[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.XIII. Aussichten in Shang-hae. Die Frauen und Kinder der ermordeten oder zu Soldaten gepresstenBewohner mussten für den Unterhalt der wilden Horde arbeiten; der Himmelsfürst weilte unsichtbar in den Tiefen seines Harems, und gab nur durch wahnwitzige Manifeste oder blutige Grausamkeit Zeichen seines Daseins. Für Shang-hae war die Schiffahrt auf dem Yan-tse be- General de Montauban wünschte schon im Frühjahr 1860 27*
XIII. Aussichten in Shang-hae. Die Frauen und Kinder der ermordeten oder zu Soldaten gepresstenBewohner mussten für den Unterhalt der wilden Horde arbeiten; der Himmelsfürst weilte unsichtbar in den Tiefen seines Harems, und gab nur durch wahnwitzige Manifeste oder blutige Grausamkeit Zeichen seines Daseins. Für Shang-hae war die Schiffahrt auf dem Yaṅ-tse be- General de Montauban wünschte schon im Frühjahr 1860 27*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0441" n="419"/><fw place="top" type="header">XIII. Aussichten in <hi rendition="#k"><placeName>Shang-hae</placeName></hi>.</fw><lb/> Die Frauen und Kinder der ermordeten oder zu Soldaten gepressten<lb/> Bewohner mussten für den Unterhalt der wilden Horde arbeiten;<lb/> der Himmelsfürst weilte unsichtbar in den Tiefen seines Harems,<lb/> und gab nur durch wahnwitzige Manifeste oder blutige Grausamkeit<lb/> Zeichen seines Daseins.</p><lb/> <p>Für <hi rendition="#k"><placeName>Shang-hae</placeName></hi> war die Schiffahrt auf dem <hi rendition="#k"><placeName>Yaṅ-tse</placeName></hi> be-<lb/> sonders damals wichtig, da die seine Ausfuhr producirenden Seiden-<lb/> districte von den Rebellen besetzt waren und wenig Aussicht für<lb/> die Zukunft boten. Man fand grade jetzt wieder besondere Reg-<lb/> samkeit unter den <hi rendition="#k">Tae-piṅ</hi> und hatte wenig Vertrauen zu den<lb/> kaiserlichen Kuli-Heeren, welchen militärische Organisation und<lb/> Disciplin ebenso fehlten, wie den Insurgenten. Die Kassen waren<lb/> erschöpft. Im Norden drohten die »Salzdschunken-Rebellen«, —<lb/> die Mannschaft unzähliger dem Monopol-Handel mit Salz dienen-<lb/> der Staatsboote, zu deren Benutzung das Geld fehlte, — der Haupt-<lb/> stadt die Zufuhr abzuschneiden und schlugen das Heer <persName ref="http://d-nb.info/gnd/1043030107"><hi rendition="#k">Saṅ-ko-<lb/> lin-sin</hi>’s</persName>. Diese Bewegung wurde mit den Operationen der <hi rendition="#k">Tae-<lb/> piṅ</hi> in Verbindung gebracht, und <hi rendition="#k"><placeName>Shang-hae</placeName></hi>, das bis dahin ganz<lb/> vom Seidenhandel lebte, sah trübe in die Zukunft, wenn sich kein<lb/> Ersatz bot. Nun standen, wie gesagt, die geöffneten Häfen am<lb/> oberen <hi rendition="#k"><placeName>Yaṅ-tse</placeName></hi> durch Wasserstrassen mit den Thee-Districten in<lb/> Verbindung; man hoffte die Hauptmasse dieses Artikels, welche bis<lb/> dahin durch unwegsame Gebirge nach <hi rendition="#k"><placeName>Kan-ton</placeName></hi> ging, weit billiger<lb/> über <hi rendition="#k"><placeName>Shang-hae</placeName></hi> exportiren zu können, wo sich eine Actiengesell-<lb/> schaft zum Bau flachgehender Dampfer bildete. Sehr deprimirend<lb/> wirkte hier die durch den Auszug der Bewohner von <hi rendition="#k"><placeName>Han-kau</placeName></hi><lb/> veranlasste Nachricht, dass der <hi rendition="#k"><persName ref="http://id.loc.gov/authorities/names/n82109890">Yiṅ-waṅ</persName></hi> die <placeName>Dreistadt</placeName> besetzt<lb/> habe; wenig Stunden nach ihrem Eintreffen erschienen an allen<lb/> Strassenecken grosse chinesische Maueranschläge auf rothem Pa-<lb/> pier, welche die <hi rendition="#g">fremden Consuln</hi> aufforderten, endlich Ernst zu<lb/> zeigen und die Rebellen zu vernichten.</p><lb/> <p>General <persName ref="http://d-nb.info/gnd/173255868">de Montauban</persName> wünschte schon im Frühjahr 1860<lb/> Truppen gegen die <hi rendition="#k">Tae-piṅ</hi> zu senden, wenigstens <hi rendition="#k"><placeName>Su-tšau</placeName></hi> und<lb/> die Seidenbezirke vor ihnen zu schützen. Eine auf ihre Vertreibung<lb/> zielende Petition reichten später französische Kaufleute an den<lb/> Consul in <hi rendition="#k"><placeName>Shang-hae</placeName></hi> ein, welcher dem Gesandten in <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kiṅ</placeName></hi> dar-<lb/> über berichtete. Er betont, dass eine Betheiligung an der <hi rendition="#k">Yaṅ-tse</hi>-<lb/> Expedition weder den Ruhm noch den Vortheil <placeName>Frankreichs</placeName> hätte<lb/> fördern können, dass die Anerkennung der Rebellen als krieg-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">27*</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [419/0441]
XIII. Aussichten in Shang-hae.
Die Frauen und Kinder der ermordeten oder zu Soldaten gepressten
Bewohner mussten für den Unterhalt der wilden Horde arbeiten;
der Himmelsfürst weilte unsichtbar in den Tiefen seines Harems,
und gab nur durch wahnwitzige Manifeste oder blutige Grausamkeit
Zeichen seines Daseins.
Für Shang-hae war die Schiffahrt auf dem Yaṅ-tse be-
sonders damals wichtig, da die seine Ausfuhr producirenden Seiden-
districte von den Rebellen besetzt waren und wenig Aussicht für
die Zukunft boten. Man fand grade jetzt wieder besondere Reg-
samkeit unter den Tae-piṅ und hatte wenig Vertrauen zu den
kaiserlichen Kuli-Heeren, welchen militärische Organisation und
Disciplin ebenso fehlten, wie den Insurgenten. Die Kassen waren
erschöpft. Im Norden drohten die »Salzdschunken-Rebellen«, —
die Mannschaft unzähliger dem Monopol-Handel mit Salz dienen-
der Staatsboote, zu deren Benutzung das Geld fehlte, — der Haupt-
stadt die Zufuhr abzuschneiden und schlugen das Heer Saṅ-ko-
lin-sin’s. Diese Bewegung wurde mit den Operationen der Tae-
piṅ in Verbindung gebracht, und Shang-hae, das bis dahin ganz
vom Seidenhandel lebte, sah trübe in die Zukunft, wenn sich kein
Ersatz bot. Nun standen, wie gesagt, die geöffneten Häfen am
oberen Yaṅ-tse durch Wasserstrassen mit den Thee-Districten in
Verbindung; man hoffte die Hauptmasse dieses Artikels, welche bis
dahin durch unwegsame Gebirge nach Kan-ton ging, weit billiger
über Shang-hae exportiren zu können, wo sich eine Actiengesell-
schaft zum Bau flachgehender Dampfer bildete. Sehr deprimirend
wirkte hier die durch den Auszug der Bewohner von Han-kau
veranlasste Nachricht, dass der Yiṅ-waṅ die Dreistadt besetzt
habe; wenig Stunden nach ihrem Eintreffen erschienen an allen
Strassenecken grosse chinesische Maueranschläge auf rothem Pa-
pier, welche die fremden Consuln aufforderten, endlich Ernst zu
zeigen und die Rebellen zu vernichten.
General de Montauban wünschte schon im Frühjahr 1860
Truppen gegen die Tae-piṅ zu senden, wenigstens Su-tšau und
die Seidenbezirke vor ihnen zu schützen. Eine auf ihre Vertreibung
zielende Petition reichten später französische Kaufleute an den
Consul in Shang-hae ein, welcher dem Gesandten in Pe-kiṅ dar-
über berichtete. Er betont, dass eine Betheiligung an der Yaṅ-tse-
Expedition weder den Ruhm noch den Vortheil Frankreichs hätte
fördern können, dass die Anerkennung der Rebellen als krieg-
27*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |