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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Yu-kien.
golen artete in Raserei aus und steckte seine Umgebung an; Jeder
war sein Freund, der ihnen Schaden zufügte; wer nur entfernt an
Vergleichung dachte, fiel als Opfer seines Zornes. Am meisten
hasste er I-li-pu, der es verschmähte, seine Hände mit dem Blute
der Gefangenen zu besudeln, und in richtiger Würdigung seines
Nachfolgers dieselben den Engländern auslieferte. 42)

Der Umstand, dass Yu-kien kurz vor Räumung von Tsu-san
zum kaiserlichen Commissar für die Küsten-Vertheidigung ernannt
wurde, mag seine aufgeblasene Ueberhebung gesteigert haben; der
Schrecken seines Namens, schrieb er, habe die Flucht der Barbaren
beschleunigt. Yu-kien betrieb die Rüstungen mit grossem Eifer
und gab für Vermehrung der Truppen, in welche das schlechteste
Gesindel eingestellt wurde, so viel Geld aus, dass selbst Tau-kwan
Reductionen verlangte. Am Hafen von Tin-hae 43) wurde ein grosses
Erdwerk erbaut und mit bronzenen Geschützen armirt. Eine Menge
Soldaten sollten sich, als Kaufleute verkleidet, auf den Schiffen
einschleichen und sie in ihre Gewalt bringen. 44) Alle Kunde von
Operationen der feindlichen Flotte wies Yu-kien als eiteles Gerede
zurück und spottete öffentlich der Ohnmacht der Barbaren: sie
hätten zu seinem Verdrusse niemals gewagt, sich mit ihm zu
messen. Dem Kaiser schmeichelte er durch grossmäulige Be-
richte, welche jede Spur von Gefahr fortdemonstrirten 45) und
ein gläubiges Ohr gefunden hätten, wenn der Traum der Sicher-
heit nicht durch den Verlust von A-moi gestört worden wäre.
Dennoch war Yu-kien der Held des Tages, der Retter von China;
das lange Zögern der durch widrige Winde aufgehaltenen englischen
Flotte bestärkte die Zuversicht.

Der flachgehende Dampfer Nemesis lief auf dem Wege nach

42) Aus I-li-pu's Bericht über die Räumung von Tsu-san geht hervor, dass er
von seiner Abberufung damals schon wusste.
43) Tin-hae ist die Hauptstadt von Tsu-san.
44) Von einem gestrandeten Fahrzeug erbeuteten die Chinesen zwei Carronaden
und sahen die Inschrift darauf für ein kabalistisches Zeichen an, durch welches sie
sicher ihr Ziel träfen. Yu-kien liess sie genau nachgiessen; aber die Copieen platz-
ten beim ersten Schuss.
45) Die Küsten, schrieb Yu-kien, seien so flach, dass die Truppen nur in
Booten landen könnten; diese würden von den Strandbatterieen unfehlbar vernichtet
werden. Auch seien die Engländer so fest in ihre Uniformen eingeknöpft, dass sie
sich am Lande nicht rühren und leicht zu ganzen Regimentern niedergemäht werden
könnten.

Yu-kien.
golen artete in Raserei aus und steckte seine Umgebung an; Jeder
war sein Freund, der ihnen Schaden zufügte; wer nur entfernt an
Vergleichung dachte, fiel als Opfer seines Zornes. Am meisten
hasste er I-li-pu, der es verschmähte, seine Hände mit dem Blute
der Gefangenen zu besudeln, und in richtiger Würdigung seines
Nachfolgers dieselben den Engländern auslieferte. 42)

Der Umstand, dass Yu-kien kurz vor Räumung von Tšu-san
zum kaiserlichen Commissar für die Küsten-Vertheidigung ernannt
wurde, mag seine aufgeblasene Ueberhebung gesteigert haben; der
Schrecken seines Namens, schrieb er, habe die Flucht der Barbaren
beschleunigt. Yu-kien betrieb die Rüstungen mit grossem Eifer
und gab für Vermehrung der Truppen, in welche das schlechteste
Gesindel eingestellt wurde, so viel Geld aus, dass selbst Tau-kwaṅ
Reductionen verlangte. Am Hafen von Tiṅ-hae 43) wurde ein grosses
Erdwerk erbaut und mit bronzenen Geschützen armirt. Eine Menge
Soldaten sollten sich, als Kaufleute verkleidet, auf den Schiffen
einschleichen und sie in ihre Gewalt bringen. 44) Alle Kunde von
Operationen der feindlichen Flotte wies Yu-kien als eiteles Gerede
zurück und spottete öffentlich der Ohnmacht der Barbaren: sie
hätten zu seinem Verdrusse niemals gewagt, sich mit ihm zu
messen. Dem Kaiser schmeichelte er durch grossmäulige Be-
richte, welche jede Spur von Gefahr fortdemonstrirten 45) und
ein gläubiges Ohr gefunden hätten, wenn der Traum der Sicher-
heit nicht durch den Verlust von A-moi gestört worden wäre.
Dennoch war Yu-kien der Held des Tages, der Retter von China;
das lange Zögern der durch widrige Winde aufgehaltenen englischen
Flotte bestärkte die Zuversicht.

Der flachgehende Dampfer Nemesis lief auf dem Wege nach

42) Aus I-li-pu’s Bericht über die Räumung von Tšu-san geht hervor, dass er
von seiner Abberufung damals schon wusste.
43) Tiṅ-hae ist die Hauptstadt von Tšu-san.
44) Von einem gestrandeten Fahrzeug erbeuteten die Chinesen zwei Carronaden
und sahen die Inschrift darauf für ein kabalistisches Zeichen an, durch welches sie
sicher ihr Ziel träfen. Yu-kien liess sie genau nachgiessen; aber die Copieen platz-
ten beim ersten Schuss.
45) Die Küsten, schrieb Yu-kien, seien so flach, dass die Truppen nur in
Booten landen könnten; diese würden von den Strandbatterieen unfehlbar vernichtet
werden. Auch seien die Engländer so fest in ihre Uniformen eingeknöpft, dass sie
sich am Lande nicht rühren und leicht zu ganzen Regimentern niedergemäht werden
könnten.
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[109/0131] Yu-kien. golen artete in Raserei aus und steckte seine Umgebung an; Jeder war sein Freund, der ihnen Schaden zufügte; wer nur entfernt an Vergleichung dachte, fiel als Opfer seines Zornes. Am meisten hasste er I-li-pu, der es verschmähte, seine Hände mit dem Blute der Gefangenen zu besudeln, und in richtiger Würdigung seines Nachfolgers dieselben den Engländern auslieferte. 42) Der Umstand, dass Yu-kien kurz vor Räumung von Tšu-san zum kaiserlichen Commissar für die Küsten-Vertheidigung ernannt wurde, mag seine aufgeblasene Ueberhebung gesteigert haben; der Schrecken seines Namens, schrieb er, habe die Flucht der Barbaren beschleunigt. Yu-kien betrieb die Rüstungen mit grossem Eifer und gab für Vermehrung der Truppen, in welche das schlechteste Gesindel eingestellt wurde, so viel Geld aus, dass selbst Tau-kwaṅ Reductionen verlangte. Am Hafen von Tiṅ-hae 43) wurde ein grosses Erdwerk erbaut und mit bronzenen Geschützen armirt. Eine Menge Soldaten sollten sich, als Kaufleute verkleidet, auf den Schiffen einschleichen und sie in ihre Gewalt bringen. 44) Alle Kunde von Operationen der feindlichen Flotte wies Yu-kien als eiteles Gerede zurück und spottete öffentlich der Ohnmacht der Barbaren: sie hätten zu seinem Verdrusse niemals gewagt, sich mit ihm zu messen. Dem Kaiser schmeichelte er durch grossmäulige Be- richte, welche jede Spur von Gefahr fortdemonstrirten 45) und ein gläubiges Ohr gefunden hätten, wenn der Traum der Sicher- heit nicht durch den Verlust von A-moi gestört worden wäre. Dennoch war Yu-kien der Held des Tages, der Retter von China; das lange Zögern der durch widrige Winde aufgehaltenen englischen Flotte bestärkte die Zuversicht. Der flachgehende Dampfer Nemesis lief auf dem Wege nach 42) Aus I-li-pu’s Bericht über die Räumung von Tšu-san geht hervor, dass er von seiner Abberufung damals schon wusste. 43) Tiṅ-hae ist die Hauptstadt von Tšu-san. 44) Von einem gestrandeten Fahrzeug erbeuteten die Chinesen zwei Carronaden und sahen die Inschrift darauf für ein kabalistisches Zeichen an, durch welches sie sicher ihr Ziel träfen. Yu-kien liess sie genau nachgiessen; aber die Copieen platz- ten beim ersten Schuss. 45) Die Küsten, schrieb Yu-kien, seien so flach, dass die Truppen nur in Booten landen könnten; diese würden von den Strandbatterieen unfehlbar vernichtet werden. Auch seien die Engländer so fest in ihre Uniformen eingeknöpft, dass sie sich am Lande nicht rühren und leicht zu ganzen Regimentern niedergemäht werden könnten.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/131>, abgerufen am 27.04.2024.