Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite
Abtretung von Hong-kong.

Die Chinesen hatten sich für unüberwindlich gehalten; am
Ufer harrten dichte Volkshaufen des sicheren Unterganges der
Engländer; desto grösser war die Bestürzung und Rathlosigkeit.
Die Verhandlungen begannen von neuem und führten zu einer
zwischen Elliot und Ki-sen geschlossenen Convention, nach welcher
die Insel Hong-kong der englischen Regierung abgetreten, eine Ent-
schädigung von sechs Millionen Dollars für das zerstörte Opium
gezahlt, der Handel binnen zehn Tagen eröffnet und den englischen
Beamten der directe amtliche Verkehr mit den Mandarinen auf dem
Fusse der Gleichberechtigung zugestanden werden sollte. In Folge
dessen nahmen die englischen Bevollmächtigten Hong-kong am
26. Januar 1841 förmlich in Besitz und sandten nach Tsu-san den
Befehl, die Insel zu räumen.

Ki-sen hatte keine Wahl, denn von den Forts an der Bocca
Tigris
war kein Widerstand zu erwarten; der Weg nach Kan-ton
lag dem Feinde offen. Die Zerstörung von Tsuen-pi und Ti-kok-to
berichtete Ki-sen sogleich an den Kaiser: "Der Admiral gesteht,
dass er die strengste Strafe verdient. Er weicht nur der Noth-
wendigkeit und hat sich zu einem Waffenstillstand mit den Bar-
baren verpflichtet, um Zeit zu gewinnen und sich neu zu rüsten....
Es scheint den Sclaven Deiner Majestät, dass es uns gar zu sehr an
Vertheidigungsmitteln fehlt; wir haben nicht die Bomben und Raketen
der Barbaren. Deshalb müssen wir sie auf andere Weise hinhalten,
und das wird leicht sein, da sie Verhandlungen angeknüpft haben."

Den Kaiser versetzte die Nachricht in maasslosen Zorn; am
Tage des Empfanges erliess er drei fulminante Decrete: "Ki-sen
hat, mit so wichtigen Angelegenheiten betraut, angesichts des hoch-
fahrenden und ruchlosen Betragens der Barbaren nichts gethan,
um Widerstand zu leisten. Jetzt erkennt man erst die wahren
Absichten des Feindes. Sie billig zu behandeln ist nun ausser
Frage; sie sollen vom Zorn des Volkes heimgesucht werden. Des-
halb haben wir die Truppen verschiedener Provinzen nach Kan-ton
entboten. Ki-sen und Kwan sollen streng bestraft werden."
Ferner: "Sie haben unsere Officiere und Soldaten in Tsuen-pi an-
gegriffen, verwundet, getödtet. Die Heimsuchung des Himmels zu
offenbaren, wollen wir die Barbaren vom Angesichte der Erde weg-
fegen. Zu dem Zweck wird unser Heer Tin-hae wiedernehmen.
Ki-sen hat Befehl, den Patriotismus des Volkes zu wecken und die
Köpfe der Barbaren in Körben nach Pe-kin zu senden."

Abtretung von Hong-kong.

Die Chinesen hatten sich für unüberwindlich gehalten; am
Ufer harrten dichte Volkshaufen des sicheren Unterganges der
Engländer; desto grösser war die Bestürzung und Rathlosigkeit.
Die Verhandlungen begannen von neuem und führten zu einer
zwischen Elliot und Ki-šen geschlossenen Convention, nach welcher
die Insel Hong-kong der englischen Regierung abgetreten, eine Ent-
schädigung von sechs Millionen Dollars für das zerstörte Opium
gezahlt, der Handel binnen zehn Tagen eröffnet und den englischen
Beamten der directe amtliche Verkehr mit den Mandarinen auf dem
Fusse der Gleichberechtigung zugestanden werden sollte. In Folge
dessen nahmen die englischen Bevollmächtigten Hong-kong am
26. Januar 1841 förmlich in Besitz und sandten nach Tšu-san den
Befehl, die Insel zu räumen.

Ki-šen hatte keine Wahl, denn von den Forts an der Bocca
Tigris
war kein Widerstand zu erwarten; der Weg nach Kan-ton
lag dem Feinde offen. Die Zerstörung von Tšuen-pi und Ti-kok-to
berichtete Ki-šen sogleich an den Kaiser: »Der Admiral gesteht,
dass er die strengste Strafe verdient. Er weicht nur der Noth-
wendigkeit und hat sich zu einem Waffenstillstand mit den Bar-
baren verpflichtet, um Zeit zu gewinnen und sich neu zu rüsten....
Es scheint den Sclaven Deiner Majestät, dass es uns gar zu sehr an
Vertheidigungsmitteln fehlt; wir haben nicht die Bomben und Raketen
der Barbaren. Deshalb müssen wir sie auf andere Weise hinhalten,
und das wird leicht sein, da sie Verhandlungen angeknüpft haben.«

Den Kaiser versetzte die Nachricht in maasslosen Zorn; am
Tage des Empfanges erliess er drei fulminante Decrete: »Ki-šen
hat, mit so wichtigen Angelegenheiten betraut, angesichts des hoch-
fahrenden und ruchlosen Betragens der Barbaren nichts gethan,
um Widerstand zu leisten. Jetzt erkennt man erst die wahren
Absichten des Feindes. Sie billig zu behandeln ist nun ausser
Frage; sie sollen vom Zorn des Volkes heimgesucht werden. Des-
halb haben wir die Truppen verschiedener Provinzen nach Kan-ton
entboten. Ki-šen und Kwan sollen streng bestraft werden.«
Ferner: »Sie haben unsere Officiere und Soldaten in Tšuen-pi an-
gegriffen, verwundet, getödtet. Die Heimsuchung des Himmels zu
offenbaren, wollen wir die Barbaren vom Angesichte der Erde weg-
fegen. Zu dem Zweck wird unser Heer Tiṅ-hae wiedernehmen.
Ki-šen hat Befehl, den Patriotismus des Volkes zu wecken und die
Köpfe der Barbaren in Körben nach Pe-kiṅ zu senden.«

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0104" n="82"/>
          <fw place="top" type="header">Abtretung von <hi rendition="#k"><placeName>Hong-kong</placeName></hi>.</fw><lb/>
          <p>Die Chinesen hatten sich für unüberwindlich gehalten; am<lb/>
Ufer harrten dichte Volkshaufen des sicheren Unterganges der<lb/>
Engländer; desto grösser war die Bestürzung und Rathlosigkeit.<lb/>
Die Verhandlungen begannen von neuem und führten zu einer<lb/>
zwischen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/122894928">Elliot</persName> und <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/153149752">Ki-&#x0161;en</persName></hi> geschlossenen Convention, nach welcher<lb/>
die Insel <hi rendition="#k"><placeName>Hong-kong</placeName></hi> der englischen Regierung abgetreten, eine Ent-<lb/>
schädigung von sechs Millionen Dollars für das zerstörte Opium<lb/>
gezahlt, der Handel binnen zehn Tagen eröffnet und den englischen<lb/>
Beamten der directe amtliche Verkehr mit den Mandarinen auf dem<lb/>
Fusse der Gleichberechtigung zugestanden werden sollte. In Folge<lb/>
dessen nahmen die englischen Bevollmächtigten <hi rendition="#k"><placeName>Hong-kong</placeName></hi> am<lb/>
26. Januar 1841 förmlich in Besitz und sandten nach <hi rendition="#k"><placeName>T&#x0161;u-san</placeName></hi> den<lb/>
Befehl, die Insel zu räumen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/153149752">Ki-&#x0161;en</persName></hi> hatte keine Wahl, denn von den Forts an der <placeName>Bocca<lb/>
Tigris</placeName> war kein Widerstand zu erwarten; der Weg nach <hi rendition="#k"><placeName>Kan-ton</placeName></hi><lb/>
lag dem Feinde offen. Die Zerstörung von <hi rendition="#k"><placeName>T&#x0161;uen-pi</placeName></hi> und <hi rendition="#k"><placeName>Ti-kok-to</placeName></hi><lb/>
berichtete <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/153149752">Ki-&#x0161;en</persName></hi> sogleich an den Kaiser: »Der Admiral gesteht,<lb/>
dass er die strengste Strafe verdient. Er weicht nur der Noth-<lb/>
wendigkeit und hat sich zu einem Waffenstillstand mit den Bar-<lb/>
baren verpflichtet, um Zeit zu gewinnen und sich neu zu rüsten....<lb/>
Es scheint den Sclaven Deiner Majestät, dass es uns gar zu sehr an<lb/>
Vertheidigungsmitteln fehlt; wir haben nicht die Bomben und Raketen<lb/>
der Barbaren. Deshalb müssen wir sie auf andere Weise hinhalten,<lb/>
und das wird leicht sein, da sie Verhandlungen angeknüpft haben.«</p><lb/>
          <p>Den Kaiser versetzte die Nachricht in maasslosen Zorn; am<lb/>
Tage des Empfanges erliess er drei fulminante Decrete: »<hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/153149752">Ki-&#x0161;en</persName></hi><lb/>
hat, mit so wichtigen Angelegenheiten betraut, angesichts des hoch-<lb/>
fahrenden und ruchlosen Betragens der Barbaren nichts gethan,<lb/>
um Widerstand zu leisten. Jetzt erkennt man erst die wahren<lb/>
Absichten des Feindes. Sie billig zu behandeln ist nun ausser<lb/>
Frage; sie sollen vom Zorn des Volkes heimgesucht werden. Des-<lb/>
halb haben wir die Truppen verschiedener Provinzen nach <hi rendition="#k"><placeName>Kan-ton</placeName></hi><lb/>
entboten. <hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/153149752">Ki-&#x0161;en</persName></hi> und <hi rendition="#k"><persName ref="http://www.idref.fr/156885778">Kwan</persName></hi> sollen streng bestraft werden.«<lb/>
Ferner: »Sie haben unsere Officiere und Soldaten in <hi rendition="#k"><placeName>T&#x0161;uen-pi</placeName></hi> an-<lb/>
gegriffen, verwundet, getödtet. Die Heimsuchung des Himmels zu<lb/>
offenbaren, wollen wir die Barbaren vom Angesichte der Erde weg-<lb/>
fegen. Zu dem Zweck wird unser Heer <hi rendition="#k"><placeName>Tin&#x0307;-hae</placeName></hi> wiedernehmen.<lb/><hi rendition="#k"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/153149752">Ki-&#x0161;en</persName></hi> hat Befehl, den Patriotismus des Volkes zu wecken und die<lb/>
Köpfe der Barbaren in Körben nach <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kin&#x0307;</placeName></hi> zu senden.«</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0104] Abtretung von Hong-kong. Die Chinesen hatten sich für unüberwindlich gehalten; am Ufer harrten dichte Volkshaufen des sicheren Unterganges der Engländer; desto grösser war die Bestürzung und Rathlosigkeit. Die Verhandlungen begannen von neuem und führten zu einer zwischen Elliot und Ki-šen geschlossenen Convention, nach welcher die Insel Hong-kong der englischen Regierung abgetreten, eine Ent- schädigung von sechs Millionen Dollars für das zerstörte Opium gezahlt, der Handel binnen zehn Tagen eröffnet und den englischen Beamten der directe amtliche Verkehr mit den Mandarinen auf dem Fusse der Gleichberechtigung zugestanden werden sollte. In Folge dessen nahmen die englischen Bevollmächtigten Hong-kong am 26. Januar 1841 förmlich in Besitz und sandten nach Tšu-san den Befehl, die Insel zu räumen. Ki-šen hatte keine Wahl, denn von den Forts an der Bocca Tigris war kein Widerstand zu erwarten; der Weg nach Kan-ton lag dem Feinde offen. Die Zerstörung von Tšuen-pi und Ti-kok-to berichtete Ki-šen sogleich an den Kaiser: »Der Admiral gesteht, dass er die strengste Strafe verdient. Er weicht nur der Noth- wendigkeit und hat sich zu einem Waffenstillstand mit den Bar- baren verpflichtet, um Zeit zu gewinnen und sich neu zu rüsten.... Es scheint den Sclaven Deiner Majestät, dass es uns gar zu sehr an Vertheidigungsmitteln fehlt; wir haben nicht die Bomben und Raketen der Barbaren. Deshalb müssen wir sie auf andere Weise hinhalten, und das wird leicht sein, da sie Verhandlungen angeknüpft haben.« Den Kaiser versetzte die Nachricht in maasslosen Zorn; am Tage des Empfanges erliess er drei fulminante Decrete: »Ki-šen hat, mit so wichtigen Angelegenheiten betraut, angesichts des hoch- fahrenden und ruchlosen Betragens der Barbaren nichts gethan, um Widerstand zu leisten. Jetzt erkennt man erst die wahren Absichten des Feindes. Sie billig zu behandeln ist nun ausser Frage; sie sollen vom Zorn des Volkes heimgesucht werden. Des- halb haben wir die Truppen verschiedener Provinzen nach Kan-ton entboten. Ki-šen und Kwan sollen streng bestraft werden.« Ferner: »Sie haben unsere Officiere und Soldaten in Tšuen-pi an- gegriffen, verwundet, getödtet. Die Heimsuchung des Himmels zu offenbaren, wollen wir die Barbaren vom Angesichte der Erde weg- fegen. Zu dem Zweck wird unser Heer Tiṅ-hae wiedernehmen. Ki-šen hat Befehl, den Patriotismus des Volkes zu wecken und die Köpfe der Barbaren in Körben nach Pe-kiṅ zu senden.«

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/104
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/104>, abgerufen am 27.04.2024.