Lebenden abliefern, und, wenn unterwegs Einer gestorben war, die gültigsten Beweise, wo möglich den Leichnam produciren. Kämpfer behauptet sogar, die Japaner hätten die unterwegs ver- endeten Affen und Papageyen untersucht, "ob sie auch eines natür- lichen Todes gestorben wären."
Die Neigung, jedes einmal angenommene Princip bis zum Extrem aufrecht zu halten, liegt im Volkscharakter und erschwert wesentlich den Verkehr mit den Behörden; wir erlebten manches schlagende Beispiel davon. So zeigte Graf Eulenburg Anfang December dem Minister des Auswärtigen an, dass er den Re- gierungsrath Wichura nach Nangasaki zu Erforschung der dortigen Pflanzenwelt zu senden beabsichtige, erhielt aber zur Antwort, das könne, so lange kein Vertrag mit Preussen bestände, nicht erlaubt werden. Der Gesandte ignorirte dieses Schreiben, liess Wichura ruhig abreisen, und sagte dem Minister in der Conferenz vom 24. December davon. Ando Tsus-sima aber fasste die Sache sehr ernst auf und remonstrirte aus allen Kräften gegen diese "Ver- letzung der Landesgesetze"; in Yeddo und Yokuhama gehöre der Botaniker zum Gefolge des Gesandten; sein unabhängiger Aufenthalt in Nangasaki sei aber ungesetzlich, gleichviel ob er einen Tag oder ein Jahr dauere. -- Graf Eulenburg erklärte sich endlich bereit ihm ein Kriegsschiff nachzusenden, -- die Thetis sollte damals voraus- gehen, -- worauf sich der Minister beruhigte. Er wahrte hier übrigens sein Recht nur formell und liess Wichura in Nangasaki auf keine Weise belästigen.
Der schnelle Verfall des niederländischen Handels hatte seine Ursache wohl theils in der Demoralisation und maasslosen Gewinn- sucht der Agenten, vor allem aber in seinen unsoliden Grundlagen. Der Verkehr beruhte nicht auf einem beiderseitig vortheilhaften Austausch wirklicher Bedürfnisse, sondern grossentheils auf der Einfuhr solcher Luxus-Artikel, an welchen die japanischen Händler den grössten Gewinn machen konnten, und der Ausfuhr von Metallen. Von den übrigen Export-Artikeln hatte nur der Kampher Bedeutung; Porcelan, Lack und andere Manufacturen kommen verhältnissmässig kaum in Betracht; Seide wurde früher sogar aus China und Indien eingeführt. Ein Importhandel aber, der fast nur Luxus-Artikel begreift und sich dieselben baar bezahlen lässt, kann zwar zeitweise grossen Gewinn bringen, aber nie zu gesunder Entwickelung ge- deihen. Die Japaner merkten sehr wohl den Nachtheil in den sie
Consequenz der Japaner. XI.
Lebenden abliefern, und, wenn unterwegs Einer gestorben war, die gültigsten Beweise, wo möglich den Leichnam produciren. Kämpfer behauptet sogar, die Japaner hätten die unterwegs ver- endeten Affen und Papageyen untersucht, »ob sie auch eines natür- lichen Todes gestorben wären.«
Die Neigung, jedes einmal angenommene Princip bis zum Extrem aufrecht zu halten, liegt im Volkscharakter und erschwert wesentlich den Verkehr mit den Behörden; wir erlebten manches schlagende Beispiel davon. So zeigte Graf Eulenburg Anfang December dem Minister des Auswärtigen an, dass er den Re- gierungsrath Wichura nach Naṅgasaki zu Erforschung der dortigen Pflanzenwelt zu senden beabsichtige, erhielt aber zur Antwort, das könne, so lange kein Vertrag mit Preussen bestände, nicht erlaubt werden. Der Gesandte ignorirte dieses Schreiben, liess Wichura ruhig abreisen, und sagte dem Minister in der Conferenz vom 24. December davon. Ando Tsus-sima aber fasste die Sache sehr ernst auf und remonstrirte aus allen Kräften gegen diese »Ver- letzung der Landesgesetze«; in Yeddo und Yokuhama gehöre der Botaniker zum Gefolge des Gesandten; sein unabhängiger Aufenthalt in Naṅgasaki sei aber ungesetzlich, gleichviel ob er einen Tag oder ein Jahr dauere. — Graf Eulenburg erklärte sich endlich bereit ihm ein Kriegsschiff nachzusenden, — die Thetis sollte damals voraus- gehen, — worauf sich der Minister beruhigte. Er wahrte hier übrigens sein Recht nur formell und liess Wichura in Naṅgasaki auf keine Weise belästigen.
Der schnelle Verfall des niederländischen Handels hatte seine Ursache wohl theils in der Demoralisation und maasslosen Gewinn- sucht der Agenten, vor allem aber in seinen unsoliden Grundlagen. Der Verkehr beruhte nicht auf einem beiderseitig vortheilhaften Austausch wirklicher Bedürfnisse, sondern grossentheils auf der Einfuhr solcher Luxus-Artikel, an welchen die japanischen Händler den grössten Gewinn machen konnten, und der Ausfuhr von Metallen. Von den übrigen Export-Artikeln hatte nur der Kampher Bedeutung; Porcelan, Lack und andere Manufacturen kommen verhältnissmässig kaum in Betracht; Seide wurde früher sogar aus China und Indien eingeführt. Ein Importhandel aber, der fast nur Luxus-Artikel begreift und sich dieselben baar bezahlen lässt, kann zwar zeitweise grossen Gewinn bringen, aber nie zu gesunder Entwickelung ge- deihen. Die Japaner merkten sehr wohl den Nachtheil in den sie
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Consequenz der Japaner. XI.
Lebenden abliefern, und, wenn unterwegs Einer gestorben war,
die gültigsten Beweise, wo möglich den Leichnam produciren.
Kämpfer behauptet sogar, die Japaner hätten die unterwegs ver-
endeten Affen und Papageyen untersucht, »ob sie auch eines natür-
lichen Todes gestorben wären.«
Die Neigung, jedes einmal angenommene Princip bis zum
Extrem aufrecht zu halten, liegt im Volkscharakter und erschwert
wesentlich den Verkehr mit den Behörden; wir erlebten manches
schlagende Beispiel davon. So zeigte Graf Eulenburg Anfang
December dem Minister des Auswärtigen an, dass er den Re-
gierungsrath Wichura nach Naṅgasaki zu Erforschung der dortigen
Pflanzenwelt zu senden beabsichtige, erhielt aber zur Antwort,
das könne, so lange kein Vertrag mit Preussen bestände, nicht
erlaubt werden. Der Gesandte ignorirte dieses Schreiben, liess
Wichura ruhig abreisen, und sagte dem Minister in der Conferenz
vom 24. December davon. Ando Tsus-sima aber fasste die Sache
sehr ernst auf und remonstrirte aus allen Kräften gegen diese »Ver-
letzung der Landesgesetze«; in Yeddo und Yokuhama gehöre der
Botaniker zum Gefolge des Gesandten; sein unabhängiger Aufenthalt
in Naṅgasaki sei aber ungesetzlich, gleichviel ob er einen Tag oder
ein Jahr dauere. — Graf Eulenburg erklärte sich endlich bereit ihm
ein Kriegsschiff nachzusenden, — die Thetis sollte damals voraus-
gehen, — worauf sich der Minister beruhigte. Er wahrte hier
übrigens sein Recht nur formell und liess Wichura in Naṅgasaki
auf keine Weise belästigen.
Der schnelle Verfall des niederländischen Handels hatte seine
Ursache wohl theils in der Demoralisation und maasslosen Gewinn-
sucht der Agenten, vor allem aber in seinen unsoliden Grundlagen.
Der Verkehr beruhte nicht auf einem beiderseitig vortheilhaften
Austausch wirklicher Bedürfnisse, sondern grossentheils auf der
Einfuhr solcher Luxus-Artikel, an welchen die japanischen Händler
den grössten Gewinn machen konnten, und der Ausfuhr von Metallen.
Von den übrigen Export-Artikeln hatte nur der Kampher Bedeutung;
Porcelan, Lack und andere Manufacturen kommen verhältnissmässig
kaum in Betracht; Seide wurde früher sogar aus China und Indien
eingeführt. Ein Importhandel aber, der fast nur Luxus-Artikel
begreift und sich dieselben baar bezahlen lässt, kann zwar zeitweise
grossen Gewinn bringen, aber nie zu gesunder Entwickelung ge-
deihen. Die Japaner merkten sehr wohl den Nachtheil in den sie
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/232>, abgerufen am 25.06.2024.
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