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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Niederländische Gesandtschaften.
mehrere Monate aufgehalten, ehe sie die Reise nach Pe-kin an-
treten durfte; unterwegs empfingen die tartarischen Behörden sie
überall höflich. In Pe-kin sollen ihr die Jesuiten entgegengewirkt
haben; die Gewährung von Handelsprivilegien, nach welcher sie
strebten, hätten die Holländer auch ohne das wohl kaum erreicht,
trotz allen Demüthigungen, welche sie duldeten. Man scheint
sie gefoppt und verspottet zu haben 10). Sie verrichteten willig den
knechtischen Gruss des Ko-to nicht nur vor der Person des Kai-
sers, sondern auch vor den ihnen von seiner Tafel zugetheilten
Bissen. Die Sitte des Ko-to besteht darin, dass der Grüssende
sich auf beide Knie niederwirft, die Hände auf den Boden stützt
und mit der Stirn dreimal die Erde berührt. Dreimaliges Nieder-
werfen und neunmaliges Kopfstossen ist der Gruss der tributpflich-
tigen Vasallen; als solche bekannten sich die Niederländer durch
Vollziehung dieser Form, als sie mit den Gesandten abhängiger
Staaten vor den Kaiser geführt und gleich diesen behandelt wur-
den. Trotz aller Willfährigkeit und der reichen Bestechung der
kaiserlichen Räthe mussten sie Pe-kin ohne das geringste Zugeständ-
niss oder Versprechen verlassen; das kaiserliche Geschenk von
300 Unzen Silber für den Statthalter von Batavia mag gegen die
Kosten der Sendung kaum in Anschlag gekommen sein.

Der Vertreibung der Holländer aus Formosa durch den chi-
nesischen Seehelden Kuo-Sin oder Coxinga, welcher 1662 die Festung
Zeeland nahm, ist schon im I. Bande dieses Werkes gedacht.
Coxinga hatte mit seiner starken Flotte den Tartaren in Mittel-
China
lange Widerstand geleistet, musste sich aber nach einer
Niederlage bei Nan-kin an die Küste von Fu-kian zurückziehen
und betrieb von da aus die Eroberung von Formosa. Er gründete
dort ein eigenes Reich, welches erst sein Enkel 1683 den Mandschu-
Herrschern übergab.

Eine zweite holländische Gesandtschaft, welche 1667 nach1667.
Pe-kin ging, scheint nicht besser behandelt worden zu sein und
hatte eben so wenig Erfolg als die erste. -- 1795 schickte die1795.
batavische Regierung abermals eine glänzende Gesandtschaft unter
Titsingh nach der chinesischen Hauptstadt. Man glaubte in der

10) Es erregte Anstoss, dass sie nicht Gesandten eines Monarchen waren; den
Begriff der Republik konnte man nicht fassen, und als Vertreter einer Handelsgesell-
schaft durften die Holländer sich am wenigsten ausgeben. Adam Schall hat über
diese Gesandtschaft berichtet.

Niederländische Gesandtschaften.
mehrere Monate aufgehalten, ehe sie die Reise nach Pe-kiṅ an-
treten durfte; unterwegs empfingen die tartarischen Behörden sie
überall höflich. In Pe-kiṅ sollen ihr die Jesuiten entgegengewirkt
haben; die Gewährung von Handelsprivilegien, nach welcher sie
strebten, hätten die Holländer auch ohne das wohl kaum erreicht,
trotz allen Demüthigungen, welche sie duldeten. Man scheint
sie gefoppt und verspottet zu haben 10). Sie verrichteten willig den
knechtischen Gruss des Ko-to nicht nur vor der Person des Kai-
sers, sondern auch vor den ihnen von seiner Tafel zugetheilten
Bissen. Die Sitte des Ko-to besteht darin, dass der Grüssende
sich auf beide Knie niederwirft, die Hände auf den Boden stützt
und mit der Stirn dreimal die Erde berührt. Dreimaliges Nieder-
werfen und neunmaliges Kopfstossen ist der Gruss der tributpflich-
tigen Vasallen; als solche bekannten sich die Niederländer durch
Vollziehung dieser Form, als sie mit den Gesandten abhängiger
Staaten vor den Kaiser geführt und gleich diesen behandelt wur-
den. Trotz aller Willfährigkeit und der reichen Bestechung der
kaiserlichen Räthe mussten sie Pe-kiṅ ohne das geringste Zugeständ-
niss oder Versprechen verlassen; das kaiserliche Geschenk von
300 Unzen Silber für den Statthalter von Batavia mag gegen die
Kosten der Sendung kaum in Anschlag gekommen sein.

Der Vertreibung der Holländer aus Formosa durch den chi-
nesischen Seehelden Kuo-Šin oder Coxinga, welcher 1662 die Festung
Zeeland nahm, ist schon im I. Bande dieses Werkes gedacht.
Coxinga hatte mit seiner starken Flotte den Tartaren in Mittel-
China
lange Widerstand geleistet, musste sich aber nach einer
Niederlage bei Nan-kiṅ an die Küste von Fu-kiaṅ zurückziehen
und betrieb von da aus die Eroberung von Formosa. Er gründete
dort ein eigenes Reich, welches erst sein Enkel 1683 den Mandschu-
Herrschern übergab.

Eine zweite holländische Gesandtschaft, welche 1667 nach1667.
Pe-kiṅ ging, scheint nicht besser behandelt worden zu sein und
hatte eben so wenig Erfolg als die erste. — 1795 schickte die1795.
batavische Regierung abermals eine glänzende Gesandtschaft unter
Titsingh nach der chinesischen Hauptstadt. Man glaubte in der

10) Es erregte Anstoss, dass sie nicht Gesandten eines Monarchen waren; den
Begriff der Republik konnte man nicht fassen, und als Vertreter einer Handelsgesell-
schaft durften die Holländer sich am wenigsten ausgeben. Adam Schall hat über
diese Gesandtschaft berichtet.
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[23/0045] Niederländische Gesandtschaften. mehrere Monate aufgehalten, ehe sie die Reise nach Pe-kiṅ an- treten durfte; unterwegs empfingen die tartarischen Behörden sie überall höflich. In Pe-kiṅ sollen ihr die Jesuiten entgegengewirkt haben; die Gewährung von Handelsprivilegien, nach welcher sie strebten, hätten die Holländer auch ohne das wohl kaum erreicht, trotz allen Demüthigungen, welche sie duldeten. Man scheint sie gefoppt und verspottet zu haben 10). Sie verrichteten willig den knechtischen Gruss des Ko-to nicht nur vor der Person des Kai- sers, sondern auch vor den ihnen von seiner Tafel zugetheilten Bissen. Die Sitte des Ko-to besteht darin, dass der Grüssende sich auf beide Knie niederwirft, die Hände auf den Boden stützt und mit der Stirn dreimal die Erde berührt. Dreimaliges Nieder- werfen und neunmaliges Kopfstossen ist der Gruss der tributpflich- tigen Vasallen; als solche bekannten sich die Niederländer durch Vollziehung dieser Form, als sie mit den Gesandten abhängiger Staaten vor den Kaiser geführt und gleich diesen behandelt wur- den. Trotz aller Willfährigkeit und der reichen Bestechung der kaiserlichen Räthe mussten sie Pe-kiṅ ohne das geringste Zugeständ- niss oder Versprechen verlassen; das kaiserliche Geschenk von 300 Unzen Silber für den Statthalter von Batavia mag gegen die Kosten der Sendung kaum in Anschlag gekommen sein. Der Vertreibung der Holländer aus Formosa durch den chi- nesischen Seehelden Kuo-Šin oder Coxinga, welcher 1662 die Festung Zeeland nahm, ist schon im I. Bande dieses Werkes gedacht. Coxinga hatte mit seiner starken Flotte den Tartaren in Mittel- China lange Widerstand geleistet, musste sich aber nach einer Niederlage bei Nan-kiṅ an die Küste von Fu-kiaṅ zurückziehen und betrieb von da aus die Eroberung von Formosa. Er gründete dort ein eigenes Reich, welches erst sein Enkel 1683 den Mandschu- Herrschern übergab. Eine zweite holländische Gesandtschaft, welche 1667 nach Pe-kiṅ ging, scheint nicht besser behandelt worden zu sein und hatte eben so wenig Erfolg als die erste. — 1795 schickte die batavische Regierung abermals eine glänzende Gesandtschaft unter Titsingh nach der chinesischen Hauptstadt. Man glaubte in der 1667. 1795. 10) Es erregte Anstoss, dass sie nicht Gesandten eines Monarchen waren; den Begriff der Republik konnte man nicht fassen, und als Vertreter einer Handelsgesell- schaft durften die Holländer sich am wenigsten ausgeben. Adam Schall hat über diese Gesandtschaft berichtet.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/45>, abgerufen am 29.03.2024.