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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Anh. II. Benehmen der japanischen Regierung.
ermitteln lassen wird; denn im Zuge eines so grossen Herrn werden
immer mehrere seiner Beamten in Sänften getragen, und wenn die
Engländer sahen, dass der Wink von einer solchen ausging, woran
erkannten sie den Fürsten, den sie niemals gesehen? -- Die Auf-
regung der Ansiedler in Yokuhama war so gross, dass sie augen-
blickliche Rache verlangten und zu Admiral Kuper, dessen Flagg-
schiff Euryalus grade auf der Rhede lag, eine Deputation mit dem
Gesuche schickten, den Simadso, welcher mit seinem Gefolge für
die Nacht in Kavasaki eingekehrt war, durch seine Mannschaft
überfallen und aufheben zu lassen. Der Geschäftsträger legte
dagegen Verwahrung ein und verbat sich zur grossen Entrüstung
seiner Schutzbefohlenen jede Gewaltthat. Simadso erhielt von den
Absichten der Ansiedler auch Nachricht und brach noch um acht
Uhr Abends nach Yeddo auf.

Hier war also ein Fall, wo die Regierung sich nicht mit
Unkenntniss der Mörder entschuldigen konnte. Sie behauptete jedoch,
vom englischen Geschäftsträger zu deren Bestrafung aufgefordert,
dass Simadso sich schon wieder von Yeddo entfernt habe und die
nachträgliche Entdeckung der Thäter schwierig sei; der Fürst von
Satsuma würde sich jeder Untersuchung mit Gewalt widersetzen.
Sie fürchtete offenbar es mit einem so mächtigen Herrn zu verder-
ben, und zog vor ihre Schwäche zu gestehen, auf die Gefahr sich
der Rache der Fremden auszusetzen.

Die nachträgliche Aufzählung der auf Ausländer in Japan
gerichteten Mordanfälle erfüllt mit Schauder über die Masse des im
Laufe weniger Jahre dort geübten Verbrechens. Bedenkt man aber,
dass zwischen den einzelnen Attentaten immer mehrere Monate
liegen, lange Fristen in der lebendigen Gegenwart, so ist die Sorg-
losigkeit leicht zu begreifen, mit der die Fremden, die Gefahr immer
wieder vergessend, sich täglich blossstellten. Die Abschlachtung der
beiden englischen Schildwachen durch einen entschlossenen Mörder
beweist deutlich genug, dass auch die äusserste Wachsamkeit gegen
solche keinen Schutz bietet, und wer möchte im frischen, thätigen
Leben stündlich und unablässig auf seiner Hut sein? Dazu ge-
hört eine Concentrirung der Aufmerksamkeit auf einen Punct, welche
die Lebenskraft ermüdet, eine beständige Anspannung, wie sie
im Kriege vom Wachtposten nur auf wenige Stunden verlangt
wird. Das Leben ist nicht des Lebens werth, das man jede Minute
bewachen muss; die es versuchen, werden beim Mangel neuer Reizung

Anh. II. Benehmen der japanischen Regierung.
ermitteln lassen wird; denn im Zuge eines so grossen Herrn werden
immer mehrere seiner Beamten in Sänften getragen, und wenn die
Engländer sahen, dass der Wink von einer solchen ausging, woran
erkannten sie den Fürsten, den sie niemals gesehen? — Die Auf-
regung der Ansiedler in Yokuhama war so gross, dass sie augen-
blickliche Rache verlangten und zu Admiral Kuper, dessen Flagg-
schiff Euryalus grade auf der Rhede lag, eine Deputation mit dem
Gesuche schickten, den Šimadso, welcher mit seinem Gefolge für
die Nacht in Kavasaki eingekehrt war, durch seine Mannschaft
überfallen und aufheben zu lassen. Der Geschäftsträger legte
dagegen Verwahrung ein und verbat sich zur grossen Entrüstung
seiner Schutzbefohlenen jede Gewaltthat. Šimadso erhielt von den
Absichten der Ansiedler auch Nachricht und brach noch um acht
Uhr Abends nach Yeddo auf.

Hier war also ein Fall, wo die Regierung sich nicht mit
Unkenntniss der Mörder entschuldigen konnte. Sie behauptete jedoch,
vom englischen Geschäftsträger zu deren Bestrafung aufgefordert,
dass Šimadso sich schon wieder von Yeddo entfernt habe und die
nachträgliche Entdeckung der Thäter schwierig sei; der Fürst von
Satsuma würde sich jeder Untersuchung mit Gewalt widersetzen.
Sie fürchtete offenbar es mit einem so mächtigen Herrn zu verder-
ben, und zog vor ihre Schwäche zu gestehen, auf die Gefahr sich
der Rache der Fremden auszusetzen.

Die nachträgliche Aufzählung der auf Ausländer in Japan
gerichteten Mordanfälle erfüllt mit Schauder über die Masse des im
Laufe weniger Jahre dort geübten Verbrechens. Bedenkt man aber,
dass zwischen den einzelnen Attentaten immer mehrere Monate
liegen, lange Fristen in der lebendigen Gegenwart, so ist die Sorg-
losigkeit leicht zu begreifen, mit der die Fremden, die Gefahr immer
wieder vergessend, sich täglich blossstellten. Die Abschlachtung der
beiden englischen Schildwachen durch einen entschlossenen Mörder
beweist deutlich genug, dass auch die äusserste Wachsamkeit gegen
solche keinen Schutz bietet, und wer möchte im frischen, thätigen
Leben stündlich und unablässig auf seiner Hut sein? Dazu ge-
hört eine Concentrirung der Aufmerksamkeit auf einen Punct, welche
die Lebenskraft ermüdet, eine beständige Anspannung, wie sie
im Kriege vom Wachtposten nur auf wenige Stunden verlangt
wird. Das Leben ist nicht des Lebens werth, das man jede Minute
bewachen muss; die es versuchen, werden beim Mangel neuer Reizung

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[269/0289] Anh. II. Benehmen der japanischen Regierung. ermitteln lassen wird; denn im Zuge eines so grossen Herrn werden immer mehrere seiner Beamten in Sänften getragen, und wenn die Engländer sahen, dass der Wink von einer solchen ausging, woran erkannten sie den Fürsten, den sie niemals gesehen? — Die Auf- regung der Ansiedler in Yokuhama war so gross, dass sie augen- blickliche Rache verlangten und zu Admiral Kuper, dessen Flagg- schiff Euryalus grade auf der Rhede lag, eine Deputation mit dem Gesuche schickten, den Šimadso, welcher mit seinem Gefolge für die Nacht in Kavasaki eingekehrt war, durch seine Mannschaft überfallen und aufheben zu lassen. Der Geschäftsträger legte dagegen Verwahrung ein und verbat sich zur grossen Entrüstung seiner Schutzbefohlenen jede Gewaltthat. Šimadso erhielt von den Absichten der Ansiedler auch Nachricht und brach noch um acht Uhr Abends nach Yeddo auf. Hier war also ein Fall, wo die Regierung sich nicht mit Unkenntniss der Mörder entschuldigen konnte. Sie behauptete jedoch, vom englischen Geschäftsträger zu deren Bestrafung aufgefordert, dass Šimadso sich schon wieder von Yeddo entfernt habe und die nachträgliche Entdeckung der Thäter schwierig sei; der Fürst von Satsuma würde sich jeder Untersuchung mit Gewalt widersetzen. Sie fürchtete offenbar es mit einem so mächtigen Herrn zu verder- ben, und zog vor ihre Schwäche zu gestehen, auf die Gefahr sich der Rache der Fremden auszusetzen. Die nachträgliche Aufzählung der auf Ausländer in Japan gerichteten Mordanfälle erfüllt mit Schauder über die Masse des im Laufe weniger Jahre dort geübten Verbrechens. Bedenkt man aber, dass zwischen den einzelnen Attentaten immer mehrere Monate liegen, lange Fristen in der lebendigen Gegenwart, so ist die Sorg- losigkeit leicht zu begreifen, mit der die Fremden, die Gefahr immer wieder vergessend, sich täglich blossstellten. Die Abschlachtung der beiden englischen Schildwachen durch einen entschlossenen Mörder beweist deutlich genug, dass auch die äusserste Wachsamkeit gegen solche keinen Schutz bietet, und wer möchte im frischen, thätigen Leben stündlich und unablässig auf seiner Hut sein? Dazu ge- hört eine Concentrirung der Aufmerksamkeit auf einen Punct, welche die Lebenskraft ermüdet, eine beständige Anspannung, wie sie im Kriege vom Wachtposten nur auf wenige Stunden verlangt wird. Das Leben ist nicht des Lebens werth, das man jede Minute bewachen muss; die es versuchen, werden beim Mangel neuer Reizung

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/289>, abgerufen am 22.11.2024.