dass spätere Jesuiten sie als übernatürliche Gnadenwunder berich- ten. Ein anderer Deutscher, Ferdinand Verbiest, wurde Schall's Amtsgehülfe und Nachfolger.
Wie in Japan, so hatte auch in China die Bekehrung guten Fortgang, so lange die klugen Jesuiten allein arbeiteten. Bald folgten aber andere Mönchsorden, deren Wüthen gegen die aber- gläubischen Gebräuche der Chinesen Aergerniss erregte. Freilich gab die Lehre des Ricci ihrer Eifersucht eine bequeme Handhabe, denn sie vertrug sich keineswegs mit strenger Rechtgläubigkeit. Die Todtenopfer und andere Gebräuche, welche er als bürgerliche duldete, wurden von den Dominicanern als götzendienerisch ver- dammt und allen chinesischen Christen unter Androhung der Höllen-1644. strafen verboten. Papst Innocenz X. bestätigte dieses Urtheil, das1655. Alexander VII. auf Vorstellung der Jesuiten wieder aufhob. Die Einmischung der Päpste und die erbitterten Angriffe der Domini- caner, welche sich auch auf andere von den Jesuiten mit grosser Einsicht der chinesischen Auffassung angepasste Formen der Lehre bezogen, machten bald die Mandschu-Regierung argwöhnisch gegen alle Missionare; während der Minderjährigkeit des Kaisers Kan-gi1662. wurde ihr Bekehrungseifer als staatsgefährlich verdammt. Schall soll vor Gram gestorben sein; Verbiest musste sich verstecken. Letzteren erhob Kan-gi, als er grossjährig die Regierung antrat, zum Director der Sternwarte; die vertriebenen Geistlichen durften zu ihren Kirchen zurückkehren. Der Kaiser erklärte sogar 1692 in1692. einem Edicte den Christenglauben für erlaubt und nahm im Lehr- streit Partei für die Jesuiten; ein Decret vom Jahre 1700 bestätigt,1700. dass der Ausdruck Tien, wörtlich Himmel, allein den wahren Gott bezeichne, und dass die von Ricci erlaubten Ceremonieen bürger- licher, nicht kirchlicher Art seien. Dem trat aber, trotz Alexan- der VII. Entscheidung, ein Bischof Maigrot entgegen, welcher den Ausdruck Tien für "Gott" verbot und jene Gebräuche als Götzen- dienst verdammte. Papst Clemens XI., welchem das Decret des chinesischen Kaisers vorlag, entschied wieder zu Gunsten der Do- minicaner, und der zu Schlichtung des Streites entsandte aposto- lische Vicar Tournon verbot nach Empfang des päpstlichen Edictes 1705 den chinesischen Christen die Ausübung aller durch dasselbe1705. verdammten Ceremonieen. -- Nun erliess Kan-gi einen Befehl, nach welchem die der Lehre des Ricci folgenden Missionare im Lande geduldet, alle anderen aber mit Verfolgung bedroht wurden. --
Jesuiten und Dominicaner.
dass spätere Jesuiten sie als übernatürliche Gnadenwunder berich- ten. Ein anderer Deutscher, Ferdinand Verbiest, wurde Schall’s Amtsgehülfe und Nachfolger.
Wie in Japan, so hatte auch in China die Bekehrung guten Fortgang, so lange die klugen Jesuiten allein arbeiteten. Bald folgten aber andere Mönchsorden, deren Wüthen gegen die aber- gläubischen Gebräuche der Chinesen Aergerniss erregte. Freilich gab die Lehre des Ricci ihrer Eifersucht eine bequeme Handhabe, denn sie vertrug sich keineswegs mit strenger Rechtgläubigkeit. Die Todtenopfer und andere Gebräuche, welche er als bürgerliche duldete, wurden von den Dominicanern als götzendienerisch ver- dammt und allen chinesischen Christen unter Androhung der Höllen-1644. strafen verboten. Papst Innocenz X. bestätigte dieses Urtheil, das1655. Alexander VII. auf Vorstellung der Jesuiten wieder aufhob. Die Einmischung der Päpste und die erbitterten Angriffe der Domini- caner, welche sich auch auf andere von den Jesuiten mit grosser Einsicht der chinesischen Auffassung angepasste Formen der Lehre bezogen, machten bald die Mandschu-Regierung argwöhnisch gegen alle Missionare; während der Minderjährigkeit des Kaisers Kaṅ-gi1662. wurde ihr Bekehrungseifer als staatsgefährlich verdammt. Schall soll vor Gram gestorben sein; Verbiest musste sich verstecken. Letzteren erhob Kaṅ-gi, als er grossjährig die Regierung antrat, zum Director der Sternwarte; die vertriebenen Geistlichen durften zu ihren Kirchen zurückkehren. Der Kaiser erklärte sogar 1692 in1692. einem Edicte den Christenglauben für erlaubt und nahm im Lehr- streit Partei für die Jesuiten; ein Decret vom Jahre 1700 bestätigt,1700. dass der Ausdruck Tien, wörtlich Himmel, allein den wahren Gott bezeichne, und dass die von Ricci erlaubten Ceremonieen bürger- licher, nicht kirchlicher Art seien. Dem trat aber, trotz Alexan- der VII. Entscheidung, ein Bischof Maigrot entgegen, welcher den Ausdruck Tien für »Gott« verbot und jene Gebräuche als Götzen- dienst verdammte. Papst Clemens XI., welchem das Decret des chinesischen Kaisers vorlag, entschied wieder zu Gunsten der Do- minicaner, und der zu Schlichtung des Streites entsandte aposto- lische Vicar Tournon verbot nach Empfang des päpstlichen Edictes 1705 den chinesischen Christen die Ausübung aller durch dasselbe1705. verdammten Ceremonieen. — Nun erliess Kaṅ-gi einen Befehl, nach welchem die der Lehre des Ricci folgenden Missionare im Lande geduldet, alle anderen aber mit Verfolgung bedroht wurden. —
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Jesuiten und Dominicaner.
dass spätere Jesuiten sie als übernatürliche Gnadenwunder berich-
ten. Ein anderer Deutscher, Ferdinand Verbiest, wurde Schall’s
Amtsgehülfe und Nachfolger.
Wie in Japan, so hatte auch in China die Bekehrung guten
Fortgang, so lange die klugen Jesuiten allein arbeiteten. Bald
folgten aber andere Mönchsorden, deren Wüthen gegen die aber-
gläubischen Gebräuche der Chinesen Aergerniss erregte. Freilich
gab die Lehre des Ricci ihrer Eifersucht eine bequeme Handhabe,
denn sie vertrug sich keineswegs mit strenger Rechtgläubigkeit.
Die Todtenopfer und andere Gebräuche, welche er als bürgerliche
duldete, wurden von den Dominicanern als götzendienerisch ver-
dammt und allen chinesischen Christen unter Androhung der Höllen-
strafen verboten. Papst Innocenz X. bestätigte dieses Urtheil, das
Alexander VII. auf Vorstellung der Jesuiten wieder aufhob. Die
Einmischung der Päpste und die erbitterten Angriffe der Domini-
caner, welche sich auch auf andere von den Jesuiten mit grosser
Einsicht der chinesischen Auffassung angepasste Formen der Lehre
bezogen, machten bald die Mandschu-Regierung argwöhnisch gegen
alle Missionare; während der Minderjährigkeit des Kaisers Kaṅ-gi
wurde ihr Bekehrungseifer als staatsgefährlich verdammt. Schall
soll vor Gram gestorben sein; Verbiest musste sich verstecken.
Letzteren erhob Kaṅ-gi, als er grossjährig die Regierung antrat, zum
Director der Sternwarte; die vertriebenen Geistlichen durften zu
ihren Kirchen zurückkehren. Der Kaiser erklärte sogar 1692 in
einem Edicte den Christenglauben für erlaubt und nahm im Lehr-
streit Partei für die Jesuiten; ein Decret vom Jahre 1700 bestätigt,
dass der Ausdruck Tien, wörtlich Himmel, allein den wahren Gott
bezeichne, und dass die von Ricci erlaubten Ceremonieen bürger-
licher, nicht kirchlicher Art seien. Dem trat aber, trotz Alexan-
der VII. Entscheidung, ein Bischof Maigrot entgegen, welcher den
Ausdruck Tien für »Gott« verbot und jene Gebräuche als Götzen-
dienst verdammte. Papst Clemens XI., welchem das Decret des
chinesischen Kaisers vorlag, entschied wieder zu Gunsten der Do-
minicaner, und der zu Schlichtung des Streites entsandte aposto-
lische Vicar Tournon verbot nach Empfang des päpstlichen Edictes
1705 den chinesischen Christen die Ausübung aller durch dasselbe
verdammten Ceremonieen. — Nun erliess Kaṅ-gi einen Befehl, nach
welchem die der Lehre des Ricci folgenden Missionare im Lande
geduldet, alle anderen aber mit Verfolgung bedroht wurden. —
1644.
1655.
1662.
1692.
1700.
1705.
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/35>, abgerufen am 24.11.2024.
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