friedigen, entliess man verdiente Mandarinen unter nichtigem Vorwande.
Fast noch tiefer als der Stellenhandel verletzten das chine- sische Volksgefühl die von Tau-kwan eingeführten Geldstrafen. China hat ein Strafgesetzbuch, dessen Grundlage zweitausend Jahre alt ist, das aus seiner Cultur herausgewachsen und deren Entwicke- lung gefolgt ist. Neuere Dynastieen änderten Einzelnes nach ihren Eigenthümlichkeiten; im Ganzen aber ist der Codex ein nationaler, kein dynastischer. Wohlfeile Ausgaben davon sind überall käuf- lich; der gemeine Chinese kennt und verehrt dieses Gesetzbuch, denn es ist streng unpartheiisch, wenn auch nach unseren Begriffen hart und grausam. Die Gleichstellung vor dem Gesetz, die Grund- lage aller politischen Freiheit, kann aber keinen härteren Stoss erleiden als durch die Möglichkeit, Leibes- oder Freiheitsstrafen in Geldbussen zu verwandeln. Gross muss die Geldnoth gewesen sein, welche zu diesem Schritte trieb. Mit Ausnahme einiger Todesstrafen für die gröbsten Verbrechen sollten fortan alle Strafen abgekauft werden können. Die Möglichkeit dieser Neuerung be- weist wohl am schlagendsten den tiefen Verfall des chinesischen Reiches.
Wie unter den neuen Quellen des Gewinnes, so musste das Volk auch unter den Ersparnissen leiden. Tau-kwan entzog den Studirten die bis dahin zu den Prüfungsreisen gezahlten Zuschüsse. War er in den Tagen des Ueberflusses schon karg, so stellte er jetzt die nöthigsten Ausgaben ab. Der Gelbe Fluss ver- wandelte durch Ueberschwemmung die weiten Thäler von Ho-nan in Sümpfe und riss die Mauern der Hauptstadt Kae-fun-fu fort; aber das Flehen der schwer betroffenen Bevölkerung ward nicht erhört, die nothwendige Eindämmung unterblieb, und Hunderttausenden ging aller liegende Besitz verloren. Wie in allen anderen Zweigen, so nahm die Regierung auch in der Armee starke Reductionen vor. Die entlassenen Truppen zogen sengend, mordend und plündernd durch das Land, und die geschwächte Executive konnte ihnen nicht wehren. Seeräuber vertrieben die Mandarinen aus den Küsten- städten von Fu-kian und Tse-kian; die Behörden mussten einen schmachvollen Vergleich mit den Führern schliessen, um sie los zu werden. Nun flüchtete der grösste Theil des Gesindels in die Berge, auf das Meer, und verwüstete von da aus viele Jahre lang unangefochten die Ebenen und Küsten; Handel und Wandel
Geldstrafen. Ersparungen.
friedigen, entliess man verdiente Mandarinen unter nichtigem Vorwande.
Fast noch tiefer als der Stellenhandel verletzten das chine- sische Volksgefühl die von Tau-kwaṅ eingeführten Geldstrafen. China hat ein Strafgesetzbuch, dessen Grundlage zweitausend Jahre alt ist, das aus seiner Cultur herausgewachsen und deren Entwicke- lung gefolgt ist. Neuere Dynastieen änderten Einzelnes nach ihren Eigenthümlichkeiten; im Ganzen aber ist der Codex ein nationaler, kein dynastischer. Wohlfeile Ausgaben davon sind überall käuf- lich; der gemeine Chinese kennt und verehrt dieses Gesetzbuch, denn es ist streng unpartheiisch, wenn auch nach unseren Begriffen hart und grausam. Die Gleichstellung vor dem Gesetz, die Grund- lage aller politischen Freiheit, kann aber keinen härteren Stoss erleiden als durch die Möglichkeit, Leibes- oder Freiheitsstrafen in Geldbussen zu verwandeln. Gross muss die Geldnoth gewesen sein, welche zu diesem Schritte trieb. Mit Ausnahme einiger Todesstrafen für die gröbsten Verbrechen sollten fortan alle Strafen abgekauft werden können. Die Möglichkeit dieser Neuerung be- weist wohl am schlagendsten den tiefen Verfall des chinesischen Reiches.
Wie unter den neuen Quellen des Gewinnes, so musste das Volk auch unter den Ersparnissen leiden. Tau-kwaṅ entzog den Studirten die bis dahin zu den Prüfungsreisen gezahlten Zuschüsse. War er in den Tagen des Ueberflusses schon karg, so stellte er jetzt die nöthigsten Ausgaben ab. Der Gelbe Fluss ver- wandelte durch Ueberschwemmung die weiten Thäler von Ho-nan in Sümpfe und riss die Mauern der Hauptstadt Kae-fuṅ-fu fort; aber das Flehen der schwer betroffenen Bevölkerung ward nicht erhört, die nothwendige Eindämmung unterblieb, und Hunderttausenden ging aller liegende Besitz verloren. Wie in allen anderen Zweigen, so nahm die Regierung auch in der Armee starke Reductionen vor. Die entlassenen Truppen zogen sengend, mordend und plündernd durch das Land, und die geschwächte Executive konnte ihnen nicht wehren. Seeräuber vertrieben die Mandarinen aus den Küsten- städten von Fu-kian und Tše-kiaṅ; die Behörden mussten einen schmachvollen Vergleich mit den Führern schliessen, um sie los zu werden. Nun flüchtete der grösste Theil des Gesindels in die Berge, auf das Meer, und verwüstete von da aus viele Jahre lang unangefochten die Ebenen und Küsten; Handel und Wandel
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Geldstrafen. Ersparungen.
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Vorwande.
Fast noch tiefer als der Stellenhandel verletzten das chine-
sische Volksgefühl die von Tau-kwaṅ eingeführten Geldstrafen.
China hat ein Strafgesetzbuch, dessen Grundlage zweitausend Jahre
alt ist, das aus seiner Cultur herausgewachsen und deren Entwicke-
lung gefolgt ist. Neuere Dynastieen änderten Einzelnes nach ihren
Eigenthümlichkeiten; im Ganzen aber ist der Codex ein nationaler,
kein dynastischer. Wohlfeile Ausgaben davon sind überall käuf-
lich; der gemeine Chinese kennt und verehrt dieses Gesetzbuch,
denn es ist streng unpartheiisch, wenn auch nach unseren Begriffen
hart und grausam. Die Gleichstellung vor dem Gesetz, die Grund-
lage aller politischen Freiheit, kann aber keinen härteren Stoss
erleiden als durch die Möglichkeit, Leibes- oder Freiheitsstrafen
in Geldbussen zu verwandeln. Gross muss die Geldnoth gewesen
sein, welche zu diesem Schritte trieb. Mit Ausnahme einiger
Todesstrafen für die gröbsten Verbrechen sollten fortan alle Strafen
abgekauft werden können. Die Möglichkeit dieser Neuerung be-
weist wohl am schlagendsten den tiefen Verfall des chinesischen
Reiches.
Wie unter den neuen Quellen des Gewinnes, so musste das
Volk auch unter den Ersparnissen leiden. Tau-kwaṅ entzog den
Studirten die bis dahin zu den Prüfungsreisen gezahlten Zuschüsse.
War er in den Tagen des Ueberflusses schon karg, so stellte
er jetzt die nöthigsten Ausgaben ab. Der Gelbe Fluss ver-
wandelte durch Ueberschwemmung die weiten Thäler von Ho-nan in
Sümpfe und riss die Mauern der Hauptstadt Kae-fuṅ-fu fort; aber
das Flehen der schwer betroffenen Bevölkerung ward nicht erhört, die
nothwendige Eindämmung unterblieb, und Hunderttausenden ging
aller liegende Besitz verloren. Wie in allen anderen Zweigen, so
nahm die Regierung auch in der Armee starke Reductionen vor.
Die entlassenen Truppen zogen sengend, mordend und plündernd
durch das Land, und die geschwächte Executive konnte ihnen nicht
wehren. Seeräuber vertrieben die Mandarinen aus den Küsten-
städten von Fu-kian und Tše-kiaṅ; die Behörden mussten einen
schmachvollen Vergleich mit den Führern schliessen, um sie los
zu werden. Nun flüchtete der grösste Theil des Gesindels in die
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/180>, abgerufen am 05.12.2024.
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