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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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drohend in hochfahrendem Tone, auf hundert Schliche bedacht.
Ihr Trug hatte sich völlig blosgestellt, und da wir nicht in ihre
Schlinge gehen wollten, riss ihnen die Geduld zu warten. Daher nun
dieser neue Kunstgriff, diese Ueberreichung einer Eingabe an den
Staatssecretär, durch welche sie friedfertige Eröffnungen vermeiden.
Nebenbei: diese Barbaren haben seit zwanzig Jahren ihren Dünkel ge-
nährt, und man durfte gewiss nicht erwarten, dass sie in einem Tage
die Köpfe hängen, die Ohren anlegen, mit den Schwänzen wedeln
und um Gnade flehen würden. Deshalb musste ihre Mittheilung in
frecher und rebellischer Sprache gehalten sein. Aber Wu und seine
Collegen hätten ihnen sagen sollen, dass der General-Gouverneur der
beiden Kian ein Beamter vom höchsten Ansehn im chinesischen Reiche
und zugleich kaiserlicher Commissar zu Leitung der Barbaren-Ange-
legenheiten ist; dass ihre Schreiben nicht nach der Hauptstadt gesandt
werden, sondern dem kaiserlichen Commissar zur Verfügung vorgelegt
werden würden; und der Commissar hätte ihnen zunächst einen Ver-
weis ertheilen sollen für den im vorigen Jahre begangenen Fehler,
dass sie den geziemend an sie erlassenen Befehlen nicht gehorcht
hätten; dann musste er ihre Versöhnung durch sanfte Ermahnungen
bewirken und ihnen versprechen, wenn sie aufrichtige Reue zeigten,
deine Majestät zu vermögen, ihnen aus Gnade die Zahlung einer
Kriegsentschädigung zu erlassen und ihnen die Fortsetzung des Handels
zu gestatten. Hätten sie dann noch auf ihrem Verlangen nach Rache
für die Züchtigung von Ta-ku beharrt, dann (hätte er ihnen sagen
mögen) sollten sie nur wieder nach Ta-ku gehen und es ausfechten,
so könnten sie die Würde ihres Volkes wahren und im Falle des Sie-
ges thun was ihnen beliebte; sollte es ihnen aber wieder nicht glücken,
dann wäre es zu spät zur Reue. -- Hätte man ihnen solche Antwort
gegeben, so kam es zu keinem Zusammenstoss. Die Barbaren hätten
sich natürlich in heftiger Sprache gewehrt, nach und nach aber unserer
Botmässigkeit gefügt, und wenn sie noch auf Zugeständnissen für den
Handel zu bestehen dachten, so konnte man ihnen leicht einige machen,
welche die Schicklichkeit nicht verletzten und ihnen Vortheil brachten.
Indem sie dann einen gewissen Betrag ihrer Forderungen erlangten,
hätten sie keinen Schaden gelitten an ihrem Rufe; durch diesen einen
Schritt hätte den Feindseligkeiten vorgebeugt und die Versöhnung der
Barbaren herbeigeführt werden können.

In diesem Ton geht es weiter. Die Lage ist jetzt sehr ver-
wickelt; Ho-kwei-tsin hat Schwäche bewiesen; nun werden die
Barbaren uns Bedingungen stellen, auf die wir nicht vorbereitet sind.
Der Kaiser sollte Ho anweisen, sich durch die Umstände leiten zu

Erbeutete Documente.
drohend in hochfahrendem Tone, auf hundert Schliche bedacht.
Ihr Trug hatte sich völlig blosgestellt, und da wir nicht in ihre
Schlinge gehen wollten, riss ihnen die Geduld zu warten. Daher nun
dieser neue Kunstgriff, diese Ueberreichung einer Eingabe an den
Staatssecretär, durch welche sie friedfertige Eröffnungen vermeiden.
Nebenbei: diese Barbaren haben seit zwanzig Jahren ihren Dünkel ge-
nährt, und man durfte gewiss nicht erwarten, dass sie in einem Tage
die Köpfe hängen, die Ohren anlegen, mit den Schwänzen wedeln
und um Gnade flehen würden. Deshalb musste ihre Mittheilung in
frecher und rebellischer Sprache gehalten sein. Aber Wu und seine
Collegen hätten ihnen sagen sollen, dass der General-Gouverneur der
beiden Kiaṅ ein Beamter vom höchsten Ansehn im chinesischen Reiche
und zugleich kaiserlicher Commissar zu Leitung der Barbaren-Ange-
legenheiten ist; dass ihre Schreiben nicht nach der Hauptstadt gesandt
werden, sondern dem kaiserlichen Commissar zur Verfügung vorgelegt
werden würden; und der Commissar hätte ihnen zunächst einen Ver-
weis ertheilen sollen für den im vorigen Jahre begangenen Fehler,
dass sie den geziemend an sie erlassenen Befehlen nicht gehorcht
hätten; dann musste er ihre Versöhnung durch sanfte Ermahnungen
bewirken und ihnen versprechen, wenn sie aufrichtige Reue zeigten,
deine Majestät zu vermögen, ihnen aus Gnade die Zahlung einer
Kriegsentschädigung zu erlassen und ihnen die Fortsetzung des Handels
zu gestatten. Hätten sie dann noch auf ihrem Verlangen nach Rache
für die Züchtigung von Ta-ku beharrt, dann (hätte er ihnen sagen
mögen) sollten sie nur wieder nach Ta-ku gehen und es ausfechten,
so könnten sie die Würde ihres Volkes wahren und im Falle des Sie-
ges thun was ihnen beliebte; sollte es ihnen aber wieder nicht glücken,
dann wäre es zu spät zur Reue. — Hätte man ihnen solche Antwort
gegeben, so kam es zu keinem Zusammenstoss. Die Barbaren hätten
sich natürlich in heftiger Sprache gewehrt, nach und nach aber unserer
Botmässigkeit gefügt, und wenn sie noch auf Zugeständnissen für den
Handel zu bestehen dachten, so konnte man ihnen leicht einige machen,
welche die Schicklichkeit nicht verletzten und ihnen Vortheil brachten.
Indem sie dann einen gewissen Betrag ihrer Forderungen erlangten,
hätten sie keinen Schaden gelitten an ihrem Rufe; durch diesen einen
Schritt hätte den Feindseligkeiten vorgebeugt und die Versöhnung der
Barbaren herbeigeführt werden können.

In diesem Ton geht es weiter. Die Lage ist jetzt sehr ver-
wickelt; Ho-kwei-tsiṅ hat Schwäche bewiesen; nun werden die
Barbaren uns Bedingungen stellen, auf die wir nicht vorbereitet sind.
Der Kaiser sollte Ho anweisen, sich durch die Umstände leiten zu

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[316/0338] Erbeutete Documente. drohend in hochfahrendem Tone, auf hundert Schliche bedacht. Ihr Trug hatte sich völlig blosgestellt, und da wir nicht in ihre Schlinge gehen wollten, riss ihnen die Geduld zu warten. Daher nun dieser neue Kunstgriff, diese Ueberreichung einer Eingabe an den Staatssecretär, durch welche sie friedfertige Eröffnungen vermeiden. Nebenbei: diese Barbaren haben seit zwanzig Jahren ihren Dünkel ge- nährt, und man durfte gewiss nicht erwarten, dass sie in einem Tage die Köpfe hängen, die Ohren anlegen, mit den Schwänzen wedeln und um Gnade flehen würden. Deshalb musste ihre Mittheilung in frecher und rebellischer Sprache gehalten sein. Aber Wu und seine Collegen hätten ihnen sagen sollen, dass der General-Gouverneur der beiden Kiaṅ ein Beamter vom höchsten Ansehn im chinesischen Reiche und zugleich kaiserlicher Commissar zu Leitung der Barbaren-Ange- legenheiten ist; dass ihre Schreiben nicht nach der Hauptstadt gesandt werden, sondern dem kaiserlichen Commissar zur Verfügung vorgelegt werden würden; und der Commissar hätte ihnen zunächst einen Ver- weis ertheilen sollen für den im vorigen Jahre begangenen Fehler, dass sie den geziemend an sie erlassenen Befehlen nicht gehorcht hätten; dann musste er ihre Versöhnung durch sanfte Ermahnungen bewirken und ihnen versprechen, wenn sie aufrichtige Reue zeigten, deine Majestät zu vermögen, ihnen aus Gnade die Zahlung einer Kriegsentschädigung zu erlassen und ihnen die Fortsetzung des Handels zu gestatten. Hätten sie dann noch auf ihrem Verlangen nach Rache für die Züchtigung von Ta-ku beharrt, dann (hätte er ihnen sagen mögen) sollten sie nur wieder nach Ta-ku gehen und es ausfechten, so könnten sie die Würde ihres Volkes wahren und im Falle des Sie- ges thun was ihnen beliebte; sollte es ihnen aber wieder nicht glücken, dann wäre es zu spät zur Reue. — Hätte man ihnen solche Antwort gegeben, so kam es zu keinem Zusammenstoss. Die Barbaren hätten sich natürlich in heftiger Sprache gewehrt, nach und nach aber unserer Botmässigkeit gefügt, und wenn sie noch auf Zugeständnissen für den Handel zu bestehen dachten, so konnte man ihnen leicht einige machen, welche die Schicklichkeit nicht verletzten und ihnen Vortheil brachten. Indem sie dann einen gewissen Betrag ihrer Forderungen erlangten, hätten sie keinen Schaden gelitten an ihrem Rufe; durch diesen einen Schritt hätte den Feindseligkeiten vorgebeugt und die Versöhnung der Barbaren herbeigeführt werden können. In diesem Ton geht es weiter. Die Lage ist jetzt sehr ver- wickelt; Ho-kwei-tsiṅ hat Schwäche bewiesen; nun werden die Barbaren uns Bedingungen stellen, auf die wir nicht vorbereitet sind. Der Kaiser sollte Ho anweisen, sich durch die Umstände leiten zu

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/338>, abgerufen am 02.05.2024.