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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Sturm. XI.
einfliessende warme Strom gewesen sein muss, beweist der Umstand,
dass man auf einer Strecke von zwanzig Seemeilen im Wasser einen
Temperatur-Unterschied von zehn Grad Reaumur bemerkte. -- Die
Brise wurde Nachmittags immer schwächer und starb gegen Sonnen-
untergang ganz fort; plötzlich wehte es wieder heftig und stoss-
weise bald aus dieser bald aus jener Himmelsgegend, so dass
beständig Segel gewechselt werden mussten und die Mannschaft
nicht von den Füssen kam. Unser Cours lag südlich zwischen der
Insel Oho-sima und Cap Idsu hindurch; der östliche Eingang des
Golfes zwischen Oho-sima und Cap King ist ein ganz unbekanntes
Gewässer, das nur von japanischen Dschunken befahren wird. Da
aber der Wind, nachdem er eine Weile mit gefährlicher Schnelligkeit
durch alle Puncte der Windrose gewandert war, zu heftigem
Südweststurm erstarkte, so war uns der gewöhnliche Weg verlegt.
An Rückzug konnte bei dem engen Eingang des inneren Golfes
und dem Mangel an Leuchtthürmen nicht gedacht werden, die
Nähe des Landes drohte überall Verderben, und die Schiffe mussten
sich in das ganz unbekannte Fahrwasser zwischen Oho-sima und
Cap King wenden, um, an den Wind gehend, während der Nacht
die hohe See zu gewinnen. Die Meerenge wimmelte von Dschunken,
die, vom schlechten Wetter überraschst, auf wohlbekannten Pfaden
die gastlichen Häfen suchten, während wir nur vom Lande frei zu
werden wünschten. Auszuweichen war in der Dunkelheit unmög-
lich, denn die Dschunken stecken niemals Lichter aus. Mehrere
sausten auf halbe Kabellänge an der Arkona vorüber und ver-
schwanden den nächsten Augenblick gespentisch in der schwarzen
brausenden Nacht; ein Wunder dass keine übergesegelt wurde. Der
Sturm pfiff und heulte im Takelwerk. Im Aufruhr der rasenden
Wogen, die kochend und schnaufend die ächzenden Schiffswände
bedrängten und sich tobend in leuchtendem Schaum über Bug und
Verdeck ergossen, in den schwarzen zerfetzt über die Fläche ge-
jagten Wolken stellte sich der lebhaften Phantasie leicht das Urbild
jenes Drachens dar, den die Japaner durch düsteres Gewölk und
schäumenden Meeresschwall daherfahrend abbilden. -- Es war eine
wilde Nacht und vielleicht die bedenklichste Lage in der die Schiffe
sich noch befunden hatten, denn niemand wusste, ob nicht ver-
derbenbringende Riffe die Meerenge durchsetzten, und den Cours
konnte man wegen der unbekannten und heftigen Strömungen nur
annähernd bestimmen. Anfangs diente noch die Vulcan-Insel als

Sturm. XI.
einfliessende warme Strom gewesen sein muss, beweist der Umstand,
dass man auf einer Strecke von zwanzig Seemeilen im Wasser einen
Temperatur-Unterschied von zehn Grad Réaumur bemerkte. — Die
Brise wurde Nachmittags immer schwächer und starb gegen Sonnen-
untergang ganz fort; plötzlich wehte es wieder heftig und stoss-
weise bald aus dieser bald aus jener Himmelsgegend, so dass
beständig Segel gewechselt werden mussten und die Mannschaft
nicht von den Füssen kam. Unser Cours lag südlich zwischen der
Insel Oho-sima und Cap Idsu hindurch; der östliche Eingang des
Golfes zwischen Oho-sima und Cap King ist ein ganz unbekanntes
Gewässer, das nur von japanischen Dschunken befahren wird. Da
aber der Wind, nachdem er eine Weile mit gefährlicher Schnelligkeit
durch alle Puncte der Windrose gewandert war, zu heftigem
Südweststurm erstarkte, so war uns der gewöhnliche Weg verlegt.
An Rückzug konnte bei dem engen Eingang des inneren Golfes
und dem Mangel an Leuchtthürmen nicht gedacht werden, die
Nähe des Landes drohte überall Verderben, und die Schiffe mussten
sich in das ganz unbekannte Fahrwasser zwischen Oho-sima und
Cap King wenden, um, an den Wind gehend, während der Nacht
die hohe See zu gewinnen. Die Meerenge wimmelte von Dschunken,
die, vom schlechten Wetter überraschst, auf wohlbekannten Pfaden
die gastlichen Häfen suchten, während wir nur vom Lande frei zu
werden wünschten. Auszuweichen war in der Dunkelheit unmög-
lich, denn die Dschunken stecken niemals Lichter aus. Mehrere
sausten auf halbe Kabellänge an der Arkona vorüber und ver-
schwanden den nächsten Augenblick gespentisch in der schwarzen
brausenden Nacht; ein Wunder dass keine übergesegelt wurde. Der
Sturm pfiff und heulte im Takelwerk. Im Aufruhr der rasenden
Wogen, die kochend und schnaufend die ächzenden Schiffswände
bedrängten und sich tobend in leuchtendem Schaum über Bug und
Verdeck ergossen, in den schwarzen zerfetzt über die Fläche ge-
jagten Wolken stellte sich der lebhaften Phantasie leicht das Urbild
jenes Drachens dar, den die Japaner durch düsteres Gewölk und
schäumenden Meeresschwall daherfahrend abbilden. — Es war eine
wilde Nacht und vielleicht die bedenklichste Lage in der die Schiffe
sich noch befunden hatten, denn niemand wusste, ob nicht ver-
derbenbringende Riffe die Meerenge durchsetzten, und den Cours
konnte man wegen der unbekannten und heftigen Strömungen nur
annähernd bestimmen. Anfangs diente noch die Vulcan-Insel als

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[180/0200] Sturm. XI. einfliessende warme Strom gewesen sein muss, beweist der Umstand, dass man auf einer Strecke von zwanzig Seemeilen im Wasser einen Temperatur-Unterschied von zehn Grad Réaumur bemerkte. — Die Brise wurde Nachmittags immer schwächer und starb gegen Sonnen- untergang ganz fort; plötzlich wehte es wieder heftig und stoss- weise bald aus dieser bald aus jener Himmelsgegend, so dass beständig Segel gewechselt werden mussten und die Mannschaft nicht von den Füssen kam. Unser Cours lag südlich zwischen der Insel Oho-sima und Cap Idsu hindurch; der östliche Eingang des Golfes zwischen Oho-sima und Cap King ist ein ganz unbekanntes Gewässer, das nur von japanischen Dschunken befahren wird. Da aber der Wind, nachdem er eine Weile mit gefährlicher Schnelligkeit durch alle Puncte der Windrose gewandert war, zu heftigem Südweststurm erstarkte, so war uns der gewöhnliche Weg verlegt. An Rückzug konnte bei dem engen Eingang des inneren Golfes und dem Mangel an Leuchtthürmen nicht gedacht werden, die Nähe des Landes drohte überall Verderben, und die Schiffe mussten sich in das ganz unbekannte Fahrwasser zwischen Oho-sima und Cap King wenden, um, an den Wind gehend, während der Nacht die hohe See zu gewinnen. Die Meerenge wimmelte von Dschunken, die, vom schlechten Wetter überraschst, auf wohlbekannten Pfaden die gastlichen Häfen suchten, während wir nur vom Lande frei zu werden wünschten. Auszuweichen war in der Dunkelheit unmög- lich, denn die Dschunken stecken niemals Lichter aus. Mehrere sausten auf halbe Kabellänge an der Arkona vorüber und ver- schwanden den nächsten Augenblick gespentisch in der schwarzen brausenden Nacht; ein Wunder dass keine übergesegelt wurde. Der Sturm pfiff und heulte im Takelwerk. Im Aufruhr der rasenden Wogen, die kochend und schnaufend die ächzenden Schiffswände bedrängten und sich tobend in leuchtendem Schaum über Bug und Verdeck ergossen, in den schwarzen zerfetzt über die Fläche ge- jagten Wolken stellte sich der lebhaften Phantasie leicht das Urbild jenes Drachens dar, den die Japaner durch düsteres Gewölk und schäumenden Meeresschwall daherfahrend abbilden. — Es war eine wilde Nacht und vielleicht die bedenklichste Lage in der die Schiffe sich noch befunden hatten, denn niemand wusste, ob nicht ver- derbenbringende Riffe die Meerenge durchsetzten, und den Cours konnte man wegen der unbekannten und heftigen Strömungen nur annähernd bestimmen. Anfangs diente noch die Vulcan-Insel als

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/200>, abgerufen am 25.11.2024.