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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Bericht an den Kaiser.
baren bewilligen müssen, um das Land zu retten. Indem wir uns
nun den auferlegten Bedingungen fügen, erflehen wir für uns selbst
die strengste Bestrafung." -- Nach Mittheilung der Friedens-
bedingungen fahren sie fort: "Die Engländer erklärten, dass nach
Bewilligung ihrer Forderungen ewiger Frieden walten solle; für den
Fall der Zurückweisung seien sie jedoch zu weiterem Vorrücken ge-
rüstet. Während der Verhandlungen drang zu den Barbaren ein
falsches Gerücht, dass sie von unseren Truppen überfallen und
vernichtet werden sollten. Da hissten sie die rothe Flagge und er-
klärten, dass sie am folgenden Morgen angreifen wollten. Da sie
nun wild und gewaltsam sind, so liessen wir unsere Truppen auf-
marschiren; als diese aber auf einen Umkreis von sechszig Li ver-
theilt waren, stellte sich heraus, dass ihre Zahl zur Abwehr nicht
ausreichte. Die Truppen aus den Provinzen sind entmuthigt und
unzuverlässig; zudem beherrschen die Höhen von Tsun die ganze
Stadt, die Barbaren können auf uns herabschiessen. Dazu kommt,
dass die Bewohner von Schrecken gelähmt sind; Myriaden bestürm-
ten unsere Beamten, mit Thränen um Rettung ihres Lebens flehend.
-- Blicken wir zurück auf den Zeitraum, seit die Barbaren gegen
uns aufstanden, so gewahren wir, dass keiner unserer Feldherren
etwas gegen sie ausrichten, ihren Todesmuth bändigen konnte. Die
Zahl ihrer Schiffe ist jetzt auf achtzig vermehrt. Sie beherrschen
den Yan-tse, haben den grossen Canal besetzt und das Reich in
zwei Hälften getheilt. Die Sache wird dadurch noch schlimmer,
dass sie Nan-kin bedrohen und mit Gewalt zur Entscheidung
drängen. Wir sehen die unentwirrbaren Verwickelungen unserer
Lage. Bleiben wir hartnäckig, so ist Nan-kin verloren; dann stehen
Gan-wui, Kian-si und Hu-pi den Barbaren offen; und wohin ihre
Erfolge sie nicht führen, da werden einheimische Verräther Unruhen
stiften und das Land verwüsten. -- Aus diesen Gründen schlagen
wir vor (obgleich der Tod dafür zu gelinde Strafe ist), dass die
Forderungen der Engländer bewilligt werden. Wir sehen wohl,
dass ihre Anträge unersättliche Gier verrathen; und doch beschrän-
ken sie ihre Ziele auf den Handel und hegen nicht andere unheil-
drohende Absichten. Zur Erhaltung von Kian-nan und um das
furchtbare Drangsal des Krieges zu enden, beschlossen wir
auf ihre Bedingungen einzugehen. Wir verbürgten uns endlich,
dass, wenn sie Reue über das angerichtete Elend zeigten und einen
Waffenstillstand schlössen, ihre Vorschläge bestätigt werden sollten;

Bericht an den Kaiser.
baren bewilligen müssen, um das Land zu retten. Indem wir uns
nun den auferlegten Bedingungen fügen, erflehen wir für uns selbst
die strengste Bestrafung.« — Nach Mittheilung der Friedens-
bedingungen fahren sie fort: »Die Engländer erklärten, dass nach
Bewilligung ihrer Forderungen ewiger Frieden walten solle; für den
Fall der Zurückweisung seien sie jedoch zu weiterem Vorrücken ge-
rüstet. Während der Verhandlungen drang zu den Barbaren ein
falsches Gerücht, dass sie von unseren Truppen überfallen und
vernichtet werden sollten. Da hissten sie die rothe Flagge und er-
klärten, dass sie am folgenden Morgen angreifen wollten. Da sie
nun wild und gewaltsam sind, so liessen wir unsere Truppen auf-
marschiren; als diese aber auf einen Umkreis von sechszig Li ver-
theilt waren, stellte sich heraus, dass ihre Zahl zur Abwehr nicht
ausreichte. Die Truppen aus den Provinzen sind entmuthigt und
unzuverlässig; zudem beherrschen die Höhen von Tšuṅ die ganze
Stadt, die Barbaren können auf uns herabschiessen. Dazu kommt,
dass die Bewohner von Schrecken gelähmt sind; Myriaden bestürm-
ten unsere Beamten, mit Thränen um Rettung ihres Lebens flehend.
— Blicken wir zurück auf den Zeitraum, seit die Barbaren gegen
uns aufstanden, so gewahren wir, dass keiner unserer Feldherren
etwas gegen sie ausrichten, ihren Todesmuth bändigen konnte. Die
Zahl ihrer Schiffe ist jetzt auf achtzig vermehrt. Sie beherrschen
den Yaṅ-tse, haben den grossen Canal besetzt und das Reich in
zwei Hälften getheilt. Die Sache wird dadurch noch schlimmer,
dass sie Nan-kiṅ bedrohen und mit Gewalt zur Entscheidung
drängen. Wir sehen die unentwirrbaren Verwickelungen unserer
Lage. Bleiben wir hartnäckig, so ist Nan-kiṅ verloren; dann stehen
Gan-wui, Kiaṅ-si und Hu-pi den Barbaren offen; und wohin ihre
Erfolge sie nicht führen, da werden einheimische Verräther Unruhen
stiften und das Land verwüsten. — Aus diesen Gründen schlagen
wir vor (obgleich der Tod dafür zu gelinde Strafe ist), dass die
Forderungen der Engländer bewilligt werden. Wir sehen wohl,
dass ihre Anträge unersättliche Gier verrathen; und doch beschrän-
ken sie ihre Ziele auf den Handel und hegen nicht andere unheil-
drohende Absichten. Zur Erhaltung von Kiaṅ-nan und um das
furchtbare Drangsal des Krieges zu enden, beschlossen wir
auf ihre Bedingungen einzugehen. Wir verbürgten uns endlich,
dass, wenn sie Reue über das angerichtete Elend zeigten und einen
Waffenstillstand schlössen, ihre Vorschläge bestätigt werden sollten;

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[126/0148] Bericht an den Kaiser. baren bewilligen müssen, um das Land zu retten. Indem wir uns nun den auferlegten Bedingungen fügen, erflehen wir für uns selbst die strengste Bestrafung.« — Nach Mittheilung der Friedens- bedingungen fahren sie fort: »Die Engländer erklärten, dass nach Bewilligung ihrer Forderungen ewiger Frieden walten solle; für den Fall der Zurückweisung seien sie jedoch zu weiterem Vorrücken ge- rüstet. Während der Verhandlungen drang zu den Barbaren ein falsches Gerücht, dass sie von unseren Truppen überfallen und vernichtet werden sollten. Da hissten sie die rothe Flagge und er- klärten, dass sie am folgenden Morgen angreifen wollten. Da sie nun wild und gewaltsam sind, so liessen wir unsere Truppen auf- marschiren; als diese aber auf einen Umkreis von sechszig Li ver- theilt waren, stellte sich heraus, dass ihre Zahl zur Abwehr nicht ausreichte. Die Truppen aus den Provinzen sind entmuthigt und unzuverlässig; zudem beherrschen die Höhen von Tšuṅ die ganze Stadt, die Barbaren können auf uns herabschiessen. Dazu kommt, dass die Bewohner von Schrecken gelähmt sind; Myriaden bestürm- ten unsere Beamten, mit Thränen um Rettung ihres Lebens flehend. — Blicken wir zurück auf den Zeitraum, seit die Barbaren gegen uns aufstanden, so gewahren wir, dass keiner unserer Feldherren etwas gegen sie ausrichten, ihren Todesmuth bändigen konnte. Die Zahl ihrer Schiffe ist jetzt auf achtzig vermehrt. Sie beherrschen den Yaṅ-tse, haben den grossen Canal besetzt und das Reich in zwei Hälften getheilt. Die Sache wird dadurch noch schlimmer, dass sie Nan-kiṅ bedrohen und mit Gewalt zur Entscheidung drängen. Wir sehen die unentwirrbaren Verwickelungen unserer Lage. Bleiben wir hartnäckig, so ist Nan-kiṅ verloren; dann stehen Gan-wui, Kiaṅ-si und Hu-pi den Barbaren offen; und wohin ihre Erfolge sie nicht führen, da werden einheimische Verräther Unruhen stiften und das Land verwüsten. — Aus diesen Gründen schlagen wir vor (obgleich der Tod dafür zu gelinde Strafe ist), dass die Forderungen der Engländer bewilligt werden. Wir sehen wohl, dass ihre Anträge unersättliche Gier verrathen; und doch beschrän- ken sie ihre Ziele auf den Handel und hegen nicht andere unheil- drohende Absichten. Zur Erhaltung von Kiaṅ-nan und um das furchtbare Drangsal des Krieges zu enden, beschlossen wir auf ihre Bedingungen einzugehen. Wir verbürgten uns endlich, dass, wenn sie Reue über das angerichtete Elend zeigten und einen Waffenstillstand schlössen, ihre Vorschläge bestätigt werden sollten;

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/148>, abgerufen am 27.04.2024.