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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die Andrade. Pirez. Alfons de Mela.
portugiesischen Fahrzeuge wurden von Kriegsdschunken umringt
und scharf bewacht; ihr Befehlshaber erlangte aber durch Be-
stechung und verständiges Betragen die Erlaubniss, mit zwei Schiffen
nach Kan-ton hinaufzugehen, während die übrigen bei der Insel
Hian-san zurückblieben. Andrade machte in Kan-ton gute Geschäfte
und betrug sich untadelhaft, erhielt aber plötzlich die Nachricht,
dass sein Geschwader vor der Flussmündung von Piraten bedrängt
sei und eilte zurück. -- Der Ausgang des Unternehmens war günstig:
mehrere Schiffe führten reiche Frachten nach Malacca, andere
gingen mit Dschunken der Liu-kiu-Inseln nach der Küste von
Mittel-China, wo Niederlassungen in Tsiuen-tsin, Nin-po und auf
Tsu-san gegründet wurden. Die portugiesischen Ansiedler trieben
dort eine Reihe von Jahren einträglichen Handel nach den benach-
barten Küsten und nach Japan, bis die Provinzial-Regierung sie
wegen schlechter Führung verbannte.

Bald nach der Reise des Perez de Andrade kam dessen Bruder
Simon mit einem Geschwader nach China und landete auf der Insel
Hian-san. Er trat gewaltsam gegen die Landesbewohner auf und
suchte sich auf der Insel festzusetzen, wurde aber mit Gewalt
vertrieben. Die Portugiesen verlegten sich nun auf Seeraub
und brachten durch wilde Grausamkeit ihr Geschlecht in den übel-
sten Ruf. Schlimme Folgen hatte die Ruchlosigkeit des Simon
Andrade
zunächst für den ersten portugiesischen Gesandten, Thomas
Pirez
, welcher 1520 von Kan-ton nach Pe-kin reiste, um vom Kaiser
die Erlaubniss zum Bau von Factoreien zu erwirken. Bei seiner
Ankunft war man dort schon von den Missethaten des Andrade
unterrichtet; Pirez wurde nach vielen Demüthigungen unter strenger
Bewachung wieder nach Kan-ton geschleppt, dort misshandelt, ein-
gekerkert und muthmaasslich hingerichtet. -- Die Provinzial-Regie-
rung scheint schon damals auf jeden directen Verkehr der Europäer
mit dem Kaiserhofe eifersüchtig gewesen zu sein.

Alfons de Mela, der bald nach Simon Andrade und ohne
von dessen Gewaltthaten zu wissen, mit acht Schiffen nach dem
Perl-Flusse kam, wurde von vornherein feindselig behandelt und
verlor viele Leute. Nachher scheinen die Beziehungen sich fried-
licher gestaltet zu haben. Die neuen Ankömmlinge mussten durch
Unterwürfigkeit gut machen, was die wilde Rohheit ihrer Vorgänger
verdarb; sie würgten jede Demüthigung hinunter, um die Vor-
theile des Handels zu geniessen. Ueber die Umstände, unter welchen

Die Andrade. Pirez. Alfons de Mela.
portugiesischen Fahrzeuge wurden von Kriegsdschunken umringt
und scharf bewacht; ihr Befehlshaber erlangte aber durch Be-
stechung und verständiges Betragen die Erlaubniss, mit zwei Schiffen
nach Kan-ton hinaufzugehen, während die übrigen bei der Insel
Hiaṅ-šan zurückblieben. Andrade machte in Kan-ton gute Geschäfte
und betrug sich untadelhaft, erhielt aber plötzlich die Nachricht,
dass sein Geschwader vor der Flussmündung von Piraten bedrängt
sei und eilte zurück. — Der Ausgang des Unternehmens war günstig:
mehrere Schiffe führten reiche Frachten nach Malacca, andere
gingen mit Dschunken der Liu-kiu-Inseln nach der Küste von
Mittel-China, wo Niederlassungen in Tsiuen-tsin, Niṅ-po und auf
Tšu-san gegründet wurden. Die portugiesischen Ansiedler trieben
dort eine Reihe von Jahren einträglichen Handel nach den benach-
barten Küsten und nach Japan, bis die Provinzial-Regierung sie
wegen schlechter Führung verbannte.

Bald nach der Reise des Perez de Andrade kam dessen Bruder
Simon mit einem Geschwader nach China und landete auf der Insel
Hiaṅ-šan. Er trat gewaltsam gegen die Landesbewohner auf und
suchte sich auf der Insel festzusetzen, wurde aber mit Gewalt
vertrieben. Die Portugiesen verlegten sich nun auf Seeraub
und brachten durch wilde Grausamkeit ihr Geschlecht in den übel-
sten Ruf. Schlimme Folgen hatte die Ruchlosigkeit des Simon
Andrade
zunächst für den ersten portugiesischen Gesandten, Thomas
Pirez
, welcher 1520 von Kan-ton nach Pe-kiṅ reiste, um vom Kaiser
die Erlaubniss zum Bau von Factoreien zu erwirken. Bei seiner
Ankunft war man dort schon von den Missethaten des Andrade
unterrichtet; Pirez wurde nach vielen Demüthigungen unter strenger
Bewachung wieder nach Kan-ton geschleppt, dort misshandelt, ein-
gekerkert und muthmaasslich hingerichtet. — Die Provinzial-Regie-
rung scheint schon damals auf jeden directen Verkehr der Europäer
mit dem Kaiserhofe eifersüchtig gewesen zu sein.

Alfons de Mela, der bald nach Simon Andrade und ohne
von dessen Gewaltthaten zu wissen, mit acht Schiffen nach dem
Perl-Flusse kam, wurde von vornherein feindselig behandelt und
verlor viele Leute. Nachher scheinen die Beziehungen sich fried-
licher gestaltet zu haben. Die neuen Ankömmlinge mussten durch
Unterwürfigkeit gut machen, was die wilde Rohheit ihrer Vorgänger
verdarb; sie würgten jede Demüthigung hinunter, um die Vor-
theile des Handels zu geniessen. Ueber die Umstände, unter welchen

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/30>, abgerufen am 23.04.2024.