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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Aufbruch der Alliirten von Tien-tsin.
die Bewegung des Botschafts-Personals um einen Tag. Schon im
Lager von Yan-tsun, wenige Stunden von Tien-tsin, erhielt Lord
Elgin ein Schreiben von zwei der höchsten Würdenträger des
Reiches, Tsae-yuen, Prinzen von Ei, und Mu-yin, Präsidenten des
Kriegsministeriums. Sie kündigten sich als kaiserliche Commissare
an, tadelten Kwei-lian in wegwerfender Sprache, und ersuchten
den Botschafter mit seinen Truppen nach Tien-tsin zurückzukehren,
wo sie alsbald zu Verhandlungen eintreffen würden. Der Vormarsch
könne zu Verwickelungen führen, die Reise nach Tun-tsau sei nur
Zeitverlust u. s. w. Da schon alle Anträge der englischen Regie-
rung angenommen seien, so würde sich gewiss in einer Conferenz
Alles schlichten lassen. -- Lord Elgin antwortete natürlich ab-
lehnend und bezog sich auf seine an kaiserlichen Bevollmächtigten
wiederholt gemachten Erfahrungen.

Als der Botschafter am 12. September in aller Frühe auf-
brach, kamen zwei staubbedeckte Mandarinen des weissen Knopfes
angeritten und übergaben ein neues Schreiben: Tsae-yuen und
Mu-yin sind erstaunt über Lord Elgin's Vorrücken; ob diese Be-
wegung wohl zum Wunsche seiner Regierung stimme, freundschaft-
liche Beziehungen anzuknüpfen; ihnen schiene sie unpassend
und unüberlegt; Lord Elgin möge alle seine Truppen in die Quar-
tiere nach Tien-tsin schicken. Handele es sich nur um Aus-
führung des Vertrages ohne ausserordentliche Zusätze, so müssten
sie erklären, dass sie nicht seien, wie der Minister Kwei-lian:
"dass sie ihr Wort nicht essen würden" u. s. w. Die chinesischen
Truppen ständen bei Ho-si-wu; erfolgte ein Zusammenstoss, so
würden die Verhandlungen gefährdet; sie dürften sich in die mili-
tärischen Anordnungen nicht mischen und hofften, der Botschafter
werde ihren Rath beherzigen.

Von diesem fast drohenden Schreiben nahm Lord Elgin
keine Notiz, sondern setzte mit den Truppen den Vormarsch fort,
erhielt aber gegen 7 Uhr am Abend desselben Tages von den neuen
Commissaren noch eine lange Depesche in milderem Ton. Sie mel-
den den Empfang von Lord Elgins Antwort auf ihre erste Mitthei-
lung, bitten denselben, seine Truppen bei Yan-tsun Halt machen zu
lassen, und einen Platz zwischen diesem Orte und Ma-tau, -- wo sie
selbst sich aufhielten, -- nach seiner Wahl zur Zusammenkunft zu be-
stimmen. Dort könne der "Vertrag" mit den ursprünglich fest-
gesetzten Bestimmungen unterzeichnet werden: "so entsteht gewiss

Aufbruch der Alliirten von Tien-tsin.
die Bewegung des Botschafts-Personals um einen Tag. Schon im
Lager von Yaṅ-tsun, wenige Stunden von Tien-tsin, erhielt Lord
Elgin ein Schreiben von zwei der höchsten Würdenträger des
Reiches, Tsae-yuen, Prinzen von Ei, und Mu-yin, Präsidenten des
Kriegsministeriums. Sie kündigten sich als kaiserliche Commissare
an, tadelten Kwei-liaṅ in wegwerfender Sprache, und ersuchten
den Botschafter mit seinen Truppen nach Tien-tsin zurückzukehren,
wo sie alsbald zu Verhandlungen eintreffen würden. Der Vormarsch
könne zu Verwickelungen führen, die Reise nach Tuṅ-tšau sei nur
Zeitverlust u. s. w. Da schon alle Anträge der englischen Regie-
rung angenommen seien, so würde sich gewiss in einer Conferenz
Alles schlichten lassen. — Lord Elgin antwortete natürlich ab-
lehnend und bezog sich auf seine an kaiserlichen Bevollmächtigten
wiederholt gemachten Erfahrungen.

Als der Botschafter am 12. September in aller Frühe auf-
brach, kamen zwei staubbedeckte Mandarinen des weissen Knopfes
angeritten und übergaben ein neues Schreiben: Tsae-yuen und
Mu-yin sind erstaunt über Lord Elgin’s Vorrücken; ob diese Be-
wegung wohl zum Wunsche seiner Regierung stimme, freundschaft-
liche Beziehungen anzuknüpfen; ihnen schiene sie unpassend
und unüberlegt; Lord Elgin möge alle seine Truppen in die Quar-
tiere nach Tien-tsin schicken. Handele es sich nur um Aus-
führung des Vertrages ohne ausserordentliche Zusätze, so müssten
sie erklären, dass sie nicht seien, wie der Minister Kwei-liaṅ:
»dass sie ihr Wort nicht essen würden« u. s. w. Die chinesischen
Truppen ständen bei Ho-si-wu; erfolgte ein Zusammenstoss, so
würden die Verhandlungen gefährdet; sie dürften sich in die mili-
tärischen Anordnungen nicht mischen und hofften, der Botschafter
werde ihren Rath beherzigen.

Von diesem fast drohenden Schreiben nahm Lord Elgin
keine Notiz, sondern setzte mit den Truppen den Vormarsch fort,
erhielt aber gegen 7 Uhr am Abend desselben Tages von den neuen
Commissaren noch eine lange Depesche in milderem Ton. Sie mel-
den den Empfang von Lord Elgins Antwort auf ihre erste Mitthei-
lung, bitten denselben, seine Truppen bei Yaṅ-tsun Halt machen zu
lassen, und einen Platz zwischen diesem Orte und Ma-tau, — wo sie
selbst sich aufhielten, — nach seiner Wahl zur Zusammenkunft zu be-
stimmen. Dort könne der »Vertrag« mit den ursprünglich fest-
gesetzten Bestimmungen unterzeichnet werden: »so entsteht gewiss

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[329/0351] Aufbruch der Alliirten von Tien-tsin. die Bewegung des Botschafts-Personals um einen Tag. Schon im Lager von Yaṅ-tsun, wenige Stunden von Tien-tsin, erhielt Lord Elgin ein Schreiben von zwei der höchsten Würdenträger des Reiches, Tsae-yuen, Prinzen von Ei, und Mu-yin, Präsidenten des Kriegsministeriums. Sie kündigten sich als kaiserliche Commissare an, tadelten Kwei-liaṅ in wegwerfender Sprache, und ersuchten den Botschafter mit seinen Truppen nach Tien-tsin zurückzukehren, wo sie alsbald zu Verhandlungen eintreffen würden. Der Vormarsch könne zu Verwickelungen führen, die Reise nach Tuṅ-tšau sei nur Zeitverlust u. s. w. Da schon alle Anträge der englischen Regie- rung angenommen seien, so würde sich gewiss in einer Conferenz Alles schlichten lassen. — Lord Elgin antwortete natürlich ab- lehnend und bezog sich auf seine an kaiserlichen Bevollmächtigten wiederholt gemachten Erfahrungen. Als der Botschafter am 12. September in aller Frühe auf- brach, kamen zwei staubbedeckte Mandarinen des weissen Knopfes angeritten und übergaben ein neues Schreiben: Tsae-yuen und Mu-yin sind erstaunt über Lord Elgin’s Vorrücken; ob diese Be- wegung wohl zum Wunsche seiner Regierung stimme, freundschaft- liche Beziehungen anzuknüpfen; ihnen schiene sie unpassend und unüberlegt; Lord Elgin möge alle seine Truppen in die Quar- tiere nach Tien-tsin schicken. Handele es sich nur um Aus- führung des Vertrages ohne ausserordentliche Zusätze, so müssten sie erklären, dass sie nicht seien, wie der Minister Kwei-liaṅ: »dass sie ihr Wort nicht essen würden« u. s. w. Die chinesischen Truppen ständen bei Ho-si-wu; erfolgte ein Zusammenstoss, so würden die Verhandlungen gefährdet; sie dürften sich in die mili- tärischen Anordnungen nicht mischen und hofften, der Botschafter werde ihren Rath beherzigen. Von diesem fast drohenden Schreiben nahm Lord Elgin keine Notiz, sondern setzte mit den Truppen den Vormarsch fort, erhielt aber gegen 7 Uhr am Abend desselben Tages von den neuen Commissaren noch eine lange Depesche in milderem Ton. Sie mel- den den Empfang von Lord Elgins Antwort auf ihre erste Mitthei- lung, bitten denselben, seine Truppen bei Yaṅ-tsun Halt machen zu lassen, und einen Platz zwischen diesem Orte und Ma-tau, — wo sie selbst sich aufhielten, — nach seiner Wahl zur Zusammenkunft zu be- stimmen. Dort könne der »Vertrag« mit den ursprünglich fest- gesetzten Bestimmungen unterzeichnet werden: »so entsteht gewiss

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/351>, abgerufen am 10.05.2024.