Des Gesandten Entschluss, zunächst nach Siam zu gehen war durch Rücksichten auf Wind und Wetter und durch Mitthei- lungen veranlasst worden, welche er bei seinem Eintreffen in Shang- hae empfing. Lord Elgin hatte vor seiner Abreise erklärt, dass die dermalige Lage von ChinaPreussens Anträgen wenig Aussicht auf Erfolg biete, dass besser eine Consolidirung der politischen Ver- hältnisse abgewartet würde. Diese Aeusserung des englischen Staatsmannes musste schwer ins Gewicht fallen. Ihr entgegen be- haupteten aber fast alle der Verhältnisse kundigen Fremden in Shang-hae, so sehr ihre Ansichten über China's politische Zukunft sonst auseinandergingen, dass die Conjuncturen günstig seien. Die Regierung hatte in den letzten Monaten deutlich bewiesen, dass sie das gute Einvernehmen zu erhalten wünsche. Der Kaiser verweilte noch in Dzehol, hatte aber die Errichtung eines Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten sanctionirt und seinen Bruder, den Prinzen von Kun, an dessen Spitze gestellt. Diese Behörde behan- delte zum ersten Mal die fremden Mächte consequent als eben- bürtige, nicht als abhängige Staaten, und publicirte die demüthigen- den Bedingungen des Friedens von Pe-kin der Convention gemäss ehrlich in allen Theilen des Reiches. Die Bereitwilligkeit, mit welcher China nach dem Frieden von Nan-kin die von England erkämpften Rechte anderen Nationen zugestand, liess die Befolgung einer gleichen Politik nach der zweiten grossen Katastrophe er- warten, selbst wenn Lin's Grundsatz aufgegeben war, Barbaren durch Barbaren zu bezwingen. Die Schwäche der Regierung und ihr Streben, das gute Einvernehmen mit den fremden Mächten zu er- halten, schienen den Abschluss des Vertrages zu verbürgen. Nun entstand wohl die Frage, ob es lohne, mit einer so stark gefähr- deten Dynastie in Vertragsverhältnisse zu treten; denn damals überschätzte man die Aussichten der Tae-pin. Aber grade bei einer Neubildung des Reiches und den ungeordneten Zu- ständen des Ueberganges wären die unberechtigten Ausländer stark gefährdet, wäre vielleicht Jahre lang keine Aussicht gewesen, einen Vertrag zu schliessen. Auf gleichen Rechten fussend, konnte dagegen Preussen bei einer politischen Umwälzung im Ein- klang mit anderen Grossmächten handeln. So musste sich seine Stellung zum chinesischen Reiche unter allen Umständen gün- stiger gestalten, wenn möglichst bald ein Vertrag geschlossen wurde.
XIII. Aussichten für den Vertrag.
Des Gesandten Entschluss, zunächst nach Siam zu gehen war durch Rücksichten auf Wind und Wetter und durch Mitthei- lungen veranlasst worden, welche er bei seinem Eintreffen in Shang- hae empfing. Lord Elgin hatte vor seiner Abreise erklärt, dass die dermalige Lage von ChinaPreussens Anträgen wenig Aussicht auf Erfolg biete, dass besser eine Consolidirung der politischen Ver- hältnisse abgewartet würde. Diese Aeusserung des englischen Staatsmannes musste schwer ins Gewicht fallen. Ihr entgegen be- haupteten aber fast alle der Verhältnisse kundigen Fremden in Shang-hae, so sehr ihre Ansichten über China’s politische Zukunft sonst auseinandergingen, dass die Conjuncturen günstig seien. Die Regierung hatte in den letzten Monaten deutlich bewiesen, dass sie das gute Einvernehmen zu erhalten wünsche. Der Kaiser verweilte noch in Džehol, hatte aber die Errichtung eines Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten sanctionirt und seinen Bruder, den Prinzen von Kuṅ, an dessen Spitze gestellt. Diese Behörde behan- delte zum ersten Mal die fremden Mächte consequent als eben- bürtige, nicht als abhängige Staaten, und publicirte die demüthigen- den Bedingungen des Friedens von Pe-kiṅ der Convention gemäss ehrlich in allen Theilen des Reiches. Die Bereitwilligkeit, mit welcher China nach dem Frieden von Nan-kiṅ die von England erkämpften Rechte anderen Nationen zugestand, liess die Befolgung einer gleichen Politik nach der zweiten grossen Katastrophe er- warten, selbst wenn Lin’s Grundsatz aufgegeben war, Barbaren durch Barbaren zu bezwingen. Die Schwäche der Regierung und ihr Streben, das gute Einvernehmen mit den fremden Mächten zu er- halten, schienen den Abschluss des Vertrages zu verbürgen. Nun entstand wohl die Frage, ob es lohne, mit einer so stark gefähr- deten Dynastie in Vertragsverhältnisse zu treten; denn damals überschätzte man die Aussichten der Tae-piṅ. Aber grade bei einer Neubildung des Reiches und den ungeordneten Zu- ständen des Ueberganges wären die unberechtigten Ausländer stark gefährdet, wäre vielleicht Jahre lang keine Aussicht gewesen, einen Vertrag zu schliessen. Auf gleichen Rechten fussend, konnte dagegen Preussen bei einer politischen Umwälzung im Ein- klang mit anderen Grossmächten handeln. So musste sich seine Stellung zum chinesischen Reiche unter allen Umständen gün- stiger gestalten, wenn möglichst bald ein Vertrag geschlossen wurde.
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war durch Rücksichten auf Wind und Wetter und durch Mitthei-
lungen veranlasst worden, welche er bei seinem Eintreffen in Shang-
hae empfing. Lord Elgin hatte vor seiner Abreise erklärt, dass die
dermalige Lage von China Preussens Anträgen wenig Aussicht auf
Erfolg biete, dass besser eine Consolidirung der politischen Ver-
hältnisse abgewartet würde. Diese Aeusserung des englischen
Staatsmannes musste schwer ins Gewicht fallen. Ihr entgegen be-
haupteten aber fast alle der Verhältnisse kundigen Fremden in
Shang-hae, so sehr ihre Ansichten über China’s politische Zukunft
sonst auseinandergingen, dass die Conjuncturen günstig seien. Die
Regierung hatte in den letzten Monaten deutlich bewiesen, dass sie
das gute Einvernehmen zu erhalten wünsche. Der Kaiser verweilte
noch in Džehol, hatte aber die Errichtung eines Ministeriums der
Auswärtigen Angelegenheiten sanctionirt und seinen Bruder, den
Prinzen von Kuṅ, an dessen Spitze gestellt. Diese Behörde behan-
delte zum ersten Mal die fremden Mächte consequent als eben-
bürtige, nicht als abhängige Staaten, und publicirte die demüthigen-
den Bedingungen des Friedens von Pe-kiṅ der Convention gemäss
ehrlich in allen Theilen des Reiches. Die Bereitwilligkeit, mit
welcher China nach dem Frieden von Nan-kiṅ die von England
erkämpften Rechte anderen Nationen zugestand, liess die Befolgung
einer gleichen Politik nach der zweiten grossen Katastrophe er-
warten, selbst wenn Lin’s Grundsatz aufgegeben war, Barbaren durch
Barbaren zu bezwingen. Die Schwäche der Regierung und ihr
Streben, das gute Einvernehmen mit den fremden Mächten zu er-
halten, schienen den Abschluss des Vertrages zu verbürgen. Nun
entstand wohl die Frage, ob es lohne, mit einer so stark gefähr-
deten Dynastie in Vertragsverhältnisse zu treten; denn damals
überschätzte man die Aussichten der Tae-piṅ. Aber grade
bei einer Neubildung des Reiches und den ungeordneten Zu-
ständen des Ueberganges wären die unberechtigten Ausländer
stark gefährdet, wäre vielleicht Jahre lang keine Aussicht gewesen,
einen Vertrag zu schliessen. Auf gleichen Rechten fussend,
konnte dagegen Preussen bei einer politischen Umwälzung im Ein-
klang mit anderen Grossmächten handeln. So musste sich seine
Stellung zum chinesischen Reiche unter allen Umständen gün-
stiger gestalten, wenn möglichst bald ein Vertrag geschlossen
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/443>, abgerufen am 25.11.2024.
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