[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.Elliot vor der Pei-ho-Mündung. hier niemand gedacht; der Weg nach der Hauptstadt lag demFeinde offen. Capitän Elliot hatte auch die Absicht, eine Truppen- bewegung auf Pe-kin zu veranlassen, wurde aber von der Schlau- heit eines Mandarinen überlistet und kehrte unverrichteter Sache nach dem Süden zurück. Ki-sen, ein Mandschu-Tartar vom höchsten Range und 32) Nach Davis hätte Ki-sen seinem Herrn gegenüber den Engländern etwa
folgende Reden in den Mund gelegt: "Wir sind angewiesen, bei euerer ehrenwerthen Nation Klage zu führen über die Schädigung unseres Vertreters und der britischen Kaufleute durch die Oberbeamten in Kan-ton. Da unsere See- und Landmacht bedeutend ist, so brauchten wir einen Platz, um unsere Schiffe zu bergen und unsere Truppen unterzubringen. Die Oberbeamten in den Provinzen schlossen uns nicht nur ihre Häfen, sondern weigerten sich auch, unsere Vorstellungen an den Hof zu befördern. Deshalb mussten wir Tsu-san besetzen. Commissar Lin liess alle Europäer in Kan-ton einschliessen, schnitt ihnen den Verkehr ab und beraubte sie der Lebensmittel, bis das Opium an Bord der Schiffe aus- geliefert war, indem er sie mit dem Tode bedrohte. Eine Menge Opium Elliot vor der Pei-ho-Mündung. hier niemand gedacht; der Weg nach der Hauptstadt lag demFeinde offen. Capitän Elliot hatte auch die Absicht, eine Truppen- bewegung auf Pe-kiṅ zu veranlassen, wurde aber von der Schlau- heit eines Mandarinen überlistet und kehrte unverrichteter Sache nach dem Süden zurück. Ki-šen, ein Mandschu-Tartar vom höchsten Range und 32) Nach Davis hätte Ki-šen seinem Herrn gegenüber den Engländern etwa
folgende Reden in den Mund gelegt: »Wir sind angewiesen, bei euerer ehrenwerthen Nation Klage zu führen über die Schädigung unseres Vertreters und der britischen Kaufleute durch die Oberbeamten in Kan-ton. Da unsere See- und Landmacht bedeutend ist, so brauchten wir einen Platz, um unsere Schiffe zu bergen und unsere Truppen unterzubringen. Die Oberbeamten in den Provinzen schlossen uns nicht nur ihre Häfen, sondern weigerten sich auch, unsere Vorstellungen an den Hof zu befördern. Deshalb mussten wir Tšu-san besetzen. Commissar Lin liess alle Europäer in Kan-ton einschliessen, schnitt ihnen den Verkehr ab und beraubte sie der Lebensmittel, bis das Opium an Bord der Schiffe aus- geliefert war, indem er sie mit dem Tode bedrohte. Eine Menge Opium <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0101" n="79"/><fw place="top" type="header"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/122894928">Elliot</persName> vor der <placeName><hi rendition="#k">Pei-ho</hi>-Mündung</placeName>.</fw><lb/> hier niemand gedacht; der Weg nach der Hauptstadt lag dem<lb/> Feinde offen. 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Elliot vor der Pei-ho-Mündung.
hier niemand gedacht; der Weg nach der Hauptstadt lag dem
Feinde offen. Capitän Elliot hatte auch die Absicht, eine Truppen-
bewegung auf Pe-kiṅ zu veranlassen, wurde aber von der Schlau-
heit eines Mandarinen überlistet und kehrte unverrichteter Sache
nach dem Süden zurück.
Ki-šen, ein Mandschu-Tartar vom höchsten Range und
persönlicher Freund des Kaisers Tauk-waṅ, hatte vor Ausbruch
des Krieges alle Mittel zu dessen Abwendung aufgeboten. In einer
Immediat-Eingabe erklärte er damals die strenge Ausübung der
Strafgesetze gegen das Opiumrauchen und verschärfte Bewachung
der Küsten für genügend, um dem Uebel zu steuern, und widerrieth
jeden Gewaltschritt gegen die Fremden. Ki-šen war der vor-
nehmste Vertreter der gemässigten Parthei und entschiedener Gegner
des Lin, dessen Ansicht im kaiserlichen Rathe durchdrang. Das
unverhoffte Erscheinen der Engländer vor der Pei-ho-Mündung
erzeugte nun aber ernste Zweifel an dessen Politik, und Tauk-waṅ
befahl Lin’s entschiedenstem Gegner, den Feind zur Umkehr zu
vermögen. Ki-šen’s feiner Takt und aalglatte Liebenswürdigkeit,
seine unerschütterliche Ruhe und vollkommene Selbstbeherrschung
machten ihn zu dieser Sendung sehr geeignet. Er konnte die
widerwärtigsten Discussionen mit den schönsten Phrasen und Um-
gehung jeder Schärfe Stunden lang fortspinnen und, ohne sich
durch Zusagen zu binden, dem Gegner den Wahn eines Erfolges
beibringen. Bei den Verhandlungen an der Pei-ho-Mündung
muss er nach beiden Seiten falsch gespielt haben; denn sicher
theilte er das ihm übergebene Schreiben Lord Palmerston’s dem
Kaiser nicht mit, noch auch dessen wirkliche Antwort auf seine
den Barbaren in den Mund gelegten Vorstellungen den Engländern;
sonst war die Verständigung unmöglich. 32) Capitän Elliot erreichte
32) Nach Davis hätte Ki-šen seinem Herrn gegenüber den Engländern etwa
folgende Reden in den Mund gelegt: »Wir sind angewiesen, bei euerer ehrenwerthen
Nation Klage zu führen über die Schädigung unseres Vertreters und der britischen
Kaufleute durch die Oberbeamten in Kan-ton. Da unsere See- und Landmacht
bedeutend ist, so brauchten wir einen Platz, um unsere Schiffe zu bergen und unsere
Truppen unterzubringen. Die Oberbeamten in den Provinzen schlossen uns
nicht nur ihre Häfen, sondern weigerten sich auch, unsere Vorstellungen an
den Hof zu befördern. Deshalb mussten wir Tšu-san besetzen. Commissar
Lin liess alle Europäer in Kan-ton einschliessen, schnitt ihnen den Verkehr
ab und beraubte sie der Lebensmittel, bis das Opium an Bord der Schiffe aus-
geliefert war, indem er sie mit dem Tode bedrohte. Eine Menge Opium
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