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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Die Gazelle vor Yokuhama. Anh. II.
Verstärkungen hoffen, mussten sich daher auf allgemein gehaltene
Remonstrationen beschränken. Der Reichsrath schickte dann von
Zeit zu Zeit einen Bunyo nach Yokuhama, mit Freundschafts-
versicherungen und dem Versprechen einer besseren Zukunft, doch
merkte man deutlich, dass es nur Form war. Herr von Bellecourt
erliess, um ein freundschaftliches Verhältniss anzubahnen, schon
bei Gelegenheit des Ministerwechsels ein Schreiben an den Reichs-
rath, worin er an die Verträge mahnte und auf Erschliessung der
Strasse von Simonoseki drang, erhielt aber nur ausweichende,
nichtssagende Phrasen zurück: der Taikun beschäftige sich lebhaft
mit Regelung der Vertragsfragen, könne aber bei der herrschenden
feindseligen Stimmung nur langsam vorgehen; er beabsichtige auch
den Fürsten von Nangato zu strafen, müsse aber behutsam auf-
treten, weil Jener der Liebling des Mikado sei. -- Irgend welche
Auskunft über die politischen Vorgänge in Miako während der An-
wesenheit des Taikun zu erlangen gelang den Diplomaten niemals.
Sicher aber suchten die Partheien sich dort mit List und Gewalt
zu überflügeln, und der Hof des Erbkaisers war auf das Engste in
die Intriguen verstrickt.

Anfang August war Seiner Majestät Corvette Gazelle mit
dem königlichen General-Consul für China, Herrn von Rehfues an
Bord, vor Yokuhama eingetroffen. Admiral Jaures, unter dessen
Oberbefehl damals die Vertheidigungsanstalten der Niederlassung
standen, sprach sogleich den Wunsch aus, dass die preussische
Schiffsmannschaft sich an dem Dienste betheiligen möchte. Der
Commandant, Capitän z. S. von Bothwell, ging bereitwillig auf die-
sen Vorschlag ein und schiffte nebst zwei Bootsgeschützen hundert
Matrosen und Seesoldaten aus, welche in dem Waarenmagazin eines
preussischen Kaufmannes einquartiert wurden. Die befehligenden
Officiere und Cadetten bezogen das Haus des preussischen Vice-
Consuls zu Shanghai, Herrn Probst, der es zur freien Verfügung
des General-Consuls gestellt hatte; sie verständigten sich über die
gemeinsamen Schutzmaassregeln mit dem französischen Obercom-
mandanten und besetzten einen besonders exponirten Theil der
Niederlassung, zu dessen Bewachung es bisher an Mannschaft
gefehlt hatte. Die Diplomaten und Schiffscommandanten waren
unausgesetzt auf die Sicherheit der Ansiedler bedacht, während
diese sich nach der Indemnitätszahlung bald wieder der alten
Sorglosigkeit überlissen. Sie wurden zuweilen durch Gerüchte von

Die Gazelle vor Yokuhama. Anh. II.
Verstärkungen hoffen, mussten sich daher auf allgemein gehaltene
Remonstrationen beschränken. Der Reichsrath schickte dann von
Zeit zu Zeit einen Bunyo nach Yokuhama, mit Freundschafts-
versicherungen und dem Versprechen einer besseren Zukunft, doch
merkte man deutlich, dass es nur Form war. Herr von Bellecourt
erliess, um ein freundschaftliches Verhältniss anzubahnen, schon
bei Gelegenheit des Ministerwechsels ein Schreiben an den Reichs-
rath, worin er an die Verträge mahnte und auf Erschliessung der
Strasse von Simonoseki drang, erhielt aber nur ausweichende,
nichtssagende Phrasen zurück: der Taïkūn beschäftige sich lebhaft
mit Regelung der Vertragsfragen, könne aber bei der herrschenden
feindseligen Stimmung nur langsam vorgehen; er beabsichtige auch
den Fürsten von Naṅgato zu strafen, müsse aber behutsam auf-
treten, weil Jener der Liebling des Mikado sei. — Irgend welche
Auskunft über die politischen Vorgänge in Miako während der An-
wesenheit des Taïkūn zu erlangen gelang den Diplomaten niemals.
Sicher aber suchten die Partheien sich dort mit List und Gewalt
zu überflügeln, und der Hof des Erbkaisers war auf das Engste in
die Intriguen verstrickt.

Anfang August war Seiner Majestät Corvette Gazelle mit
dem königlichen General-Consul für China, Herrn von Rehfues an
Bord, vor Yokuhama eingetroffen. Admiral Jaurès, unter dessen
Oberbefehl damals die Vertheidigungsanstalten der Niederlassung
standen, sprach sogleich den Wunsch aus, dass die preussische
Schiffsmannschaft sich an dem Dienste betheiligen möchte. Der
Commandant, Capitän z. S. von Bothwell, ging bereitwillig auf die-
sen Vorschlag ein und schiffte nebst zwei Bootsgeschützen hundert
Matrosen und Seesoldaten aus, welche in dem Waarenmagazin eines
preussischen Kaufmannes einquartiert wurden. Die befehligenden
Officiere und Cadetten bezogen das Haus des preussischen Vice-
Consuls zu Shanghai, Herrn Probst, der es zur freien Verfügung
des General-Consuls gestellt hatte; sie verständigten sich über die
gemeinsamen Schutzmaassregeln mit dem französischen Obercom-
mandanten und besetzten einen besonders exponirten Theil der
Niederlassung, zu dessen Bewachung es bisher an Mannschaft
gefehlt hatte. Die Diplomaten und Schiffscommandanten waren
unausgesetzt auf die Sicherheit der Ansiedler bedacht, während
diese sich nach der Indemnitätszahlung bald wieder der alten
Sorglosigkeit überlissen. Sie wurden zuweilen durch Gerüchte von

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[308/0328] Die Gazelle vor Yokuhama. Anh. II. Verstärkungen hoffen, mussten sich daher auf allgemein gehaltene Remonstrationen beschränken. Der Reichsrath schickte dann von Zeit zu Zeit einen Bunyo nach Yokuhama, mit Freundschafts- versicherungen und dem Versprechen einer besseren Zukunft, doch merkte man deutlich, dass es nur Form war. Herr von Bellecourt erliess, um ein freundschaftliches Verhältniss anzubahnen, schon bei Gelegenheit des Ministerwechsels ein Schreiben an den Reichs- rath, worin er an die Verträge mahnte und auf Erschliessung der Strasse von Simonoseki drang, erhielt aber nur ausweichende, nichtssagende Phrasen zurück: der Taïkūn beschäftige sich lebhaft mit Regelung der Vertragsfragen, könne aber bei der herrschenden feindseligen Stimmung nur langsam vorgehen; er beabsichtige auch den Fürsten von Naṅgato zu strafen, müsse aber behutsam auf- treten, weil Jener der Liebling des Mikado sei. — Irgend welche Auskunft über die politischen Vorgänge in Miako während der An- wesenheit des Taïkūn zu erlangen gelang den Diplomaten niemals. Sicher aber suchten die Partheien sich dort mit List und Gewalt zu überflügeln, und der Hof des Erbkaisers war auf das Engste in die Intriguen verstrickt. Anfang August war Seiner Majestät Corvette Gazelle mit dem königlichen General-Consul für China, Herrn von Rehfues an Bord, vor Yokuhama eingetroffen. Admiral Jaurès, unter dessen Oberbefehl damals die Vertheidigungsanstalten der Niederlassung standen, sprach sogleich den Wunsch aus, dass die preussische Schiffsmannschaft sich an dem Dienste betheiligen möchte. Der Commandant, Capitän z. S. von Bothwell, ging bereitwillig auf die- sen Vorschlag ein und schiffte nebst zwei Bootsgeschützen hundert Matrosen und Seesoldaten aus, welche in dem Waarenmagazin eines preussischen Kaufmannes einquartiert wurden. Die befehligenden Officiere und Cadetten bezogen das Haus des preussischen Vice- Consuls zu Shanghai, Herrn Probst, der es zur freien Verfügung des General-Consuls gestellt hatte; sie verständigten sich über die gemeinsamen Schutzmaassregeln mit dem französischen Obercom- mandanten und besetzten einen besonders exponirten Theil der Niederlassung, zu dessen Bewachung es bisher an Mannschaft gefehlt hatte. Die Diplomaten und Schiffscommandanten waren unausgesetzt auf die Sicherheit der Ansiedler bedacht, während diese sich nach der Indemnitätszahlung bald wieder der alten Sorglosigkeit überlissen. Sie wurden zuweilen durch Gerüchte von

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/328>, abgerufen am 21.05.2024.