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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Feuersbrunst in Kan-ton.
tionen ihn zu baldiger Abreise zwängen. -- Der Vice-König
schickte darauf Beamte zur Untersuchung nach Lin-tin; am 4. Fe-
bruar kam mit Erlaubniss des Commandanten ein Mandarin an Bord
des Topaze und inspicirte die Verwundeten. Der chinesische
Admiral der Station wechselte Höflichkeitsbesuche mit dem Handels-
vorsteher und Capitän Richardson, und am 8. Februar ging die
Fregatte in See. -- Die Chinesen erschöpften sich noch mehrere
Wochen lang in Bemühungen, die Factorei-Beamten zu falschen
Angaben zu vermögen, welche ihre Nachgiebigkeit rechtfertigten.
Endlich kam ein Erlass des Vice-Königs, welcher die bedingungs-
lose Freigebung des Handels und die Anerkennung des von den
Factorei-Beamten aufgestellten Principes aussprach. Am 23. Februar
kehrte das Geschwader nach Kan-ton zurück.

Anfang November 1822 verwüstete eine furchtbare Feuers-
brunst die Stadt und legte auch die Factoreien in Asche. 50,000
Chinesen verloren ihr Obdach. Chinesische Polizei-Mannschaften
schützten im Verein mit den Matrosen der fremden Schiffe die am
Ufer aufgehäuften Bestände gegen Diebesbanden; eine grosse Menge
Waaren aber verbrannte in den Factoreien. Die gewölbten Keller
des englischen Gebäudes, wo etwa eine Million Silber-Dollars
lagerte, blieben unversehrt. Die meisten Europäer mussten längere
Zeit nach diesem Brande auf dem Wasser leben; nur den Beamten
der englischen Factorei räumten die Hon-Kaufleute ein Haus ein,
wo sie nach einer Woche ihre Geschäfte fortsetzen konnten.

Der Handel litt dann lange keine Störung, bis im Frühjahr
1828.1828 Verhältnisse wiederkehrten, die schon früher einmal die Be-
ziehungen zu trüben drohten. Die Unsitte hatte sich eingeschlichen,
dass Fremde den Hon-Kaufleuten bedeutende Geldsummen zu
hohen Zinsen liehen. 1782 sollen die geschuldeten Capitalien
eine Million Pf. St. betragen haben. Die Gläubiger wandten
sich damals nach vergeblichen Bemühungen um Rückzahlung an
die ostindische Regierung, welche eine Fregatte nach dem Perl-
Fluss
schickte und durch deren Commandanten eine Vorstellung an
den Vice-König von Kuan-tun überreichen liess. Auf den Bericht
des Letzteren entschied der Kaiser, dass die sämmtlichen Hon-
Kaufleute solidarisch verpflichtet seien und für ihre zahlungs-
unfähigen Genossen einzutreten hätten; in Zukunft dürfe keiner
ein Darlehn von den Fremden annehmen. -- Der erste Theil
dieses Befehls machte aber das Verbot, Schulden zu contrahiren,

Feuersbrunst in Kan-ton.
tionen ihn zu baldiger Abreise zwängen. — Der Vice-König
schickte darauf Beamte zur Untersuchung nach Lin-tin; am 4. Fe-
bruar kam mit Erlaubniss des Commandanten ein Mandarin an Bord
des Topaze und inspicirte die Verwundeten. Der chinesische
Admiral der Station wechselte Höflichkeitsbesuche mit dem Handels-
vorsteher und Capitän Richardson, und am 8. Februar ging die
Fregatte in See. — Die Chinesen erschöpften sich noch mehrere
Wochen lang in Bemühungen, die Factorei-Beamten zu falschen
Angaben zu vermögen, welche ihre Nachgiebigkeit rechtfertigten.
Endlich kam ein Erlass des Vice-Königs, welcher die bedingungs-
lose Freigebung des Handels und die Anerkennung des von den
Factorei-Beamten aufgestellten Principes aussprach. Am 23. Februar
kehrte das Geschwader nach Kan-ton zurück.

Anfang November 1822 verwüstete eine furchtbare Feuers-
brunst die Stadt und legte auch die Factoreien in Asche. 50,000
Chinesen verloren ihr Obdach. Chinesische Polizei-Mannschaften
schützten im Verein mit den Matrosen der fremden Schiffe die am
Ufer aufgehäuften Bestände gegen Diebesbanden; eine grosse Menge
Waaren aber verbrannte in den Factoreien. Die gewölbten Keller
des englischen Gebäudes, wo etwa eine Million Silber-Dollars
lagerte, blieben unversehrt. Die meisten Europäer mussten längere
Zeit nach diesem Brande auf dem Wasser leben; nur den Beamten
der englischen Factorei räumten die Hoṅ-Kaufleute ein Haus ein,
wo sie nach einer Woche ihre Geschäfte fortsetzen konnten.

Der Handel litt dann lange keine Störung, bis im Frühjahr
1828.1828 Verhältnisse wiederkehrten, die schon früher einmal die Be-
ziehungen zu trüben drohten. Die Unsitte hatte sich eingeschlichen,
dass Fremde den Hoṅ-Kaufleuten bedeutende Geldsummen zu
hohen Zinsen liehen. 1782 sollen die geschuldeten Capitalien
eine Million Pf. St. betragen haben. Die Gläubiger wandten
sich damals nach vergeblichen Bemühungen um Rückzahlung an
die ostindische Regierung, welche eine Fregatte nach dem Perl-
Fluss
schickte und durch deren Commandanten eine Vorstellung an
den Vice-König von Kuaṅ-tuṅ überreichen liess. Auf den Bericht
des Letzteren entschied der Kaiser, dass die sämmtlichen Hoṅ-
Kaufleute solidarisch verpflichtet seien und für ihre zahlungs-
unfähigen Genossen einzutreten hätten; in Zukunft dürfe keiner
ein Darlehn von den Fremden annehmen. — Der erste Theil
dieses Befehls machte aber das Verbot, Schulden zu contrahiren,

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[50/0072] Feuersbrunst in Kan-ton. tionen ihn zu baldiger Abreise zwängen. — Der Vice-König schickte darauf Beamte zur Untersuchung nach Lin-tin; am 4. Fe- bruar kam mit Erlaubniss des Commandanten ein Mandarin an Bord des Topaze und inspicirte die Verwundeten. Der chinesische Admiral der Station wechselte Höflichkeitsbesuche mit dem Handels- vorsteher und Capitän Richardson, und am 8. Februar ging die Fregatte in See. — Die Chinesen erschöpften sich noch mehrere Wochen lang in Bemühungen, die Factorei-Beamten zu falschen Angaben zu vermögen, welche ihre Nachgiebigkeit rechtfertigten. Endlich kam ein Erlass des Vice-Königs, welcher die bedingungs- lose Freigebung des Handels und die Anerkennung des von den Factorei-Beamten aufgestellten Principes aussprach. Am 23. Februar kehrte das Geschwader nach Kan-ton zurück. Anfang November 1822 verwüstete eine furchtbare Feuers- brunst die Stadt und legte auch die Factoreien in Asche. 50,000 Chinesen verloren ihr Obdach. Chinesische Polizei-Mannschaften schützten im Verein mit den Matrosen der fremden Schiffe die am Ufer aufgehäuften Bestände gegen Diebesbanden; eine grosse Menge Waaren aber verbrannte in den Factoreien. Die gewölbten Keller des englischen Gebäudes, wo etwa eine Million Silber-Dollars lagerte, blieben unversehrt. Die meisten Europäer mussten längere Zeit nach diesem Brande auf dem Wasser leben; nur den Beamten der englischen Factorei räumten die Hoṅ-Kaufleute ein Haus ein, wo sie nach einer Woche ihre Geschäfte fortsetzen konnten. Der Handel litt dann lange keine Störung, bis im Frühjahr 1828 Verhältnisse wiederkehrten, die schon früher einmal die Be- ziehungen zu trüben drohten. Die Unsitte hatte sich eingeschlichen, dass Fremde den Hoṅ-Kaufleuten bedeutende Geldsummen zu hohen Zinsen liehen. 1782 sollen die geschuldeten Capitalien eine Million Pf. St. betragen haben. Die Gläubiger wandten sich damals nach vergeblichen Bemühungen um Rückzahlung an die ostindische Regierung, welche eine Fregatte nach dem Perl- Fluss schickte und durch deren Commandanten eine Vorstellung an den Vice-König von Kuaṅ-tuṅ überreichen liess. Auf den Bericht des Letzteren entschied der Kaiser, dass die sämmtlichen Hoṅ- Kaufleute solidarisch verpflichtet seien und für ihre zahlungs- unfähigen Genossen einzutreten hätten; in Zukunft dürfe keiner ein Darlehn von den Fremden annehmen. — Der erste Theil dieses Befehls machte aber das Verbot, Schulden zu contrahiren, 1828.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/72>, abgerufen am 27.04.2024.