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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Klima. VII.
sollen zwar fortgeführt werden, soweit das hinterlassene Material
es gestattet, doch ist mit Wichura ein reicher Schatz persönlicher
Anschauungen und Wahrnehmungen begraben worden, der sich nicht
ersetzen lässt. Er allein war fähig ein lebendiges Bild des japani-
schen Gewächsreiches und seiner vielfältigen Benutzung zu zeichnen.
Der Verfasser, welchen dieser Gegenstand immer lebhaft interessirt
hat, muss sich hier auf eine Darstellung in allgemeinen Zügen
beschränken, welchen neben Wichura's persönlichen Mittheilungen
auch die Angaben anderer Naturforscher verschmolzen sind, soweit
sie zuverlässig und bemerkenswerth schienen.

Im einleitenden Abschnitt wurde schon angedeutet, dass
das Klima der japanischen Inseln der Entwickelung einer üppigen
und mannichfaltigen Vegetation sehr günstig ist. Der östliche
Continent von Asien leidet unter den Extremen von Hitze und
Kälte. Peking, unter 39° 54' Polhöhe, der Breite von Toledo
und Menorca, hat den Winter von Upsala und den Sommer von
Kairo. Die Hitze steigt im Juli auf 34° R. im Schatten und sinkt
in der Nacht kaum unter 28°; die Luft ist dann so trocken, dass
kein Hygrometer mehr spricht, und vibrirt auf den erwärmten
Gefilden wie über einem Backofen; im November bedecken sich
Flüsse und Seen mit fussdickem Eise und thauen erst im März
wieder auf. Glühende Wüstenwinde streichen im Mai und Juni
vom Innern her über die Küstengegend und hüllen selbst Schiffe
auf der See viele Meilen weit hinaus in dicken Staub. -- Japans
Gestade dagegen werden im Sommer von frischen Seewinden
gekühlt, im Winter aber von den warmen Aequatorialströmungen
des Stillen Oceans gleichsam geheizt. In Yeddo, das unter
35° 38' n. Br., ungefähr wie Malta liegt, ist der Winter kurz
und milde, es friert und schneit im November, December und
Januar zuweilen, aber niemals anhaltend; im Juli und August soll
die Hitze nur selten auf 27° R. im Schatten steigen. Die süd-
lichen und östlichen dem Stillen Ocean zugewendeten, nach
Norden und Westen durch hohe Bergketten geschützten Land-
schaften geniessen des mildesten Klimas; nach Siebold hätte
Yeddo einen kühleren Sommer und wärmeren Winter als das drei
Grad südlicher gelegene Nangasaki. Der Siro-yama -- Weisse
Berg -- an der Westküste von Nippon soll bei einer Erhebung von
sieben- bis achttausend Fuss ewigen Schnee zeigen, während der
viel höhere Fusi-yama an der Ostküste oft Monate lang fast

Klima. VII.
sollen zwar fortgeführt werden, soweit das hinterlassene Material
es gestattet, doch ist mit Wichura ein reicher Schatz persönlicher
Anschauungen und Wahrnehmungen begraben worden, der sich nicht
ersetzen lässt. Er allein war fähig ein lebendiges Bild des japani-
schen Gewächsreiches und seiner vielfältigen Benutzung zu zeichnen.
Der Verfasser, welchen dieser Gegenstand immer lebhaft interessirt
hat, muss sich hier auf eine Darstellung in allgemeinen Zügen
beschränken, welchen neben Wichura’s persönlichen Mittheilungen
auch die Angaben anderer Naturforscher verschmolzen sind, soweit
sie zuverlässig und bemerkenswerth schienen.

Im einleitenden Abschnitt wurde schon angedeutet, dass
das Klima der japanischen Inseln der Entwickelung einer üppigen
und mannichfaltigen Vegetation sehr günstig ist. Der östliche
Continent von Asien leidet unter den Extremen von Hitze und
Kälte. Peking, unter 39° 54′ Polhöhe, der Breite von Toledo
und Menorca, hat den Winter von Upsala und den Sommer von
Kaïro. Die Hitze steigt im Juli auf 34° R. im Schatten und sinkt
in der Nacht kaum unter 28°; die Luft ist dann so trocken, dass
kein Hygrometer mehr spricht, und vibrirt auf den erwärmten
Gefilden wie über einem Backofen; im November bedecken sich
Flüsse und Seen mit fussdickem Eise und thauen erst im März
wieder auf. Glühende Wüstenwinde streichen im Mai und Juni
vom Innern her über die Küstengegend und hüllen selbst Schiffe
auf der See viele Meilen weit hinaus in dicken Staub. — Japans
Gestade dagegen werden im Sommer von frischen Seewinden
gekühlt, im Winter aber von den warmen Aequatorialströmungen
des Stillen Oceans gleichsam geheizt. In Yeddo, das unter
35° 38′ n. Br., ungefähr wie Malta liegt, ist der Winter kurz
und milde, es friert und schneit im November, December und
Januar zuweilen, aber niemals anhaltend; im Juli und August soll
die Hitze nur selten auf 27° R. im Schatten steigen. Die süd-
lichen und östlichen dem Stillen Ocean zugewendeten, nach
Norden und Westen durch hohe Bergketten geschützten Land-
schaften geniessen des mildesten Klimas; nach Siebold hätte
Yeddo einen kühleren Sommer und wärmeren Winter als das drei
Grad südlicher gelegene Naṅgasaki. Der Siro-yama — Weisse
Berg — an der Westküste von Nippon soll bei einer Erhebung von
sieben- bis achttausend Fuss ewigen Schnee zeigen, während der
viel höhere Fusi-yama an der Ostküste oft Monate lang fast

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[62/0082] Klima. VII. sollen zwar fortgeführt werden, soweit das hinterlassene Material es gestattet, doch ist mit Wichura ein reicher Schatz persönlicher Anschauungen und Wahrnehmungen begraben worden, der sich nicht ersetzen lässt. Er allein war fähig ein lebendiges Bild des japani- schen Gewächsreiches und seiner vielfältigen Benutzung zu zeichnen. Der Verfasser, welchen dieser Gegenstand immer lebhaft interessirt hat, muss sich hier auf eine Darstellung in allgemeinen Zügen beschränken, welchen neben Wichura’s persönlichen Mittheilungen auch die Angaben anderer Naturforscher verschmolzen sind, soweit sie zuverlässig und bemerkenswerth schienen. Im einleitenden Abschnitt wurde schon angedeutet, dass das Klima der japanischen Inseln der Entwickelung einer üppigen und mannichfaltigen Vegetation sehr günstig ist. Der östliche Continent von Asien leidet unter den Extremen von Hitze und Kälte. Peking, unter 39° 54′ Polhöhe, der Breite von Toledo und Menorca, hat den Winter von Upsala und den Sommer von Kaïro. Die Hitze steigt im Juli auf 34° R. im Schatten und sinkt in der Nacht kaum unter 28°; die Luft ist dann so trocken, dass kein Hygrometer mehr spricht, und vibrirt auf den erwärmten Gefilden wie über einem Backofen; im November bedecken sich Flüsse und Seen mit fussdickem Eise und thauen erst im März wieder auf. Glühende Wüstenwinde streichen im Mai und Juni vom Innern her über die Küstengegend und hüllen selbst Schiffe auf der See viele Meilen weit hinaus in dicken Staub. — Japans Gestade dagegen werden im Sommer von frischen Seewinden gekühlt, im Winter aber von den warmen Aequatorialströmungen des Stillen Oceans gleichsam geheizt. In Yeddo, das unter 35° 38′ n. Br., ungefähr wie Malta liegt, ist der Winter kurz und milde, es friert und schneit im November, December und Januar zuweilen, aber niemals anhaltend; im Juli und August soll die Hitze nur selten auf 27° R. im Schatten steigen. Die süd- lichen und östlichen dem Stillen Ocean zugewendeten, nach Norden und Westen durch hohe Bergketten geschützten Land- schaften geniessen des mildesten Klimas; nach Siebold hätte Yeddo einen kühleren Sommer und wärmeren Winter als das drei Grad südlicher gelegene Naṅgasaki. Der Siro-yama — Weisse Berg — an der Westküste von Nippon soll bei einer Erhebung von sieben- bis achttausend Fuss ewigen Schnee zeigen, während der viel höhere Fusi-yama an der Ostküste oft Monate lang fast

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/82>, abgerufen am 28.04.2024.