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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Eventualitäten. VI.
eine Auslegung welcher die japanischen Minister früher niemals
entgegengetreten waren. -- Der niederländische General-Consul
Herr de Witt in Nangasaki, welchen Graf Eulenburg von der Lage
der Dinge in Kenntniss gesetzt hatte, richtete eine energische Note
an die japanischen Minister, worin er sie zur Erfüllung ihrer Ver-
bindlichkeiten antrieb und zugleich auseinandersetzte, dass es als
ein Akt des Misstrauens gegen Japan hätte erscheinn müssen, wenn
seine Regierung die ihr gemachten Zusagen nicht veröffentlicht
hätte; dass die preussische Regierung in Folge derselben eine Ge-
sandtschaft abgeschickt habe, dass die Ehre und Würde des Reiches
die baldige Erfüllung der von den Mächten des Westens für auf-
richtig gehaltenen Versprechungen fordere, und dass seine Regierung
den Abschluss des preussischen Vertrages in Gemässheit der ihr
gegebenen Zusagen erwarte. Diese vom 23. October aus Desima
datirte Note traf zu Anfang November in Yeddo ein und hat
vielleicht zu der günstigeren Wendung beigetragen, welche die
Angelegenheiten bald darauf nahmen.

Der englische Gesandte sowohl als die Vertreter von Frank-
reich
und Amerika hatten im Laufe des October Conferenzen mit
Ando-Tsus-sima-no-kami, in welchen von japanischer Seite vor-
züglich der Wunsch zur Sprache gebracht wurde, die Eröffnung
der Häfen Neagata, Osaka und Yeddo auf einige Jahre hinauszu-
schieben. Neagata oder im Falle von dessen Unzweckmässigkeit
ein anderer Hafen an der Westküste von Nippon sollte schon am
1. Januar 1861 freigegeben werden, doch waren noch von keiner
Seite Schritte dazu geschehen und nicht einmal die Küstengewässer
gehörig vermessen worden. Yeddo sollte nach den Verträgen am
1. Januar 1862, Osaka und Fiogo 23) an der Südküste von Nippon zu
Neujahr 1863 frei gegeben werden, aber die Regierung des Taikun
sah nach den gemachten Erfahrungen der Eröffnung dieser Handels-

23) Fiogo ist der Hafen von Osaka, welches letztere einige Meilen den Fluss hinauf
liegt und der bedeutendste Geldplatz von Japan ist. Auch die Hauptstadt Yeddo,
der Mittelpunct des Productenhandels, kann wegen ihrer schlechten Rhede kaum als
Hafenplatz gelten und es ist für sie sowohl als für Osaka von den vertragschlies-
senden Diplomaten mehr ein kaufmännischer als ein Schiffahrtsverkehr in Aussicht
genommen worden. Das Aus- und Einladen europäischer Handelsschiffe würde
in Yeddo die grössten Schwierigkeiten machen, und man kann annehmen, dass
Yokuhama auch nach Eröffnung von Yeddo für den Fremdenverkehr dessen Hafen-
station bleiben wird; ebenso Fiogo für Osaka, das an einem zwar grossen, aber
seichten und nur für Boote schiffbaren Flusse liegt.

Eventualitäten. VI.
eine Auslegung welcher die japanischen Minister früher niemals
entgegengetreten waren. — Der niederländische General-Consul
Herr de Witt in Naṅgasaki, welchen Graf Eulenburg von der Lage
der Dinge in Kenntniss gesetzt hatte, richtete eine energische Note
an die japanischen Minister, worin er sie zur Erfüllung ihrer Ver-
bindlichkeiten antrieb und zugleich auseinandersetzte, dass es als
ein Akt des Misstrauens gegen Japan hätte erscheinn müssen, wenn
seine Regierung die ihr gemachten Zusagen nicht veröffentlicht
hätte; dass die preussische Regierung in Folge derselben eine Ge-
sandtschaft abgeschickt habe, dass die Ehre und Würde des Reiches
die baldige Erfüllung der von den Mächten des Westens für auf-
richtig gehaltenen Versprechungen fordere, und dass seine Regierung
den Abschluss des preussischen Vertrages in Gemässheit der ihr
gegebenen Zusagen erwarte. Diese vom 23. October aus Desima
datirte Note traf zu Anfang November in Yeddo ein und hat
vielleicht zu der günstigeren Wendung beigetragen, welche die
Angelegenheiten bald darauf nahmen.

Der englische Gesandte sowohl als die Vertreter von Frank-
reich
und Amerika hatten im Laufe des October Conferenzen mit
Ando-Tsus-sima-no-kami, in welchen von japanischer Seite vor-
züglich der Wunsch zur Sprache gebracht wurde, die Eröffnung
der Häfen Neagata, Osaka und Yeddo auf einige Jahre hinauszu-
schieben. Neagata oder im Falle von dessen Unzweckmässigkeit
ein anderer Hafen an der Westküste von Nippon sollte schon am
1. Januar 1861 freigegeben werden, doch waren noch von keiner
Seite Schritte dazu geschehen und nicht einmal die Küstengewässer
gehörig vermessen worden. Yeddo sollte nach den Verträgen am
1. Januar 1862, Osaka und Fiogo 23) an der Südküste von Nippon zu
Neujahr 1863 frei gegeben werden, aber die Regierung des Taïkūn
sah nach den gemachten Erfahrungen der Eröffnung dieser Handels-

23) Fiogo ist der Hafen von Osaka, welches letztere einige Meilen den Fluss hinauf
liegt und der bedeutendste Geldplatz von Japan ist. Auch die Hauptstadt Yeddo,
der Mittelpunct des Productenhandels, kann wegen ihrer schlechten Rhede kaum als
Hafenplatz gelten und es ist für sie sowohl als für Osaka von den vertragschlies-
senden Diplomaten mehr ein kaufmännischer als ein Schiffahrtsverkehr in Aussicht
genommen worden. Das Aus- und Einladen europäischer Handelsschiffe würde
in Yeddo die grössten Schwierigkeiten machen, und man kann annehmen, dass
Yokuhama auch nach Eröffnung von Yeddo für den Fremdenverkehr dessen Hafen-
station bleiben wird; ebenso Fiogo für Osaka, das an einem zwar grossen, aber
seichten und nur für Boote schiffbaren Flusse liegt.
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[56/0076] Eventualitäten. VI. eine Auslegung welcher die japanischen Minister früher niemals entgegengetreten waren. — Der niederländische General-Consul Herr de Witt in Naṅgasaki, welchen Graf Eulenburg von der Lage der Dinge in Kenntniss gesetzt hatte, richtete eine energische Note an die japanischen Minister, worin er sie zur Erfüllung ihrer Ver- bindlichkeiten antrieb und zugleich auseinandersetzte, dass es als ein Akt des Misstrauens gegen Japan hätte erscheinn müssen, wenn seine Regierung die ihr gemachten Zusagen nicht veröffentlicht hätte; dass die preussische Regierung in Folge derselben eine Ge- sandtschaft abgeschickt habe, dass die Ehre und Würde des Reiches die baldige Erfüllung der von den Mächten des Westens für auf- richtig gehaltenen Versprechungen fordere, und dass seine Regierung den Abschluss des preussischen Vertrages in Gemässheit der ihr gegebenen Zusagen erwarte. Diese vom 23. October aus Desima datirte Note traf zu Anfang November in Yeddo ein und hat vielleicht zu der günstigeren Wendung beigetragen, welche die Angelegenheiten bald darauf nahmen. Der englische Gesandte sowohl als die Vertreter von Frank- reich und Amerika hatten im Laufe des October Conferenzen mit Ando-Tsus-sima-no-kami, in welchen von japanischer Seite vor- züglich der Wunsch zur Sprache gebracht wurde, die Eröffnung der Häfen Neagata, Osaka und Yeddo auf einige Jahre hinauszu- schieben. Neagata oder im Falle von dessen Unzweckmässigkeit ein anderer Hafen an der Westküste von Nippon sollte schon am 1. Januar 1861 freigegeben werden, doch waren noch von keiner Seite Schritte dazu geschehen und nicht einmal die Küstengewässer gehörig vermessen worden. Yeddo sollte nach den Verträgen am 1. Januar 1862, Osaka und Fiogo 23) an der Südküste von Nippon zu Neujahr 1863 frei gegeben werden, aber die Regierung des Taïkūn sah nach den gemachten Erfahrungen der Eröffnung dieser Handels- 23) Fiogo ist der Hafen von Osaka, welches letztere einige Meilen den Fluss hinauf liegt und der bedeutendste Geldplatz von Japan ist. Auch die Hauptstadt Yeddo, der Mittelpunct des Productenhandels, kann wegen ihrer schlechten Rhede kaum als Hafenplatz gelten und es ist für sie sowohl als für Osaka von den vertragschlies- senden Diplomaten mehr ein kaufmännischer als ein Schiffahrtsverkehr in Aussicht genommen worden. Das Aus- und Einladen europäischer Handelsschiffe würde in Yeddo die grössten Schwierigkeiten machen, und man kann annehmen, dass Yokuhama auch nach Eröffnung von Yeddo für den Fremdenverkehr dessen Hafen- station bleiben wird; ebenso Fiogo für Osaka, das an einem zwar grossen, aber seichten und nur für Boote schiffbaren Flusse liegt.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/76>, abgerufen am 28.04.2024.