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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Die japanische Gottesverehrung. VI.
die Gruft gesenkt. -- In früheren Zeiten soll es üblich gewesen
sein die Todten zu verbrennen. Nach älterem Sinto-Brauch wurde
die Leiche im Sarge auf dem Begräbnissplatz unter einfachem Stroh-
dach von den trauernden Verwandten so lange bewacht, bis das
Grabmal nach Stand und Würde fertig war und die feierliche Bei-
setzung erfolgen konnte. Man gab dem Verstorbenen seine Rüstung,
Waffen und Kostbarkeiten mit in die Gruft.

Bitt- und Bussfeste werden gefeiert an den Jahrestagen der
Sterbefälle und anderer Familienereignisse, oder auf Anordnung der
Obrigkeit bei wichtigen Staatsbegebenheiten.

Fast sämmtliche japanische Feste und Festgebräuche stammen
aus dem Sinto-Cultus; nur wenige sind rein buddistischen Ursprungs.
Die Lehren des Confucius und Siaka sollen auf die Gestaltung der
Volksfeste einen wesentlichen Einfluss geübt haben, doch tragen
auch diese zu bezeichnende Merkmale des alten Kami-Dienstes, um
diesem Cultus nicht zugeeignet zu bleiben. -- Die Reisenden der
preussischen Expedition waren selbstverständlich bei ihrem kurzen
Aufenthalt und ihrer Unkenntniss der Landessprache nicht in der
Lage, viel neue und zuverlässige Aufschlüsse über das Verhältniss
des Kami-Dienstes zum Buddismus zu gewinnen, doch möge dem
Verfasser gestattet sein, hier die durch eigene Beobachtung erläu-
terten Früchte seiner Bücherstudien über diesen Gegenstand in kurzem
mitzutheilen.

Der Buddismus ist seit Verbannung des Christenthumes er-
klärte Staatsreligion, zu der sich, wenigstens äusserlich, alle Japaner
bekennen müssen. Als Graf Eulenburg die mit ihm verkehrenden
Bunyo's nach ihrem Bekenntniss fragte, antworteten sie ausweichend,
dass sie "als Buddisten begraben würden". Sie gehörten unzweifel-
haft, wie die gebildeten Stände fast durchweg, der philosophischen
Secte Syuto an, deren Lehren sich auf die schon im Anfange unserer
Zeitrechnung in Japan eingeführten Schriften des Confucius gründen
und nicht eigentlich eine Religion zu nennen sind. Ihnen gilt die
Ausbildung des sittlichen Principes im Menschen als das Höchste;
die Frage nach dem geistigen Wesen der Gottheit, welche Con-
fucius
selbst hartnäckig von sich abgewiesen zu haben scheint, bleibt
unerledigt. Das Körperliche, Unvollkommene, Vergängliche, steht
im Gegensatz zu dem Geistigen, Vollkommenen, Ewigen, dessen
Keim in jeden Menschen gelegt ist, mit der Pflicht, ihn aus eigener
Kraft zu nähren und auszubilden. Staat und Familie sind unmittelbare

Die japanische Gottesverehrung. VI.
die Gruft gesenkt. — In früheren Zeiten soll es üblich gewesen
sein die Todten zu verbrennen. Nach älterem Sinto-Brauch wurde
die Leiche im Sarge auf dem Begräbnissplatz unter einfachem Stroh-
dach von den trauernden Verwandten so lange bewacht, bis das
Grabmal nach Stand und Würde fertig war und die feierliche Bei-
setzung erfolgen konnte. Man gab dem Verstorbenen seine Rüstung,
Waffen und Kostbarkeiten mit in die Gruft.

Bitt- und Bussfeste werden gefeiert an den Jahrestagen der
Sterbefälle und anderer Familienereignisse, oder auf Anordnung der
Obrigkeit bei wichtigen Staatsbegebenheiten.

Fast sämmtliche japanische Feste und Festgebräuche stammen
aus dem Sinto-Cultus; nur wenige sind rein buddistischen Ursprungs.
Die Lehren des Confucius und Siaka sollen auf die Gestaltung der
Volksfeste einen wesentlichen Einfluss geübt haben, doch tragen
auch diese zu bezeichnende Merkmale des alten Kami-Dienstes, um
diesem Cultus nicht zugeeignet zu bleiben. — Die Reisenden der
preussischen Expedition waren selbstverständlich bei ihrem kurzen
Aufenthalt und ihrer Unkenntniss der Landessprache nicht in der
Lage, viel neue und zuverlässige Aufschlüsse über das Verhältniss
des Kami-Dienstes zum Buddismus zu gewinnen, doch möge dem
Verfasser gestattet sein, hier die durch eigene Beobachtung erläu-
terten Früchte seiner Bücherstudien über diesen Gegenstand in kurzem
mitzutheilen.

Der Buddismus ist seit Verbannung des Christenthumes er-
klärte Staatsreligion, zu der sich, wenigstens äusserlich, alle Japaner
bekennen müssen. Als Graf Eulenburg die mit ihm verkehrenden
Bunyo’s nach ihrem Bekenntniss fragte, antworteten sie ausweichend,
dass sie »als Buddisten begraben würden«. Sie gehörten unzweifel-
haft, wie die gebildeten Stände fast durchweg, der philosophischen
Secte Syuto an, deren Lehren sich auf die schon im Anfange unserer
Zeitrechnung in Japan eingeführten Schriften des Confucius gründen
und nicht eigentlich eine Religion zu nennen sind. Ihnen gilt die
Ausbildung des sittlichen Principes im Menschen als das Höchste;
die Frage nach dem geistigen Wesen der Gottheit, welche Con-
fucius
selbst hartnäckig von sich abgewiesen zu haben scheint, bleibt
unerledigt. Das Körperliche, Unvollkommene, Vergängliche, steht
im Gegensatz zu dem Geistigen, Vollkommenen, Ewigen, dessen
Keim in jeden Menschen gelegt ist, mit der Pflicht, ihn aus eigener
Kraft zu nähren und auszubilden. Staat und Familie sind unmittelbare

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[24/0044] Die japanische Gottesverehrung. VI. die Gruft gesenkt. — In früheren Zeiten soll es üblich gewesen sein die Todten zu verbrennen. Nach älterem Sinto-Brauch wurde die Leiche im Sarge auf dem Begräbnissplatz unter einfachem Stroh- dach von den trauernden Verwandten so lange bewacht, bis das Grabmal nach Stand und Würde fertig war und die feierliche Bei- setzung erfolgen konnte. Man gab dem Verstorbenen seine Rüstung, Waffen und Kostbarkeiten mit in die Gruft. Bitt- und Bussfeste werden gefeiert an den Jahrestagen der Sterbefälle und anderer Familienereignisse, oder auf Anordnung der Obrigkeit bei wichtigen Staatsbegebenheiten. Fast sämmtliche japanische Feste und Festgebräuche stammen aus dem Sinto-Cultus; nur wenige sind rein buddistischen Ursprungs. Die Lehren des Confucius und Siaka sollen auf die Gestaltung der Volksfeste einen wesentlichen Einfluss geübt haben, doch tragen auch diese zu bezeichnende Merkmale des alten Kami-Dienstes, um diesem Cultus nicht zugeeignet zu bleiben. — Die Reisenden der preussischen Expedition waren selbstverständlich bei ihrem kurzen Aufenthalt und ihrer Unkenntniss der Landessprache nicht in der Lage, viel neue und zuverlässige Aufschlüsse über das Verhältniss des Kami-Dienstes zum Buddismus zu gewinnen, doch möge dem Verfasser gestattet sein, hier die durch eigene Beobachtung erläu- terten Früchte seiner Bücherstudien über diesen Gegenstand in kurzem mitzutheilen. Der Buddismus ist seit Verbannung des Christenthumes er- klärte Staatsreligion, zu der sich, wenigstens äusserlich, alle Japaner bekennen müssen. Als Graf Eulenburg die mit ihm verkehrenden Bunyo’s nach ihrem Bekenntniss fragte, antworteten sie ausweichend, dass sie »als Buddisten begraben würden«. Sie gehörten unzweifel- haft, wie die gebildeten Stände fast durchweg, der philosophischen Secte Syuto an, deren Lehren sich auf die schon im Anfange unserer Zeitrechnung in Japan eingeführten Schriften des Confucius gründen und nicht eigentlich eine Religion zu nennen sind. Ihnen gilt die Ausbildung des sittlichen Principes im Menschen als das Höchste; die Frage nach dem geistigen Wesen der Gottheit, welche Con- fucius selbst hartnäckig von sich abgewiesen zu haben scheint, bleibt unerledigt. Das Körperliche, Unvollkommene, Vergängliche, steht im Gegensatz zu dem Geistigen, Vollkommenen, Ewigen, dessen Keim in jeden Menschen gelegt ist, mit der Pflicht, ihn aus eigener Kraft zu nähren und auszubilden. Staat und Familie sind unmittelbare

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/44>, abgerufen am 26.04.2024.