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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Anh. II. Der schweizerische Vertrag.
bei uns heute noch sehr Wenige selbst aus den gebildeten Ständen
einen Begriff von der Ausdehnung und Wichtigkeit des überseeischen
Handels ihres Heimathlandes haben, lebt in Holland und England
das Bewusstsein davon in Jedermann. Dort hat fast jede Familie
ihre Freunde und Verwandten über dem Meere; man geht und
kommt. Viele haben einen Theil ihres Lebens in den fernen Be-
sitzungen zugebracht, und kehren periodisch dahin zurück, wie man
auf das Land geht. Die Verbindung ist regelmässig und beständig.
Was in Batavia geschieht, berührt den Holländer näher, als was
sich in Brüssel ereignet. Man geht nach Borneo, aber man reist
nach Deutschland. Preussens Stellung ist dagegen bis jetzt nur
eine europäische gewesen; es musste alle seine Kräfte auf die
innere Ausbildung concentriren, um durch Qualität zu ersetzen,
was ihm an Ausdehnung fehlte. Das hat denn auch gute Früchte
getragen. Der gesunde Körper ist zu einer Reife gediehen, die sich
fühlt und zum Schaffen berufen ist. Deutschlands neue Gestaltung
muss auch seinem Weltverkehr grössere Ausdehnung geben; es
wird unter dem Schutze der wachsenden Flotte seiner Cultur in
fernen Ländern die Wege bahnen, gebend und empfangend zu
eigenem und fremdem Nutzen seine Kräfte brauchen.

Bald nach Auswechselung der preussisch-japanischen Ratifi-
cationen erfolgte -- am 6. März 1864 -- die Unterzeichnung des
schweizerischen Vertrages, welcher mit dem preussischen, nach
Eliminirung aller auf die Schiffahrt bezüglichen Artikel, genau über-
einstimmt. Der schweizerische Regierungscommissar war schon im
Frühjahr 1863 auf einem holländischen Kriegsschiff in Yokuhama
angelangt, stiess aber, -- obgleich die Schweiz den schwierigsten
Punct, Schiffahrtsrechte garnicht beanspruchte, obgleich ihr Vertrag
nur so lange bestehen kann als die Kriegsschiffe der seefahrenden
Nationen die ihrigen aufrecht halten, obgleich die Diplomaten der
befreundeten Mächte ihn nachdrücklich unterstützten, -- lange Zeit
auf unüberwindlich scheinende Schwierigkeiten und hatte grosse
Mühe die schliessliche Unterzeichnung durchzusetzen.


Anh. II. Der schweizerische Vertrag.
bei uns heute noch sehr Wenige selbst aus den gebildeten Ständen
einen Begriff von der Ausdehnung und Wichtigkeit des überseeischen
Handels ihres Heimathlandes haben, lebt in Holland und England
das Bewusstsein davon in Jedermann. Dort hat fast jede Familie
ihre Freunde und Verwandten über dem Meere; man geht und
kommt. Viele haben einen Theil ihres Lebens in den fernen Be-
sitzungen zugebracht, und kehren periodisch dahin zurück, wie man
auf das Land geht. Die Verbindung ist regelmässig und beständig.
Was in Batavia geschieht, berührt den Holländer näher, als was
sich in Brüssel ereignet. Man geht nach Borneo, aber man reist
nach Deutschland. Preussens Stellung ist dagegen bis jetzt nur
eine europäische gewesen; es musste alle seine Kräfte auf die
innere Ausbildung concentriren, um durch Qualität zu ersetzen,
was ihm an Ausdehnung fehlte. Das hat denn auch gute Früchte
getragen. Der gesunde Körper ist zu einer Reife gediehen, die sich
fühlt und zum Schaffen berufen ist. Deutschlands neue Gestaltung
muss auch seinem Weltverkehr grössere Ausdehnung geben; es
wird unter dem Schutze der wachsenden Flotte seiner Cultur in
fernen Ländern die Wege bahnen, gebend und empfangend zu
eigenem und fremdem Nutzen seine Kräfte brauchen.

Bald nach Auswechselung der preussisch-japanischen Ratifi-
cationen erfolgte — am 6. März 1864 — die Unterzeichnung des
schweizerischen Vertrages, welcher mit dem preussischen, nach
Eliminirung aller auf die Schiffahrt bezüglichen Artikel, genau über-
einstimmt. Der schweizerische Regierungscommissar war schon im
Frühjahr 1863 auf einem holländischen Kriegsschiff in Yokuhama
angelangt, stiess aber, — obgleich die Schweiz den schwierigsten
Punct, Schiffahrtsrechte garnicht beanspruchte, obgleich ihr Vertrag
nur so lange bestehen kann als die Kriegsschiffe der seefahrenden
Nationen die ihrigen aufrecht halten, obgleich die Diplomaten der
befreundeten Mächte ihn nachdrücklich unterstützten, — lange Zeit
auf unüberwindlich scheinende Schwierigkeiten und hatte grosse
Mühe die schliessliche Unterzeichnung durchzusetzen.


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[325/0345] Anh. II. Der schweizerische Vertrag. bei uns heute noch sehr Wenige selbst aus den gebildeten Ständen einen Begriff von der Ausdehnung und Wichtigkeit des überseeischen Handels ihres Heimathlandes haben, lebt in Holland und England das Bewusstsein davon in Jedermann. Dort hat fast jede Familie ihre Freunde und Verwandten über dem Meere; man geht und kommt. Viele haben einen Theil ihres Lebens in den fernen Be- sitzungen zugebracht, und kehren periodisch dahin zurück, wie man auf das Land geht. Die Verbindung ist regelmässig und beständig. Was in Batavia geschieht, berührt den Holländer näher, als was sich in Brüssel ereignet. Man geht nach Borneo, aber man reist nach Deutschland. Preussens Stellung ist dagegen bis jetzt nur eine europäische gewesen; es musste alle seine Kräfte auf die innere Ausbildung concentriren, um durch Qualität zu ersetzen, was ihm an Ausdehnung fehlte. Das hat denn auch gute Früchte getragen. Der gesunde Körper ist zu einer Reife gediehen, die sich fühlt und zum Schaffen berufen ist. Deutschlands neue Gestaltung muss auch seinem Weltverkehr grössere Ausdehnung geben; es wird unter dem Schutze der wachsenden Flotte seiner Cultur in fernen Ländern die Wege bahnen, gebend und empfangend zu eigenem und fremdem Nutzen seine Kräfte brauchen. Bald nach Auswechselung der preussisch-japanischen Ratifi- cationen erfolgte — am 6. März 1864 — die Unterzeichnung des schweizerischen Vertrages, welcher mit dem preussischen, nach Eliminirung aller auf die Schiffahrt bezüglichen Artikel, genau über- einstimmt. Der schweizerische Regierungscommissar war schon im Frühjahr 1863 auf einem holländischen Kriegsschiff in Yokuhama angelangt, stiess aber, — obgleich die Schweiz den schwierigsten Punct, Schiffahrtsrechte garnicht beanspruchte, obgleich ihr Vertrag nur so lange bestehen kann als die Kriegsschiffe der seefahrenden Nationen die ihrigen aufrecht halten, obgleich die Diplomaten der befreundeten Mächte ihn nachdrücklich unterstützten, — lange Zeit auf unüberwindlich scheinende Schwierigkeiten und hatte grosse Mühe die schliessliche Unterzeichnung durchzusetzen.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/345>, abgerufen am 21.05.2024.