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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Takemoto's Eröffnungen. Unsicherheit. Anh. II.
aber den Sturz des Taikun zu Gunsten eines anderen Fürsten ver-
suchen. -- Takemoto soll Herrn Neale mündlich die geheime Zah-
lung des Geldes durch Anweisung auf die Zölle von Yokuhama an-
geboten und der Geschäftsträger diese Proposition angenommen
haben, ohne die anderen Puncte zu berühren; dies wäre ein starkes
Zugeständniss an die japanische Regierung gewesen, denn sie konnte
dann gegen ihre Unterthanen den Schein wahren, als ob sie wider-
standen und die Engländer keinen Angriff gewagt hätten. -- Die
Eröffnungen Takemoto's waren offenbar ein Gemisch von Trug und
Wahrheit. Auffallend ist vor allem die oft bewiesene Abneigung der
Regierung, die Landesfürsten als Feinde des Systemes und der
bestehenden Verträge zu nennen. Der Mikado und die Lonine wur-
den wieder und wieder in den Vordergrund gestellt, die Daimio's
dagegen, welche, die wirkliche Triebfeder der Bewegung, ganz
allein zu fürchten waren, der Aufmerksamkeit der Fremden entzogen,
aus Besorgniss dass diese deren politische Stellung erkennen und
in directe Verbindung mit ihnen treten möchten. Die Schwäche
und das wankende Ansehn der Regierung zeigten sich bei jeder
Gelegenheit. Ein englischer Consularbeamter, der nach Kanagava
hinübergefahren war, wurde dort auf der Strasse angesichts der
japanischen Wachen insultirt und mit der blanken Waffe bedroht;
er entging Thätlichkeiten nur durch den Respect, welchen sein
Revolver einflösste, während die an Zahl weit überlegenen Soldaten
den beiden Fanatikern nur gütlich zuredeten, ohne Hand an sie zu
legen. Die Bewohner von Yokuhama, welche die Ansiedlung auf
Befehl der Regierung verlassen und wieder bezogen hatten, erhielten
jetzt Geldentschädigung, die ansässigen Kaufleute je sechszig, Tage-
löhner und Dienstboten je sechs Itsibu. Man suchte Anhänger in
allen Volksschichten zu gewinnen.

Die Aussichten der Fremden verschlimmerten sich. Man hörte
aus Miako, dass der fremdenfreundliche Minister Matsdaira Sangakfu
entlassen und Prinz Ftutsbasi, der Sohn des verstorbenen Fürsten
von Mito durch den Einfluss des Mikado zum Vice-Siogun ernannt
worden sei. Dieser junge Fürst war es, welchen sein Vater 1858
auf den Thron zu erheben versuchte, als der jetzige Taikun ihn
unter dem Einfluss des Ikamo-no-kami überflügelte. Die Successions-
gesetze im Siogun-Hause scheinen noch complicirter zu sein, als im
einleitenden Abschnitt angegeben ist, müssen aber, da dem Verfasser
das erst neuerlichst vom Consul von Brandt aufgedeckte Material

Takemoto’s Eröffnungen. Unsicherheit. Anh. II.
aber den Sturz des Taïkūn zu Gunsten eines anderen Fürsten ver-
suchen. — Takemoto soll Herrn Neale mündlich die geheime Zah-
lung des Geldes durch Anweisung auf die Zölle von Yokuhama an-
geboten und der Geschäftsträger diese Proposition angenommen
haben, ohne die anderen Puncte zu berühren; dies wäre ein starkes
Zugeständniss an die japanische Regierung gewesen, denn sie konnte
dann gegen ihre Unterthanen den Schein wahren, als ob sie wider-
standen und die Engländer keinen Angriff gewagt hätten. — Die
Eröffnungen Takemoto’s waren offenbar ein Gemisch von Trug und
Wahrheit. Auffallend ist vor allem die oft bewiesene Abneigung der
Regierung, die Landesfürsten als Feinde des Systemes und der
bestehenden Verträge zu nennen. Der Mikado und die Lonine wur-
den wieder und wieder in den Vordergrund gestellt, die Daïmio’s
dagegen, welche, die wirkliche Triebfeder der Bewegung, ganz
allein zu fürchten waren, der Aufmerksamkeit der Fremden entzogen,
aus Besorgniss dass diese deren politische Stellung erkennen und
in directe Verbindung mit ihnen treten möchten. Die Schwäche
und das wankende Ansehn der Regierung zeigten sich bei jeder
Gelegenheit. Ein englischer Consularbeamter, der nach Kanagava
hinübergefahren war, wurde dort auf der Strasse angesichts der
japanischen Wachen insultirt und mit der blanken Waffe bedroht;
er entging Thätlichkeiten nur durch den Respect, welchen sein
Revolver einflösste, während die an Zahl weit überlegenen Soldaten
den beiden Fanatikern nur gütlich zuredeten, ohne Hand an sie zu
legen. Die Bewohner von Yokuhama, welche die Ansiedlung auf
Befehl der Regierung verlassen und wieder bezogen hatten, erhielten
jetzt Geldentschädigung, die ansässigen Kaufleute je sechszig, Tage-
löhner und Dienstboten je sechs Itsibu. Man suchte Anhänger in
allen Volksschichten zu gewinnen.

Die Aussichten der Fremden verschlimmerten sich. Man hörte
aus Miako, dass der fremdenfreundliche Minister Matsdaïra Sangakfu
entlassen und Prinz Ftutsbaši, der Sohn des verstorbenen Fürsten
von Mito durch den Einfluss des Mikado zum Vice-Siogun ernannt
worden sei. Dieser junge Fürst war es, welchen sein Vater 1858
auf den Thron zu erheben versuchte, als der jetzige Taïkūn ihn
unter dem Einfluss des Ikamo-no-kami überflügelte. Die Successions-
gesetze im Siogun-Hause scheinen noch complicirter zu sein, als im
einleitenden Abschnitt angegeben ist, müssen aber, da dem Verfasser
das erst neuerlichst vom Consul von Brandt aufgedeckte Material

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[282/0302] Takemoto’s Eröffnungen. Unsicherheit. Anh. II. aber den Sturz des Taïkūn zu Gunsten eines anderen Fürsten ver- suchen. — Takemoto soll Herrn Neale mündlich die geheime Zah- lung des Geldes durch Anweisung auf die Zölle von Yokuhama an- geboten und der Geschäftsträger diese Proposition angenommen haben, ohne die anderen Puncte zu berühren; dies wäre ein starkes Zugeständniss an die japanische Regierung gewesen, denn sie konnte dann gegen ihre Unterthanen den Schein wahren, als ob sie wider- standen und die Engländer keinen Angriff gewagt hätten. — Die Eröffnungen Takemoto’s waren offenbar ein Gemisch von Trug und Wahrheit. Auffallend ist vor allem die oft bewiesene Abneigung der Regierung, die Landesfürsten als Feinde des Systemes und der bestehenden Verträge zu nennen. Der Mikado und die Lonine wur- den wieder und wieder in den Vordergrund gestellt, die Daïmio’s dagegen, welche, die wirkliche Triebfeder der Bewegung, ganz allein zu fürchten waren, der Aufmerksamkeit der Fremden entzogen, aus Besorgniss dass diese deren politische Stellung erkennen und in directe Verbindung mit ihnen treten möchten. Die Schwäche und das wankende Ansehn der Regierung zeigten sich bei jeder Gelegenheit. Ein englischer Consularbeamter, der nach Kanagava hinübergefahren war, wurde dort auf der Strasse angesichts der japanischen Wachen insultirt und mit der blanken Waffe bedroht; er entging Thätlichkeiten nur durch den Respect, welchen sein Revolver einflösste, während die an Zahl weit überlegenen Soldaten den beiden Fanatikern nur gütlich zuredeten, ohne Hand an sie zu legen. Die Bewohner von Yokuhama, welche die Ansiedlung auf Befehl der Regierung verlassen und wieder bezogen hatten, erhielten jetzt Geldentschädigung, die ansässigen Kaufleute je sechszig, Tage- löhner und Dienstboten je sechs Itsibu. Man suchte Anhänger in allen Volksschichten zu gewinnen. Die Aussichten der Fremden verschlimmerten sich. Man hörte aus Miako, dass der fremdenfreundliche Minister Matsdaïra Sangakfu entlassen und Prinz Ftutsbaši, der Sohn des verstorbenen Fürsten von Mito durch den Einfluss des Mikado zum Vice-Siogun ernannt worden sei. Dieser junge Fürst war es, welchen sein Vater 1858 auf den Thron zu erheben versuchte, als der jetzige Taïkūn ihn unter dem Einfluss des Ikamo-no-kami überflügelte. Die Successions- gesetze im Siogun-Hause scheinen noch complicirter zu sein, als im einleitenden Abschnitt angegeben ist, müssen aber, da dem Verfasser das erst neuerlichst vom Consul von Brandt aufgedeckte Material

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/302>, abgerufen am 22.11.2024.