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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die Conservativen von China.
Engländer wie Tiger, gaben unsere Werke auf und zogen uns
schliesslich in die Stadt zurück, um zu capituliren. Wenn die Schiffe
des Feindes Orte passirten, wo Dschunken versenkt waren, so
zeigte sich kein Soldat, ihnen die Durchfahrt streitig zu machen.
Während zahlreiche chinesische Verräther ihnen als Kundschafter
dienten, wollte nicht ein einziger Barbar uns die Bewegungen der
Engländer verrathen. Das setzte sie in Stand, die Tiefe des Wassers
zu messen, uns überall zu überraschen. Unbegreiflich ist es, wie
wir die Gelegenheit vorübergehen lassen konnten, Hong-kong wieder-
zunehmen und ihnen in den Rücken zu fallen, als sie alle ihre
Truppen nach Kan-ton eingeschifft hatten; aber es unterblieb. Die
Soldaten, welche die Aussenwerke vor den nördlichen Thoren ver-
theidigen sollten, verliessen ihre Posten wie Feiglinge. Als die
Barbaren die Stadt bombardirten und mehr als tausend Häuser ver-
brannten, öffnete man die Thore, um die flüchtigen Soldaten auf-
zunehmen; aber von den Stadtbewohnern durfte Niemand hinaus.
Selbst als das Volk in Masse die Fremden im Rücken angriff, wag-
ten die zahlreichen Truppen nicht Stellung zu nehmen und von vorn
auf sie einzudringen. -- Wie leicht konnte man Elliot im Fremden-
Quartier aufheben; aber das wollte Niemand unternehmen. -- Als
unsere Soldaten in die Stadt getrieben wurden, entbrannte ein wüthen-
der Kampf mit den kantonesischen Truppen; bald bedeckten zahl-
lose Leichen die Strassen. Alle Disciplin hörte auf; wildes Geschrei
erfüllte die Stadt; überall sah ich Raub und Mord. Mehrere tau-
send Soldaten rannten davon, beladen mit gestohlenem Gut, und
schützten dann vor, ihren Weg bei Verfolgung des Feindes ver-
loren zu haben. Von der Schmach dieser Ereignisse bin ich ganz
überwältigt und möchte mir das Leben nehmen; aber das würde
wenig helfen. Wir werden für andere Völker fortan ein Gegenstand
der Verachtung sein; das Gesindel des Landes wird Macht gewinnen
und der Regierung Trotz bieten."

Aehnlich fühlten Tausende aus den gebildeten Ständen; seit
Kien-lon, unter welchem China noch in hoher Macht blühte, waren
ja kaum funfzig Jahre verflossen. Die Classe der Studirten ergänzt
sich dort beständig aus der grossen Zahl Derjenigen, welche
Jahre lang für die Prüfung gearbeitet, aber keine Stellung erhalten
haben, entweder weil sie durchfielen, oder weil kein Platz für sie
war. Sie bilden, durch das ganze Reich verbreitet, den Kern der
Bevölkerung, die würdigen Vertreter der in mehrtausendjähriger

Die Conservativen von China.
Engländer wie Tiger, gaben unsere Werke auf und zogen uns
schliesslich in die Stadt zurück, um zu capituliren. Wenn die Schiffe
des Feindes Orte passirten, wo Dschunken versenkt waren, so
zeigte sich kein Soldat, ihnen die Durchfahrt streitig zu machen.
Während zahlreiche chinesische Verräther ihnen als Kundschafter
dienten, wollte nicht ein einziger Barbar uns die Bewegungen der
Engländer verrathen. Das setzte sie in Stand, die Tiefe des Wassers
zu messen, uns überall zu überraschen. Unbegreiflich ist es, wie
wir die Gelegenheit vorübergehen lassen konnten, Hong-kong wieder-
zunehmen und ihnen in den Rücken zu fallen, als sie alle ihre
Truppen nach Kan-ton eingeschifft hatten; aber es unterblieb. Die
Soldaten, welche die Aussenwerke vor den nördlichen Thoren ver-
theidigen sollten, verliessen ihre Posten wie Feiglinge. Als die
Barbaren die Stadt bombardirten und mehr als tausend Häuser ver-
brannten, öffnete man die Thore, um die flüchtigen Soldaten auf-
zunehmen; aber von den Stadtbewohnern durfte Niemand hinaus.
Selbst als das Volk in Masse die Fremden im Rücken angriff, wag-
ten die zahlreichen Truppen nicht Stellung zu nehmen und von vorn
auf sie einzudringen. — Wie leicht konnte man Elliot im Fremden-
Quartier aufheben; aber das wollte Niemand unternehmen. — Als
unsere Soldaten in die Stadt getrieben wurden, entbrannte ein wüthen-
der Kampf mit den kantonesischen Truppen; bald bedeckten zahl-
lose Leichen die Strassen. Alle Disciplin hörte auf; wildes Geschrei
erfüllte die Stadt; überall sah ich Raub und Mord. Mehrere tau-
send Soldaten rannten davon, beladen mit gestohlenem Gut, und
schützten dann vor, ihren Weg bei Verfolgung des Feindes ver-
loren zu haben. Von der Schmach dieser Ereignisse bin ich ganz
überwältigt und möchte mir das Leben nehmen; aber das würde
wenig helfen. Wir werden für andere Völker fortan ein Gegenstand
der Verachtung sein; das Gesindel des Landes wird Macht gewinnen
und der Regierung Trotz bieten.«

Aehnlich fühlten Tausende aus den gebildeten Ständen; seit
Kien-loṅ, unter welchem China noch in hoher Macht blühte, waren
ja kaum funfzig Jahre verflossen. Die Classe der Studirten ergänzt
sich dort beständig aus der grossen Zahl Derjenigen, welche
Jahre lang für die Prüfung gearbeitet, aber keine Stellung erhalten
haben, entweder weil sie durchfielen, oder weil kein Platz für sie
war. Sie bilden, durch das ganze Reich verbreitet, den Kern der
Bevölkerung, die würdigen Vertreter der in mehrtausendjähriger

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[91/0113] Die Conservativen von China. Engländer wie Tiger, gaben unsere Werke auf und zogen uns schliesslich in die Stadt zurück, um zu capituliren. Wenn die Schiffe des Feindes Orte passirten, wo Dschunken versenkt waren, so zeigte sich kein Soldat, ihnen die Durchfahrt streitig zu machen. Während zahlreiche chinesische Verräther ihnen als Kundschafter dienten, wollte nicht ein einziger Barbar uns die Bewegungen der Engländer verrathen. Das setzte sie in Stand, die Tiefe des Wassers zu messen, uns überall zu überraschen. Unbegreiflich ist es, wie wir die Gelegenheit vorübergehen lassen konnten, Hong-kong wieder- zunehmen und ihnen in den Rücken zu fallen, als sie alle ihre Truppen nach Kan-ton eingeschifft hatten; aber es unterblieb. Die Soldaten, welche die Aussenwerke vor den nördlichen Thoren ver- theidigen sollten, verliessen ihre Posten wie Feiglinge. Als die Barbaren die Stadt bombardirten und mehr als tausend Häuser ver- brannten, öffnete man die Thore, um die flüchtigen Soldaten auf- zunehmen; aber von den Stadtbewohnern durfte Niemand hinaus. Selbst als das Volk in Masse die Fremden im Rücken angriff, wag- ten die zahlreichen Truppen nicht Stellung zu nehmen und von vorn auf sie einzudringen. — Wie leicht konnte man Elliot im Fremden- Quartier aufheben; aber das wollte Niemand unternehmen. — Als unsere Soldaten in die Stadt getrieben wurden, entbrannte ein wüthen- der Kampf mit den kantonesischen Truppen; bald bedeckten zahl- lose Leichen die Strassen. Alle Disciplin hörte auf; wildes Geschrei erfüllte die Stadt; überall sah ich Raub und Mord. Mehrere tau- send Soldaten rannten davon, beladen mit gestohlenem Gut, und schützten dann vor, ihren Weg bei Verfolgung des Feindes ver- loren zu haben. Von der Schmach dieser Ereignisse bin ich ganz überwältigt und möchte mir das Leben nehmen; aber das würde wenig helfen. Wir werden für andere Völker fortan ein Gegenstand der Verachtung sein; das Gesindel des Landes wird Macht gewinnen und der Regierung Trotz bieten.« Aehnlich fühlten Tausende aus den gebildeten Ständen; seit Kien-loṅ, unter welchem China noch in hoher Macht blühte, waren ja kaum funfzig Jahre verflossen. Die Classe der Studirten ergänzt sich dort beständig aus der grossen Zahl Derjenigen, welche Jahre lang für die Prüfung gearbeitet, aber keine Stellung erhalten haben, entweder weil sie durchfielen, oder weil kein Platz für sie war. Sie bilden, durch das ganze Reich verbreitet, den Kern der Bevölkerung, die würdigen Vertreter der in mehrtausendjähriger

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/113>, abgerufen am 29.11.2024.