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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Gefahr für Shang-hae.
Jahren fast durchgängig aus eben so schlechtem Gesindel, wie die
kaiserlichen, und wetteiferten mit diesen in allen Verbrechen.


Als die Rebellen Nan-kin genommen hatten, begann die Be-
völkerung der in dem Landstrich zwischen Tsin-kian und dem
Meere gelegenen Städte mit ihrer fahrenden Habe auszuwandern;
Shang-hae füllte sich mit Flüchtigen. Der Weg dahin stand dem
Insurgentenheere offen und wäre ihm von kaiserlichen Truppen
kaum bestritten worden. Die fremden Ansiedler organisirten sich
zu einem Freicorps und liessen Erdwerke zum Schutz der Nieder-
lassung aufwerfen, denn man fürchtete das Schlimmste. Wu, der
Präfect von Shang-hae, ein Kantonese, welcher sein Amt erkaufte, 81)
hatte sich schon früher um die Rüstungen bemüht und die kaiser-
liche Flotte im Yan-tse durch eine Anzahl Lorchas verstärkt,
welche, beweglicher und besser bemannt als die Kriegsdschunken,
der Tae-pin-Flotte bei Tsin-kian kurzen Widerstand leisteten.
Jetzt meldete Wu dem englischen Consul, er wünsche die vor
Shang-hae ankernde Corvette Lily zu miethen, und bat, über
die Unziemlichkeit solchen Antrages belehrt, dass für die Opera-
tionen im Yan-tse einige Kriegsdampfer aus Hong-kong ver-
schrieben würden. Vergebens wiederholte er sein Gesuch um Bei-
stand, als der englische Bevollmächtigte Sir George Bonham am
21. März 1853 mit den Dampfern Hermes und Salamander vor
Shang-hae eintraf. Im Verein mit dem Präfecten von Nin-po
hatte Wu unterdessen eine Anzahl grösserer Lorchas aus Macao
gerüstet und americanische Schiffe gekauft, welche mit Seeleuten
aller Länder bemannt wurden. Der hohe Sold verführte selbst
Matrosen der Kriegsschiffe zur Desertion. Um die Bevölkerung zu
beruhigen und die Tae-pin zu schrecken, verbreiteten die Man-
darinen in der Provinz, dass die Fremden die kaiserliche Flotte

81) Wu hatte sich im Handel mit den Fremden emporgearbeitet, sprach das ge-
brochene Pidgeon-Englisch, die Verkehrssprache zwischen den Fremden und den
Kantonesen, welche sich im Laufe der Zeit zu einem feststehenden Jargon ausgebildet
hat, und war dadurch, obgleich er keine Prüfung bestanden und keine Spur von
litterarischer Bildung hatte, obgleich er nicht einmal den Mandarinen-Dialect -- was
so viel sagen will wie bei uns hochdeutsch -- reden konnte, zu der Stellung in
Shang-hae besonders geeignet. Er war fähig, thätig und opferte für die Rüstungen sein
eigenes Vermögen, wurde aber dennoch später wegen des schlechten Erfolges degradirt.

Gefahr für Shang-hae.
Jahren fast durchgängig aus eben so schlechtem Gesindel, wie die
kaiserlichen, und wetteiferten mit diesen in allen Verbrechen.


Als die Rebellen Nan-kiṅ genommen hatten, begann die Be-
völkerung der in dem Landstrich zwischen Tšiṅ-kiaṅ und dem
Meere gelegenen Städte mit ihrer fahrenden Habe auszuwandern;
Shang-hae füllte sich mit Flüchtigen. Der Weg dahin stand dem
Insurgentenheere offen und wäre ihm von kaiserlichen Truppen
kaum bestritten worden. Die fremden Ansiedler organisirten sich
zu einem Freicorps und liessen Erdwerke zum Schutz der Nieder-
lassung aufwerfen, denn man fürchtete das Schlimmste. Wu, der
Präfect von Shang-hae, ein Kantonese, welcher sein Amt erkaufte, 81)
hatte sich schon früher um die Rüstungen bemüht und die kaiser-
liche Flotte im Yaṅ-tse durch eine Anzahl Lorchas verstärkt,
welche, beweglicher und besser bemannt als die Kriegsdschunken,
der Tae-piṅ-Flotte bei Tšiṅ-kiaṅ kurzen Widerstand leisteten.
Jetzt meldete Wu dem englischen Consul, er wünsche die vor
Shang-hae ankernde Corvette Lily zu miethen, und bat, über
die Unziemlichkeit solchen Antrages belehrt, dass für die Opera-
tionen im Yaṅ-tse einige Kriegsdampfer aus Hong-kong ver-
schrieben würden. Vergebens wiederholte er sein Gesuch um Bei-
stand, als der englische Bevollmächtigte Sir George Bonham am
21. März 1853 mit den Dampfern Hermes und Salamander vor
Shang-hae eintraf. Im Verein mit dem Präfecten von Niṅ-po
hatte Wu unterdessen eine Anzahl grösserer Lorchas aus Macao
gerüstet und americanische Schiffe gekauft, welche mit Seeleuten
aller Länder bemannt wurden. Der hohe Sold verführte selbst
Matrosen der Kriegsschiffe zur Desertion. Um die Bevölkerung zu
beruhigen und die Tae-piṅ zu schrecken, verbreiteten die Man-
darinen in der Provinz, dass die Fremden die kaiserliche Flotte

81) Wu hatte sich im Handel mit den Fremden emporgearbeitet, sprach das ge-
brochene Pidgeon-Englisch, die Verkehrssprache zwischen den Fremden und den
Kantonesen, welche sich im Laufe der Zeit zu einem feststehenden Jargon ausgebildet
hat, und war dadurch, obgleich er keine Prüfung bestanden und keine Spur von
litterarischer Bildung hatte, obgleich er nicht einmal den Mandarinen-Dialect — was
so viel sagen will wie bei uns hochdeutsch — reden konnte, zu der Stellung in
Shang-hae besonders geeignet. Er war fähig, thätig und opferte für die Rüstungen sein
eigenes Vermögen, wurde aber dennoch später wegen des schlechten Erfolges degradirt.
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[184/0206] Gefahr für Shang-hae. Jahren fast durchgängig aus eben so schlechtem Gesindel, wie die kaiserlichen, und wetteiferten mit diesen in allen Verbrechen. Als die Rebellen Nan-kiṅ genommen hatten, begann die Be- völkerung der in dem Landstrich zwischen Tšiṅ-kiaṅ und dem Meere gelegenen Städte mit ihrer fahrenden Habe auszuwandern; Shang-hae füllte sich mit Flüchtigen. Der Weg dahin stand dem Insurgentenheere offen und wäre ihm von kaiserlichen Truppen kaum bestritten worden. Die fremden Ansiedler organisirten sich zu einem Freicorps und liessen Erdwerke zum Schutz der Nieder- lassung aufwerfen, denn man fürchtete das Schlimmste. Wu, der Präfect von Shang-hae, ein Kantonese, welcher sein Amt erkaufte, 81) hatte sich schon früher um die Rüstungen bemüht und die kaiser- liche Flotte im Yaṅ-tse durch eine Anzahl Lorchas verstärkt, welche, beweglicher und besser bemannt als die Kriegsdschunken, der Tae-piṅ-Flotte bei Tšiṅ-kiaṅ kurzen Widerstand leisteten. Jetzt meldete Wu dem englischen Consul, er wünsche die vor Shang-hae ankernde Corvette Lily zu miethen, und bat, über die Unziemlichkeit solchen Antrages belehrt, dass für die Opera- tionen im Yaṅ-tse einige Kriegsdampfer aus Hong-kong ver- schrieben würden. Vergebens wiederholte er sein Gesuch um Bei- stand, als der englische Bevollmächtigte Sir George Bonham am 21. März 1853 mit den Dampfern Hermes und Salamander vor Shang-hae eintraf. Im Verein mit dem Präfecten von Niṅ-po hatte Wu unterdessen eine Anzahl grösserer Lorchas aus Macao gerüstet und americanische Schiffe gekauft, welche mit Seeleuten aller Länder bemannt wurden. Der hohe Sold verführte selbst Matrosen der Kriegsschiffe zur Desertion. Um die Bevölkerung zu beruhigen und die Tae-piṅ zu schrecken, verbreiteten die Man- darinen in der Provinz, dass die Fremden die kaiserliche Flotte 81) Wu hatte sich im Handel mit den Fremden emporgearbeitet, sprach das ge- brochene Pidgeon-Englisch, die Verkehrssprache zwischen den Fremden und den Kantonesen, welche sich im Laufe der Zeit zu einem feststehenden Jargon ausgebildet hat, und war dadurch, obgleich er keine Prüfung bestanden und keine Spur von litterarischer Bildung hatte, obgleich er nicht einmal den Mandarinen-Dialect — was so viel sagen will wie bei uns hochdeutsch — reden konnte, zu der Stellung in Shang-hae besonders geeignet. Er war fähig, thätig und opferte für die Rüstungen sein eigenes Vermögen, wurde aber dennoch später wegen des schlechten Erfolges degradirt.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/206>, abgerufen am 22.11.2024.