute wieder herstellen lassen, als die
Chinesen ihn im Sommer demolirten. Der neue Ausschuss blieb
unbehelligt, so lange die Handels-Saison dauerte. Gleich nach
Abfahrt des letzten Schiffes erschien aber der Fu-yuen in der
englischen Factorei, liess die Hoṅ-Kaufleute und Dolmetscher rufen
und stellte sie zur Rede über die gegen Befehl des Vice-Königs
ausgeführten Arbeiten. Er gebot dem Vorsteher des Hoṅ-Ver-
bandes und dem ersten Dolmetscher bei Todesstrafe, den Bau zer-
stören zu lassen, liess im Empfangssaale der Factorei die Hülle
vom Bilde des Königs reissen, setzte sich mit dem Rücken gegen
dasselbe und betrug sich mit gesuchter Grobheit. — Bald darauf
wurde ein Erlass veröffentlicht, dessen Inhalt berechnet war, die
Fremden zu beschimpfen, ihre Lage unerträglich zu machen: den
Sommer über dürfte kein Fremder in Kan-ton bleiben; die ein-
gebornen Diener sollten strenger beaufsichtigt werden, die Fremden
sich unweigerlich allen Befehlen der Hoṅ-Kaufleute unterwerfen
und niemals die Factoreien verlassen, auch ohne besondere Erlaub-
niss den Fluss nicht befahren; das 1814 gewährte Recht des
schriftlichen Verkehrs mit den chinesischen Behörden sollte auf
das äusserste beschränkt werden. — Diesen Bestimmungen trat der

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[53/0075] Neue Beschränkungen. trafen. Die Erbitterung zwischen den Fremden und den Chinesen hatte sich keineswegs gelegt, und die neuen Beamten wurden mit Anträgen des Vice-Königs bestürmt, alle fremden Frauen aus Kan-ton zu entfernen. Er erlaubte schliesslich den anwesenden, bis zum Schluss der Handels-Saison zu bleiben, und die Engländer selbst verschmähten es nachher, ihre Frauen nach Kan-ton zu bringen, wo man sie durch öffentliche Anschläge beschimpfte. Die nationale Abneigung trat in dieser Zeit immer stärker zu Tage, und man kann, wenn damit das gute Einvernehmen in anderen Perioden vergleichen wird, die gegenseitige Erbitterung kaum anders als aus persönlichen Leidenschaften erklären. — Beim Neubau der Fac- toreien nach dem grossen Brande 1822 war die Uferfront derselben ziemlich weit in den Fluss hinausgerückt worden. Nur eine Ecke vor dem Gebäude der ostindischen Compagnie blieb noch auszu- füllen zu Ergänzung eines kleinen Platzes, der mit Sträuchern bepflanzt und zum Vorgarten eingerichtet werden sollte. Das ärgerte die Chinesen. Der frühere Ausschuss war wiederholt von den Behörden aufgefordert worden, von der Anlage des Gartens abzustehen, hatte sich aber nicht daran gekehrt und den Platz sogar durch englische Seeleute wieder herstellen lassen, als die Chinesen ihn im Sommer demolirten. Der neue Ausschuss blieb unbehelligt, so lange die Handels-Saison dauerte. Gleich nach Abfahrt des letzten Schiffes erschien aber der Fu-yuen in der englischen Factorei, liess die Hoṅ-Kaufleute und Dolmetscher rufen und stellte sie zur Rede über die gegen Befehl des Vice-Königs ausgeführten Arbeiten. Er gebot dem Vorsteher des Hoṅ-Ver- bandes und dem ersten Dolmetscher bei Todesstrafe, den Bau zer- stören zu lassen, liess im Empfangssaale der Factorei die Hülle vom Bilde des Königs reissen, setzte sich mit dem Rücken gegen dasselbe und betrug sich mit gesuchter Grobheit. — Bald darauf wurde ein Erlass veröffentlicht, dessen Inhalt berechnet war, die Fremden zu beschimpfen, ihre Lage unerträglich zu machen: den Sommer über dürfte kein Fremder in Kan-ton bleiben; die ein- gebornen Diener sollten strenger beaufsichtigt werden, die Fremden sich unweigerlich allen Befehlen der Hoṅ-Kaufleute unterwerfen und niemals die Factoreien verlassen, auch ohne besondere Erlaub- niss den Fluss nicht befahren; das 1814 gewährte Recht des schriftlichen Verkehrs mit den chinesischen Behörden sollte auf das äusserste beschränkt werden. — Diesen Bestimmungen trat der 1830.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/75>, abgerufen am 27.04.2024.