Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Anh. II. Das Verfahren des englischen Geschäftsträgers.
muss es dem Urtheil des Lesers überlassen, ob es eine bestimmte,
geschweige kategorische Ablehnung der Forderungen enthält. Herr
Neale findet Inhalt und Haltung desselben höhnisch und verletzend.
Abgerechnet die japanische Fremdartigkeit des Ausdrucks scheint
es dem Verfasser so eingehend und verständig, als sich mit der
Würde und der Lehnspflicht des Fürsten vertrug. Spricht keine
demüthige Furcht, keine kriechende Nachgiebigkeit daraus, so kann
man die Satsumaner, der verderbendrohenden Schlachtreihe des
Feindes gegenüber, dafür nur höher achten. Mangelnde Servilität für
Insolenz zu nehmen ist Charakterschwäche. Unzweifelhaft bot das
Schreiben Anknüpfungspuncte für weitere Unterhandlungen; wenn
diese nicht zu ehrenvollem Ziele führten, so lag der Fall wenig-
stens klar.

Der englische Geschäftsträger gründet seine Rechtfertigung
darauf, dass die Japaner zuerst geschossen hätten. -- Er beauf-
tragt den Admiral schriftlich, Gewalt anzuwenden, und dieser nimmt
drei Dampfer fort. Wie wenig man auf solche Antwort vorbereitet
war, beweist der Umstand, dass der erste Schuss nicht gleich
nach diesem Friedensbruche fiel. Man sandte einen Boten um Ver-
haltungsbefehle an den Fürsten 15), der Gewalt mit Gewalt zu ver-
treiben gebot. Eröffnet wurden die Feindseligkeiten durch die
Wegführung der Dampfer. Wenn die Engländer als Zeichen ihrer
Friedfertigkeit anführen, dass die Kanonen des Euryalus bei Er-
öffnung des Feuers durch die Japaner nicht geladen waren, so
möchte man das als eine sonderbare Verblendung des Befehlshabers
ansehen, welcher dermaassen auf den imposanten Eindruck seines
Geschwaders rechnete, dass er den Gegner ungestraft plündern
zu dürfen glaubte. -- Stand die politische Ehre auf dem Spiel, so
wurde sie durch die Wegnahme der Dampfer nicht gewahrt. Ihr
"Prestige" aber -- jenen Ruf unüberwindlicher Furchtbarkeit, den
die Engländer als Mittel der Herrschaft in Asien mit Recht so hoch
halten, -- retteten sie in diesem Falle gewiss nicht. So tüchtig die
Nation, so traurig ist zuweilen ihre Vertretung im Auslande.



15) Nach einer Mittheilung der Gesandten Satsuma's an den Geschäftsträger.
II. 20

Anh. II. Das Verfahren des englischen Geschäftsträgers.
muss es dem Urtheil des Lesers überlassen, ob es eine bestimmte,
geschweige kategorische Ablehnung der Forderungen enthält. Herr
Neale findet Inhalt und Haltung desselben höhnisch und verletzend.
Abgerechnet die japanische Fremdartigkeit des Ausdrucks scheint
es dem Verfasser so eingehend und verständig, als sich mit der
Würde und der Lehnspflicht des Fürsten vertrug. Spricht keine
demüthige Furcht, keine kriechende Nachgiebigkeit daraus, so kann
man die Satsumaner, der verderbendrohenden Schlachtreihe des
Feindes gegenüber, dafür nur höher achten. Mangelnde Servilität für
Insolenz zu nehmen ist Charakterschwäche. Unzweifelhaft bot das
Schreiben Anknüpfungspuncte für weitere Unterhandlungen; wenn
diese nicht zu ehrenvollem Ziele führten, so lag der Fall wenig-
stens klar.

Der englische Geschäftsträger gründet seine Rechtfertigung
darauf, dass die Japaner zuerst geschossen hätten. — Er beauf-
tragt den Admiral schriftlich, Gewalt anzuwenden, und dieser nimmt
drei Dampfer fort. Wie wenig man auf solche Antwort vorbereitet
war, beweist der Umstand, dass der erste Schuss nicht gleich
nach diesem Friedensbruche fiel. Man sandte einen Boten um Ver-
haltungsbefehle an den Fürsten 15), der Gewalt mit Gewalt zu ver-
treiben gebot. Eröffnet wurden die Feindseligkeiten durch die
Wegführung der Dampfer. Wenn die Engländer als Zeichen ihrer
Friedfertigkeit anführen, dass die Kanonen des Euryalus bei Er-
öffnung des Feuers durch die Japaner nicht geladen waren, so
möchte man das als eine sonderbare Verblendung des Befehlshabers
ansehen, welcher dermaassen auf den imposanten Eindruck seines
Geschwaders rechnete, dass er den Gegner ungestraft plündern
zu dürfen glaubte. — Stand die politische Ehre auf dem Spiel, so
wurde sie durch die Wegnahme der Dampfer nicht gewahrt. Ihr
»Prestige« aber — jenen Ruf unüberwindlicher Furchtbarkeit, den
die Engländer als Mittel der Herrschaft in Asien mit Recht so hoch
halten, — retteten sie in diesem Falle gewiss nicht. So tüchtig die
Nation, so traurig ist zuweilen ihre Vertretung im Auslande.



15) Nach einer Mittheilung der Gesandten Satsuma’s an den Geschäftsträger.
II. 20
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0325" n="305"/><fw place="top" type="header">Anh. II. Das Verfahren des englischen Geschäftsträgers.</fw><lb/>
muss es dem Urtheil des Lesers überlassen, ob es eine bestimmte,<lb/>
geschweige kategorische Ablehnung der Forderungen enthält. Herr<lb/><persName ref="nognd">Neale</persName> findet Inhalt und Haltung desselben höhnisch und verletzend.<lb/>
Abgerechnet die japanische Fremdartigkeit des Ausdrucks scheint<lb/>
es dem Verfasser so eingehend und verständig, als sich mit der<lb/>
Würde und der Lehnspflicht des Fürsten vertrug. Spricht keine<lb/>
demüthige Furcht, keine kriechende Nachgiebigkeit daraus, so kann<lb/>
man die <hi rendition="#k">Satsuma</hi>ner, der verderbendrohenden Schlachtreihe des<lb/>
Feindes gegenüber, dafür nur höher achten. Mangelnde Servilität für<lb/>
Insolenz zu nehmen ist Charakterschwäche. Unzweifelhaft bot das<lb/>
Schreiben Anknüpfungspuncte für weitere Unterhandlungen; wenn<lb/>
diese nicht zu ehrenvollem Ziele führten, so lag der Fall wenig-<lb/>
stens klar.</p><lb/>
          <p>Der englische Geschäftsträger gründet seine Rechtfertigung<lb/>
darauf, dass die Japaner <hi rendition="#g">zuerst geschossen</hi> hätten. &#x2014; Er beauf-<lb/>
tragt den Admiral schriftlich, Gewalt anzuwenden, und dieser nimmt<lb/>
drei Dampfer fort. Wie wenig man auf solche Antwort vorbereitet<lb/>
war, beweist der Umstand, dass der erste Schuss nicht <hi rendition="#g">gleich</hi><lb/>
nach diesem Friedensbruche fiel. Man sandte einen Boten um Ver-<lb/>
haltungsbefehle an den Fürsten <note place="foot" n="15)">Nach einer Mittheilung der Gesandten <persName ref="nognd"><hi rendition="#k">Satsuma</hi>&#x2019;s</persName> an den Geschäftsträger.</note>, der Gewalt mit Gewalt zu ver-<lb/>
treiben gebot. Eröffnet wurden die Feindseligkeiten durch die<lb/>
Wegführung der Dampfer. Wenn die Engländer als Zeichen ihrer<lb/>
Friedfertigkeit anführen, dass die Kanonen des Euryalus bei Er-<lb/>
öffnung des Feuers durch die Japaner nicht geladen waren, so<lb/>
möchte man das als eine sonderbare Verblendung des Befehlshabers<lb/>
ansehen, welcher dermaassen auf den imposanten Eindruck seines<lb/>
Geschwaders rechnete, dass er den Gegner ungestraft plündern<lb/>
zu dürfen glaubte. &#x2014; Stand die politische Ehre auf dem Spiel, so<lb/>
wurde sie durch die Wegnahme der Dampfer nicht gewahrt. Ihr<lb/>
»Prestige« aber &#x2014; jenen Ruf unüberwindlicher Furchtbarkeit, den<lb/>
die Engländer als Mittel der Herrschaft in <placeName>Asien</placeName> mit Recht so hoch<lb/>
halten, &#x2014; retteten sie in diesem Falle gewiss nicht. So tüchtig die<lb/>
Nation, so traurig ist zuweilen ihre Vertretung im Auslande.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="sig">II. 20</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0325] Anh. II. Das Verfahren des englischen Geschäftsträgers. muss es dem Urtheil des Lesers überlassen, ob es eine bestimmte, geschweige kategorische Ablehnung der Forderungen enthält. Herr Neale findet Inhalt und Haltung desselben höhnisch und verletzend. Abgerechnet die japanische Fremdartigkeit des Ausdrucks scheint es dem Verfasser so eingehend und verständig, als sich mit der Würde und der Lehnspflicht des Fürsten vertrug. Spricht keine demüthige Furcht, keine kriechende Nachgiebigkeit daraus, so kann man die Satsumaner, der verderbendrohenden Schlachtreihe des Feindes gegenüber, dafür nur höher achten. Mangelnde Servilität für Insolenz zu nehmen ist Charakterschwäche. Unzweifelhaft bot das Schreiben Anknüpfungspuncte für weitere Unterhandlungen; wenn diese nicht zu ehrenvollem Ziele führten, so lag der Fall wenig- stens klar. Der englische Geschäftsträger gründet seine Rechtfertigung darauf, dass die Japaner zuerst geschossen hätten. — Er beauf- tragt den Admiral schriftlich, Gewalt anzuwenden, und dieser nimmt drei Dampfer fort. Wie wenig man auf solche Antwort vorbereitet war, beweist der Umstand, dass der erste Schuss nicht gleich nach diesem Friedensbruche fiel. Man sandte einen Boten um Ver- haltungsbefehle an den Fürsten 15), der Gewalt mit Gewalt zu ver- treiben gebot. Eröffnet wurden die Feindseligkeiten durch die Wegführung der Dampfer. Wenn die Engländer als Zeichen ihrer Friedfertigkeit anführen, dass die Kanonen des Euryalus bei Er- öffnung des Feuers durch die Japaner nicht geladen waren, so möchte man das als eine sonderbare Verblendung des Befehlshabers ansehen, welcher dermaassen auf den imposanten Eindruck seines Geschwaders rechnete, dass er den Gegner ungestraft plündern zu dürfen glaubte. — Stand die politische Ehre auf dem Spiel, so wurde sie durch die Wegnahme der Dampfer nicht gewahrt. Ihr »Prestige« aber — jenen Ruf unüberwindlicher Furchtbarkeit, den die Engländer als Mittel der Herrschaft in Asien mit Recht so hoch halten, — retteten sie in diesem Falle gewiss nicht. So tüchtig die Nation, so traurig ist zuweilen ihre Vertretung im Auslande. 15) Nach einer Mittheilung der Gesandten Satsuma’s an den Geschäftsträger. II. 20

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/325
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/325>, abgerufen am 21.05.2024.