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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Operationen gegen Lonin-Banden. Anh. II.
Anfang meiner Regierung zu erneuern denken, jede Hoff-
nung des Erfolges aufgeben. Wenn ich vor dem ganzen
Reich erklärte, dass ich gegen die Fremden bin, würden
dadurch die Schwierigkeiten gelöst? Wenn Diejenigen, die
sich weise dünken, das glauben, so irren sie; eine solche
Versicherung würde nur die Geister noch mehr erregen,
ohne den Fremden das Schwert aus der Hand zu nehmen.

Theilt dieses in den Wohnungen aller Daimio's aus,
damit es sofort an die Besitzer geschickt werde. Den
fünften Tag des sechsten Monats (29. Juli).

Dieses Manifest und die darauf folgenden Maassregeln geben
Aufschluss über die Lage. Seit der ersten Reise des Taikun erhielt
die Parthei Mito im Reichsrath grossen Einfluss, vermochte aber die
gewaltsame Vertreibung der Fremden, den Krieg nicht durchzusetzen.
Der Minister Ongasavara und alle die Erhaltung der Verträge wün-
schenden Würdenträger waren vom Staatsruder entfernt, die Ver-
treibung der Fremden beschlossen, doch hatte diejenige Parthei noch
das Uebergewicht, welche eine friedliche Lösung dieser Frage
anstrebte. Mit der zweiten Reise des Taikun erlangt Ftutsbasi,
der Prinz von Mito eine unabhängige Machtstellung im Herzen des
Landes; er zieht Schaaren fanatischer Lonine an sich und lässt von
der bergigen Landschaft Yamatto, dem urältesten Sitz der japani-
schen Herrschaft aus, durch Mordbanden die Bevölkerung des
Kuanto bis in die Vorstädte von Yeddo hinein terrorisiren. Mit
ihrer Hülfe soll der Taikun Jye-motsi beseitigt werden. Ein viel-
leicht gefälschter Befehl des Mikado zur sofortigen Vertreibung der
Fremden muss zum Vorwande dienen, der Gewalt den Anschein des
Rechtes geben; aber der Anschlag misslingt, Jye-motsi behält die
Oberhand. -- Die Regierung schien sich nun zu kräftigem Handeln
ermannen zu wollen. Sie schickte eine Heeresmacht in die Berge
von Yamatto, welche die Lonine in mehreren Treffen schlug und
ihre Banden zerstreute, liess viele in Yeddo gefangene öffentlich hin-
richten und stellte für den Augenblick die bürgerliche Ordnung
wieder her. Die Taikun-Herrschaft blieb bei aller Schwäche immer
die einzige Macht, welche einen Rest von Haltung und An-
sehn besass; sie hatte dem Drängen nach Gewaltsamkeit kräftig
widerstanden, die Lonine unterdrückt, und musste schon deshalb
von den Fremden gestützt werden. Als ihr gefährlichster Gegner
galt der Fürst von Nangato; es schien jetzt also doppelt wünschens-

Operationen gegen Lonin-Banden. Anh. II.
Anfang meiner Regierung zu erneuern denken, jede Hoff-
nung des Erfolges aufgeben. Wenn ich vor dem ganzen
Reich erklärte, dass ich gegen die Fremden bin, würden
dadurch die Schwierigkeiten gelöst? Wenn Diejenigen, die
sich weise dünken, das glauben, so irren sie; eine solche
Versicherung würde nur die Geister noch mehr erregen,
ohne den Fremden das Schwert aus der Hand zu nehmen.

Theilt dieses in den Wohnungen aller Daïmio’s aus,
damit es sofort an die Besitzer geschickt werde. Den
fünften Tag des sechsten Monats (29. Juli).

Dieses Manifest und die darauf folgenden Maassregeln geben
Aufschluss über die Lage. Seit der ersten Reise des Taïkūn erhielt
die Parthei Mito im Reichsrath grossen Einfluss, vermochte aber die
gewaltsame Vertreibung der Fremden, den Krieg nicht durchzusetzen.
Der Minister Ongasavara und alle die Erhaltung der Verträge wün-
schenden Würdenträger waren vom Staatsruder entfernt, die Ver-
treibung der Fremden beschlossen, doch hatte diejenige Parthei noch
das Uebergewicht, welche eine friedliche Lösung dieser Frage
anstrebte. Mit der zweiten Reise des Taïkūn erlangt Ftutsbaši,
der Prinz von Mito eine unabhängige Machtstellung im Herzen des
Landes; er zieht Schaaren fanatischer Lonine an sich und lässt von
der bergigen Landschaft Yamatto, dem urältesten Sitz der japani-
schen Herrschaft aus, durch Mordbanden die Bevölkerung des
Kuanto bis in die Vorstädte von Yeddo hinein terrorisiren. Mit
ihrer Hülfe soll der Taïkūn Jye-motsi beseitigt werden. Ein viel-
leicht gefälschter Befehl des Mikado zur sofortigen Vertreibung der
Fremden muss zum Vorwande dienen, der Gewalt den Anschein des
Rechtes geben; aber der Anschlag misslingt, Jye-motsi behält die
Oberhand. — Die Regierung schien sich nun zu kräftigem Handeln
ermannen zu wollen. Sie schickte eine Heeresmacht in die Berge
von Yamatto, welche die Lonine in mehreren Treffen schlug und
ihre Banden zerstreute, liess viele in Yeddo gefangene öffentlich hin-
richten und stellte für den Augenblick die bürgerliche Ordnung
wieder her. Die Taïkūn-Herrschaft blieb bei aller Schwäche immer
die einzige Macht, welche einen Rest von Haltung und An-
sehn besass; sie hatte dem Drängen nach Gewaltsamkeit kräftig
widerstanden, die Lonine unterdrückt, und musste schon deshalb
von den Fremden gestützt werden. Als ihr gefährlichster Gegner
galt der Fürst von Naṅgato; es schien jetzt also doppelt wünschens-

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[332/0352] Operationen gegen Lonin-Banden. Anh. II. Anfang meiner Regierung zu erneuern denken, jede Hoff- nung des Erfolges aufgeben. Wenn ich vor dem ganzen Reich erklärte, dass ich gegen die Fremden bin, würden dadurch die Schwierigkeiten gelöst? Wenn Diejenigen, die sich weise dünken, das glauben, so irren sie; eine solche Versicherung würde nur die Geister noch mehr erregen, ohne den Fremden das Schwert aus der Hand zu nehmen. Theilt dieses in den Wohnungen aller Daïmio’s aus, damit es sofort an die Besitzer geschickt werde. Den fünften Tag des sechsten Monats (29. Juli). Dieses Manifest und die darauf folgenden Maassregeln geben Aufschluss über die Lage. Seit der ersten Reise des Taïkūn erhielt die Parthei Mito im Reichsrath grossen Einfluss, vermochte aber die gewaltsame Vertreibung der Fremden, den Krieg nicht durchzusetzen. Der Minister Ongasavara und alle die Erhaltung der Verträge wün- schenden Würdenträger waren vom Staatsruder entfernt, die Ver- treibung der Fremden beschlossen, doch hatte diejenige Parthei noch das Uebergewicht, welche eine friedliche Lösung dieser Frage anstrebte. Mit der zweiten Reise des Taïkūn erlangt Ftutsbaši, der Prinz von Mito eine unabhängige Machtstellung im Herzen des Landes; er zieht Schaaren fanatischer Lonine an sich und lässt von der bergigen Landschaft Yamatto, dem urältesten Sitz der japani- schen Herrschaft aus, durch Mordbanden die Bevölkerung des Kuanto bis in die Vorstädte von Yeddo hinein terrorisiren. Mit ihrer Hülfe soll der Taïkūn Jye-motsi beseitigt werden. Ein viel- leicht gefälschter Befehl des Mikado zur sofortigen Vertreibung der Fremden muss zum Vorwande dienen, der Gewalt den Anschein des Rechtes geben; aber der Anschlag misslingt, Jye-motsi behält die Oberhand. — Die Regierung schien sich nun zu kräftigem Handeln ermannen zu wollen. Sie schickte eine Heeresmacht in die Berge von Yamatto, welche die Lonine in mehreren Treffen schlug und ihre Banden zerstreute, liess viele in Yeddo gefangene öffentlich hin- richten und stellte für den Augenblick die bürgerliche Ordnung wieder her. Die Taïkūn-Herrschaft blieb bei aller Schwäche immer die einzige Macht, welche einen Rest von Haltung und An- sehn besass; sie hatte dem Drängen nach Gewaltsamkeit kräftig widerstanden, die Lonine unterdrückt, und musste schon deshalb von den Fremden gestützt werden. Als ihr gefährlichster Gegner galt der Fürst von Naṅgato; es schien jetzt also doppelt wünschens-

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/352>, abgerufen am 22.05.2024.