Grössere Contraste sind kaum denkbar als die Küsten von Ja- pan und Mittel-China. Dort zackige Bergrücken mit tiefge- schnittenen Buchten, grüne Halden, freundliche Dörfer und Tem- pel, beschattet von mächtigen Wipfeln, waldumgürtete Felskuppen, ein glitzernder Strand, auf dem sich unter heiterem Frühlingshimmel krystallklare blaue Wogen brechen; -- hier in Nebeldunst gestreckt, in eintöniger Weite das platte angeschwemmte Land, das der Yan-tse unaufhaltsam in das seichte Meer hinausbaut; lehmgraue Städte, wiedergespiegelt in trüben, lehmgelben Fluthen, die sich wühlend am formlosen Lehmufer hinwälzen. Dazu Winterkälte und ein bleierner Wolkenhimmel, der nicht abliess, seine Güsse erbar- mungslos auszuschütten, als Anfang März 1861 Arkona und Thetis im Wu-son-Fluss ankerten.
Ihres Tiefganges wegen mussten beide Schiffe bis zur näch- sten Springfluth vor Wu-son bleiben. Der Gesandte fuhr am Morgen des 7. März auf dem Dampfer Meteore, welchen das kai- serlich französische Flotten-Commando ihm bereitwillig zur Ver- fügung stellte, mit seinen Begleitern nach Shang-hae hinauf. Er selbst, der Legationssecretär Pieschel und der Attache Graf zu Eulen- burg nahmen dort bei dem oldenburgischen Consul Herrn Probst, die übrigen Herren bei anderen Ansiedlern Wohnung, welche sie gastfrei zu sich einluden. Nur ein kurzer Aufenthalt war beabsich- tigt, da der Gesandte nach vorläufig eingezogenen Erkundigungen den Zeitpunct für ungünstig hielt zu Verhandlungen mit der chine- sischen Regierung, und von Shang-hae zunächst nach Bankok gehen wollte. Bei näherer Betrachtung der Verhältnisse änderte er schnell seinen Entschluss, sandte den Attache von Brandt auf dem am 9. März abgehenden Dampfer Feelon nach Tien-tsin, um
XIII. SHANG-HAE. VOM 7. MÄRZ BIS 22. APRIL 1861.
Grössere Contraste sind kaum denkbar als die Küsten von Ja- pan und Mittel-China. Dort zackige Bergrücken mit tiefge- schnittenen Buchten, grüne Halden, freundliche Dörfer und Tem- pel, beschattet von mächtigen Wipfeln, waldumgürtete Felskuppen, ein glitzernder Strand, auf dem sich unter heiterem Frühlingshimmel krystallklare blaue Wogen brechen; — hier in Nebeldunst gestreckt, in eintöniger Weite das platte angeschwemmte Land, das der Yaṅ-tse unaufhaltsam in das seichte Meer hinausbaut; lehmgraue Städte, wiedergespiegelt in trüben, lehmgelben Fluthen, die sich wühlend am formlosen Lehmufer hinwälzen. Dazu Winterkälte und ein bleierner Wolkenhimmel, der nicht abliess, seine Güsse erbar- mungslos auszuschütten, als Anfang März 1861 Arkona und Thetis im Wu-soṅ-Fluss ankerten.
Ihres Tiefganges wegen mussten beide Schiffe bis zur näch- sten Springfluth vor Wu-soṅ bleiben. Der Gesandte fuhr am Morgen des 7. März auf dem Dampfer Météore, welchen das kai- serlich französische Flotten-Commando ihm bereitwillig zur Ver- fügung stellte, mit seinen Begleitern nach Shang-hae hinauf. Er selbst, der Legationssecretär Pieschel und der Attaché Graf zu Eulen- burg nahmen dort bei dem oldenburgischen Consul Herrn Probst, die übrigen Herren bei anderen Ansiedlern Wohnung, welche sie gastfrei zu sich einluden. Nur ein kurzer Aufenthalt war beabsich- tigt, da der Gesandte nach vorläufig eingezogenen Erkundigungen den Zeitpunct für ungünstig hielt zu Verhandlungen mit der chine- sischen Regierung, und von Shang-hae zunächst nach Baṅkok gehen wollte. Bei näherer Betrachtung der Verhältnisse änderte er schnell seinen Entschluss, sandte den Attaché von Brandt auf dem am 9. März abgehenden Dampfer Feelon nach Tien-tsin, um
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0397"n="[375]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">XIII.<lb/><placeName>SHANG-HAE</placeName>.</hi><lb/>
VOM 7. MÄRZ BIS 22. APRIL 1861.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">G</hi>rössere Contraste sind kaum denkbar als die Küsten von <placeName>Ja-<lb/>
pan</placeName> und <placeName>Mittel-China</placeName>. Dort zackige Bergrücken mit tiefge-<lb/>
schnittenen Buchten, grüne Halden, freundliche Dörfer und Tem-<lb/>
pel, beschattet von mächtigen Wipfeln, waldumgürtete Felskuppen,<lb/>
ein glitzernder Strand, auf dem sich unter heiterem Frühlingshimmel<lb/>
krystallklare blaue Wogen brechen; — hier in Nebeldunst gestreckt,<lb/>
in eintöniger Weite das platte angeschwemmte Land, das der<lb/><hirendition="#k"><placeName>Yaṅ-tse</placeName></hi> unaufhaltsam in das seichte Meer hinausbaut; lehmgraue<lb/>
Städte, wiedergespiegelt in trüben, lehmgelben Fluthen, die sich<lb/>
wühlend am formlosen Lehmufer hinwälzen. Dazu Winterkälte und<lb/>
ein bleierner Wolkenhimmel, der nicht abliess, seine Güsse erbar-<lb/>
mungslos auszuschütten, als Anfang März 1861 Arkona und Thetis<lb/>
im <placeName><hirendition="#k">Wu-soṅ</hi>-Fluss</placeName> ankerten.</p><lb/><p>Ihres Tiefganges wegen mussten beide Schiffe bis zur näch-<lb/>
sten Springfluth vor <hirendition="#k"><placeName>Wu-soṅ</placeName></hi> bleiben. Der Gesandte fuhr am<lb/>
Morgen des 7. März auf dem Dampfer Météore, welchen das kai-<lb/>
serlich französische Flotten-Commando ihm bereitwillig zur Ver-<lb/>
fügung stellte, mit seinen Begleitern nach <hirendition="#k"><placeName>Shang-hae</placeName></hi> hinauf. Er<lb/>
selbst, der Legationssecretär <persNameref="http://d-nb.info/gnd/183988744">Pieschel</persName> und der Attaché Graf <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119178931">zu Eulen-<lb/>
burg</persName> nahmen dort bei dem oldenburgischen Consul Herrn <persNameref="nognd">Probst</persName>,<lb/>
die übrigen Herren bei anderen Ansiedlern Wohnung, welche sie<lb/>
gastfrei zu sich einluden. Nur ein kurzer Aufenthalt war beabsich-<lb/>
tigt, da der Gesandte nach vorläufig eingezogenen Erkundigungen<lb/>
den Zeitpunct für ungünstig hielt zu Verhandlungen mit der chine-<lb/>
sischen Regierung, und von <hirendition="#k"><placeName>Shang-hae</placeName></hi> zunächst nach <hirendition="#k"><placeName>Baṅkok</placeName></hi><lb/>
gehen wollte. Bei näherer Betrachtung der Verhältnisse änderte<lb/>
er schnell seinen Entschluss, sandte den Attaché <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118934759">von Brandt</persName> auf<lb/>
dem am 9. März abgehenden Dampfer Feelon nach <hirendition="#k"><placeName>Tien-tsin</placeName></hi>, um<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[375]/0397]
XIII.
SHANG-HAE.
VOM 7. MÄRZ BIS 22. APRIL 1861.
Grössere Contraste sind kaum denkbar als die Küsten von Ja-
pan und Mittel-China. Dort zackige Bergrücken mit tiefge-
schnittenen Buchten, grüne Halden, freundliche Dörfer und Tem-
pel, beschattet von mächtigen Wipfeln, waldumgürtete Felskuppen,
ein glitzernder Strand, auf dem sich unter heiterem Frühlingshimmel
krystallklare blaue Wogen brechen; — hier in Nebeldunst gestreckt,
in eintöniger Weite das platte angeschwemmte Land, das der
Yaṅ-tse unaufhaltsam in das seichte Meer hinausbaut; lehmgraue
Städte, wiedergespiegelt in trüben, lehmgelben Fluthen, die sich
wühlend am formlosen Lehmufer hinwälzen. Dazu Winterkälte und
ein bleierner Wolkenhimmel, der nicht abliess, seine Güsse erbar-
mungslos auszuschütten, als Anfang März 1861 Arkona und Thetis
im Wu-soṅ-Fluss ankerten.
Ihres Tiefganges wegen mussten beide Schiffe bis zur näch-
sten Springfluth vor Wu-soṅ bleiben. Der Gesandte fuhr am
Morgen des 7. März auf dem Dampfer Météore, welchen das kai-
serlich französische Flotten-Commando ihm bereitwillig zur Ver-
fügung stellte, mit seinen Begleitern nach Shang-hae hinauf. Er
selbst, der Legationssecretär Pieschel und der Attaché Graf zu Eulen-
burg nahmen dort bei dem oldenburgischen Consul Herrn Probst,
die übrigen Herren bei anderen Ansiedlern Wohnung, welche sie
gastfrei zu sich einluden. Nur ein kurzer Aufenthalt war beabsich-
tigt, da der Gesandte nach vorläufig eingezogenen Erkundigungen
den Zeitpunct für ungünstig hielt zu Verhandlungen mit der chine-
sischen Regierung, und von Shang-hae zunächst nach Baṅkok
gehen wollte. Bei näherer Betrachtung der Verhältnisse änderte
er schnell seinen Entschluss, sandte den Attaché von Brandt auf
dem am 9. März abgehenden Dampfer Feelon nach Tien-tsin, um
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. [375]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/397>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.