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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Graf Putiatine und Mr. Reed.
begab. Jene Truppen trugen wesentlich zu Unterdrückung des
Aufstandes bei; Lord Elgin durfte für den chinesischen Feldzug
nicht mehr auf sie rechnen und erhielt als Ersatz einstweilen nur
ein Infanterie-Regiment und fünfzehnhundert Marine-Soldaten. Der
Wunsch, mit dem französischen Commissar Baron Gros zu con-
feriren, veranlasste ihn Anfang September wieder nach Hong-kong
zu gehen; die dort versammelte Streitmacht war aber zu schwach
und die Jahreszeit zu vorgerückt zum Feldzug gegen den Norden
von China. Die Commissare beschlossen deshalb in Hong-kong zu
bleiben, nach Ankunft der erforderlichen Truppen Kan-ton zu
nehmen und erst im Frühjahr nach dem Golf von Pe-tsi-li aufzu-
brechen.

Baron Gros traf Mitte October in Hong-kong ein; im No-
vember kamen auch der americanische und der russische Gesandte,
Herr Reed und Graf Putiatine. Letzterer hatte, durch Sibirien
reisend, in Kiakta umsonst versucht, Eintritt in das chinesische
Reich und die Erlaubniss zur Reise nach Pe-kin zu erhalten. Er
ging nach dem Amur und von da auf eigene Verantwortung nach der
Pei-ho-Mündung, wo die Mandarinen sich nach grossen Schwierig-
keiten zu Annahme eines nach Pe-kin bestimmten Schreibens an-
fangs nur unter der Bedingung verstehen wollten, dass der Gesandte
die Antwort in Kiakta abwarte. Nach einigen Wochen erhielt er
sie an der Pei-ho-Mündung: sein Besuch in Pe-kin sei unerwünscht;
das "Ko-to" könne den Gesandten durchaus nicht erlassen werden.
-- Die Bevollmächtigten mussten sich dadurch in ihrer Ansicht nur
bestärken, dass allein von imposanter Machtentfaltung gegen die
Hauptstadt eine angemessene Entwickelung des diplomatischen Ver-
kehrs mit der chinesischen Regierung zu erwarten sei.

Anfang December kam die letzte Abtheilung der erwarteten
Truppen nach Hong-kong. Lord Elgin und Baron Gros richteten
nun Noten identischen Inhalts an den Vice-König Yi, welche die
ersten Dolmetscher Herr Wade und Herr Marques unter Parlamentär-
Flagge am 13. December in Kan-ton überreichten. Die englische
Note lautete:

Der Unterzeichnete beehrt sich, dem kaiserlichen Bevollmächtig-
ten Yi u. s. w. zu melden, dass er der Träger von Creditiven ist,
welche ihn als Ausserordentlichen Botschafter Ihrer Majestät der Köni-
gin von Grossbritannien und Irland bei dem Kaiser von China beglau-
bigen; und ferner, dass er von Ihrer Majestät der Königin von Gross-

Graf Putiatine und Mr. Reed.
begab. Jene Truppen trugen wesentlich zu Unterdrückung des
Aufstandes bei; Lord Elgin durfte für den chinesischen Feldzug
nicht mehr auf sie rechnen und erhielt als Ersatz einstweilen nur
ein Infanterie-Regiment und fünfzehnhundert Marine-Soldaten. Der
Wunsch, mit dem französischen Commissar Baron Gros zu con-
feriren, veranlasste ihn Anfang September wieder nach Hong-kong
zu gehen; die dort versammelte Streitmacht war aber zu schwach
und die Jahreszeit zu vorgerückt zum Feldzug gegen den Norden
von China. Die Commissare beschlossen deshalb in Hong-kong zu
bleiben, nach Ankunft der erforderlichen Truppen Kan-ton zu
nehmen und erst im Frühjahr nach dem Golf von Pe-tši-li aufzu-
brechen.

Baron Gros traf Mitte October in Hong-kong ein; im No-
vember kamen auch der americanische und der russische Gesandte,
Herr Reed und Graf Putiatine. Letzterer hatte, durch Sibirien
reisend, in Kiakta umsonst versucht, Eintritt in das chinesische
Reich und die Erlaubniss zur Reise nach Pe-kiṅ zu erhalten. Er
ging nach dem Amur und von da auf eigene Verantwortung nach der
Pei-ho-Mündung, wo die Mandarinen sich nach grossen Schwierig-
keiten zu Annahme eines nach Pe-kiṅ bestimmten Schreibens an-
fangs nur unter der Bedingung verstehen wollten, dass der Gesandte
die Antwort in Kiakta abwarte. Nach einigen Wochen erhielt er
sie an der Pei-ho-Mündung: sein Besuch in Pe-kiṅ sei unerwünscht;
das »Ko-to« könne den Gesandten durchaus nicht erlassen werden.
— Die Bevollmächtigten mussten sich dadurch in ihrer Ansicht nur
bestärken, dass allein von imposanter Machtentfaltung gegen die
Hauptstadt eine angemessene Entwickelung des diplomatischen Ver-
kehrs mit der chinesischen Regierung zu erwarten sei.

Anfang December kam die letzte Abtheilung der erwarteten
Truppen nach Hong-kong. Lord Elgin und Baron Gros richteten
nun Noten identischen Inhalts an den Vice-König Yi, welche die
ersten Dolmetscher Herr Wade und Herr Marques unter Parlamentär-
Flagge am 13. December in Kan-ton überreichten. Die englische
Note lautete:

Der Unterzeichnete beehrt sich, dem kaiserlichen Bevollmächtig-
ten Yi u. s. w. zu melden, dass er der Träger von Creditiven ist,
welche ihn als Ausserordentlichen Botschafter Ihrer Majestät der Köni-
gin von Grossbritannien und Irland bei dem Kaiser von China beglau-
bigen; und ferner, dass er von Ihrer Majestät der Königin von Gross-

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[226/0248] Graf Putiatine und Mr. Reed. begab. Jene Truppen trugen wesentlich zu Unterdrückung des Aufstandes bei; Lord Elgin durfte für den chinesischen Feldzug nicht mehr auf sie rechnen und erhielt als Ersatz einstweilen nur ein Infanterie-Regiment und fünfzehnhundert Marine-Soldaten. Der Wunsch, mit dem französischen Commissar Baron Gros zu con- feriren, veranlasste ihn Anfang September wieder nach Hong-kong zu gehen; die dort versammelte Streitmacht war aber zu schwach und die Jahreszeit zu vorgerückt zum Feldzug gegen den Norden von China. Die Commissare beschlossen deshalb in Hong-kong zu bleiben, nach Ankunft der erforderlichen Truppen Kan-ton zu nehmen und erst im Frühjahr nach dem Golf von Pe-tši-li aufzu- brechen. Baron Gros traf Mitte October in Hong-kong ein; im No- vember kamen auch der americanische und der russische Gesandte, Herr Reed und Graf Putiatine. Letzterer hatte, durch Sibirien reisend, in Kiakta umsonst versucht, Eintritt in das chinesische Reich und die Erlaubniss zur Reise nach Pe-kiṅ zu erhalten. Er ging nach dem Amur und von da auf eigene Verantwortung nach der Pei-ho-Mündung, wo die Mandarinen sich nach grossen Schwierig- keiten zu Annahme eines nach Pe-kiṅ bestimmten Schreibens an- fangs nur unter der Bedingung verstehen wollten, dass der Gesandte die Antwort in Kiakta abwarte. Nach einigen Wochen erhielt er sie an der Pei-ho-Mündung: sein Besuch in Pe-kiṅ sei unerwünscht; das »Ko-to« könne den Gesandten durchaus nicht erlassen werden. — Die Bevollmächtigten mussten sich dadurch in ihrer Ansicht nur bestärken, dass allein von imposanter Machtentfaltung gegen die Hauptstadt eine angemessene Entwickelung des diplomatischen Ver- kehrs mit der chinesischen Regierung zu erwarten sei. Anfang December kam die letzte Abtheilung der erwarteten Truppen nach Hong-kong. Lord Elgin und Baron Gros richteten nun Noten identischen Inhalts an den Vice-König Yi, welche die ersten Dolmetscher Herr Wade und Herr Marques unter Parlamentär- Flagge am 13. December in Kan-ton überreichten. Die englische Note lautete: Der Unterzeichnete beehrt sich, dem kaiserlichen Bevollmächtig- ten Yi u. s. w. zu melden, dass er der Träger von Creditiven ist, welche ihn als Ausserordentlichen Botschafter Ihrer Majestät der Köni- gin von Grossbritannien und Irland bei dem Kaiser von China beglau- bigen; und ferner, dass er von Ihrer Majestät der Königin von Gross-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/248>, abgerufen am 24.11.2024.