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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Zustände bei den Tae-pin. XIII.
zeichnet, verboten hier bei Todesstrafe die Entführung von Män-
nern und Weibern. Für Nan-kin hatte der Landbau in der Um-
gegend die höchste Wichtigkeit; einmal monatlich wurden dort die
Steuern in Geld oder Reis erhoben. Eine bestimmte Zeit mussten
alle Landbewohner in der Stadt arbeiten, durften dann aber in ihre
Dörfer zurückkehren. Sie schienen in die bei ihnen wohnenden
Beamten Vertrauen zu setzen und mit ihrem Loose zufrieden
zu sein.

Kurz vor Ankunft des Herrn Forrest, welchen der Missionar
Edkins begleitete, verbot ein Edict des Tien-wan allen Handels-
verkehr innerhalb der Stadt: "Tien-kin dürfe als kaiserliche Resi-
denz nicht durch Geschrei von Krämern entweiht werden." Vier-
zehn Unglückliche, die dagegen frevelten, wurden eben hingerich-
tet. Vor den Thoren gingen Handel und Wandel sehr lebhaft,
und die Vorstädte konnten ihre Bewohner kaum bergen. Kaiser-
liche Geldsorten wurden fast lieber genommen als die eigenen der
Tae-pin.

Es gab in Nan-kin sechs Ministerien, nach dem Muster der-
jenigen in Pe-kin eingerichtet. An der Spitze der Verwaltung
stand der elfjährige Sohn des Tien-wan nicht nur dem Namen
nach, sondern emsig die Geschäfte erledigend. Im Staatsgewande
und goldener Krone pflegte er öffentlich zum Volke zu reden; un-
gebeten erzählte er Herrn Forrest die Visionen seines Vaters. --
Unter ihm gab es damals neun Tae-pin-Könige, von denen nur
der Tsan-wan in Nan-kin weilte; alle anderen standen im Felde.
Den höchsten Rang bekleidete des Tien-wan Vetter Hun-dzin, der
Kan-wan oder Schildkönig; für den tüchtigsten an Gesinnung und
Fähigkeiten galt der Tsun-wan oder Treue König. 132)

Die Tae-pin beherrschten um diese Zeit -- Frühjahr 1861
-- das südliche Yan-tse-Ufer bis etwa 20 Meilen oberhalb
Nan-kin und 10 Meilen landeinwärts; auf dem Nordufer hielten sie
noch Gan-kin und eine Strecke nordöstlich davon bis Lu-ho be-
setzt. Oestlich von Nan-kin gehörte ihnen der südlich des

132) An der Spitze der Tae-pin-Regierung standen Anfang 1861 folgende Wan
oder Könige:
1. Der Kan-wan oder Schildkönig, 2. der Tsun-wan oder Treue König,
3. der Yin-wan oder Heldenkönig, 4. der Ei-wan oder Hülfskönig, 5. der Si-wan,
6. der Fu-wan, 7. der Tsan-wan, 8. der Tsan-wan, 9. der Si-wan. Letzterer
war der junge Sohn des Westkönigs. S. Lindesay Brine, The Taeping rebellion.

Zustände bei den Tae-piṅ. XIII.
zeichnet, verboten hier bei Todesstrafe die Entführung von Män-
nern und Weibern. Für Nan-kiṅ hatte der Landbau in der Um-
gegend die höchste Wichtigkeit; einmal monatlich wurden dort die
Steuern in Geld oder Reis erhoben. Eine bestimmte Zeit mussten
alle Landbewohner in der Stadt arbeiten, durften dann aber in ihre
Dörfer zurückkehren. Sie schienen in die bei ihnen wohnenden
Beamten Vertrauen zu setzen und mit ihrem Loose zufrieden
zu sein.

Kurz vor Ankunft des Herrn Forrest, welchen der Missionar
Edkins begleitete, verbot ein Edict des Tien-waṅ allen Handels-
verkehr innerhalb der Stadt: »Tien-kiṅ dürfe als kaiserliche Resi-
denz nicht durch Geschrei von Krämern entweiht werden.« Vier-
zehn Unglückliche, die dagegen frevelten, wurden eben hingerich-
tet. Vor den Thoren gingen Handel und Wandel sehr lebhaft,
und die Vorstädte konnten ihre Bewohner kaum bergen. Kaiser-
liche Geldsorten wurden fast lieber genommen als die eigenen der
Tae-piṅ.

Es gab in Nan-kiṅ sechs Ministerien, nach dem Muster der-
jenigen in Pe-kiṅ eingerichtet. An der Spitze der Verwaltung
stand der elfjährige Sohn des Tien-waṅ nicht nur dem Namen
nach, sondern emsig die Geschäfte erledigend. Im Staatsgewande
und goldener Krone pflegte er öffentlich zum Volke zu reden; un-
gebeten erzählte er Herrn Forrest die Visionen seines Vaters. —
Unter ihm gab es damals neun Tae-piṅ-Könige, von denen nur
der Tšan-waṅ in Nan-kiṅ weilte; alle anderen standen im Felde.
Den höchsten Rang bekleidete des Tien-waṅ Vetter Huṅ-džin, der
Kan-waṅ oder Schildkönig; für den tüchtigsten an Gesinnung und
Fähigkeiten galt der Tšun-waṅ oder Treue König. 132)

Die Tae-piṅ beherrschten um diese Zeit — Frühjahr 1861
— das südliche Yaṅ-tse-Ufer bis etwa 20 Meilen oberhalb
Nan-kiṅ und 10 Meilen landeinwärts; auf dem Nordufer hielten sie
noch Gan-kiṅ und eine Strecke nordöstlich davon bis Lu-ho be-
setzt. Oestlich von Nan-kiṅ gehörte ihnen der südlich des

132) An der Spitze der Tae-piṅ-Regierung standen Anfang 1861 folgende Waṅ
oder Könige:
1. Der Kan-waṅ oder Schildkönig, 2. der Tšun-waṅ oder Treue König,
3. der Yiṅ-waṅ oder Heldenkönig, 4. der Ei-waṅ oder Hülfskönig, 5. der Ši-waṅ,
6. der Fu-waṅ, 7. der Tsan-waṅ, 8. der Tšan-waṅ, 9. der Si-waṅ. Letzterer
war der junge Sohn des Westkönigs. S. Lindesay Brine, The Taeping rebellion.
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[410/0432] Zustände bei den Tae-piṅ. XIII. zeichnet, verboten hier bei Todesstrafe die Entführung von Män- nern und Weibern. Für Nan-kiṅ hatte der Landbau in der Um- gegend die höchste Wichtigkeit; einmal monatlich wurden dort die Steuern in Geld oder Reis erhoben. Eine bestimmte Zeit mussten alle Landbewohner in der Stadt arbeiten, durften dann aber in ihre Dörfer zurückkehren. Sie schienen in die bei ihnen wohnenden Beamten Vertrauen zu setzen und mit ihrem Loose zufrieden zu sein. Kurz vor Ankunft des Herrn Forrest, welchen der Missionar Edkins begleitete, verbot ein Edict des Tien-waṅ allen Handels- verkehr innerhalb der Stadt: »Tien-kiṅ dürfe als kaiserliche Resi- denz nicht durch Geschrei von Krämern entweiht werden.« Vier- zehn Unglückliche, die dagegen frevelten, wurden eben hingerich- tet. Vor den Thoren gingen Handel und Wandel sehr lebhaft, und die Vorstädte konnten ihre Bewohner kaum bergen. Kaiser- liche Geldsorten wurden fast lieber genommen als die eigenen der Tae-piṅ. Es gab in Nan-kiṅ sechs Ministerien, nach dem Muster der- jenigen in Pe-kiṅ eingerichtet. An der Spitze der Verwaltung stand der elfjährige Sohn des Tien-waṅ nicht nur dem Namen nach, sondern emsig die Geschäfte erledigend. Im Staatsgewande und goldener Krone pflegte er öffentlich zum Volke zu reden; un- gebeten erzählte er Herrn Forrest die Visionen seines Vaters. — Unter ihm gab es damals neun Tae-piṅ-Könige, von denen nur der Tšan-waṅ in Nan-kiṅ weilte; alle anderen standen im Felde. Den höchsten Rang bekleidete des Tien-waṅ Vetter Huṅ-džin, der Kan-waṅ oder Schildkönig; für den tüchtigsten an Gesinnung und Fähigkeiten galt der Tšun-waṅ oder Treue König. 132) Die Tae-piṅ beherrschten um diese Zeit — Frühjahr 1861 — das südliche Yaṅ-tse-Ufer bis etwa 20 Meilen oberhalb Nan-kiṅ und 10 Meilen landeinwärts; auf dem Nordufer hielten sie noch Gan-kiṅ und eine Strecke nordöstlich davon bis Lu-ho be- setzt. Oestlich von Nan-kiṅ gehörte ihnen der südlich des 132) An der Spitze der Tae-piṅ-Regierung standen Anfang 1861 folgende Waṅ oder Könige: 1. Der Kan-waṅ oder Schildkönig, 2. der Tšun-waṅ oder Treue König, 3. der Yiṅ-waṅ oder Heldenkönig, 4. der Ei-waṅ oder Hülfskönig, 5. der Ši-waṅ, 6. der Fu-waṅ, 7. der Tsan-waṅ, 8. der Tšan-waṅ, 9. der Si-waṅ. Letzterer war der junge Sohn des Westkönigs. S. Lindesay Brine, The Taeping rebellion.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/432>, abgerufen am 25.11.2024.