[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.X. Aussichten des Weltverkehrs. sich nur da, wo Deutsche vereinzelt oder in geringer Anzahl unterfremden Nationen leben. Ueberall wo sie in zahlreicher Gesellschaft auftreten, üben sie einen grösseren, tieferen, mehr innerlichen Einfluss auf ihre Umgebung als irgend eine andere Nationalität. Grade die Fähigkeit sich Allem anzupassen beruft den Deutschen zur civilisa- torischen Thätigkeit; seine vorwiegende Charaktereigenschaft ist Humanität; er wird leichter als alle anderen Nationen seine Ueber- legenheit über uncivilisirte und farbige Racen vergessen, wird im fernsten Welttheile die Eingeborenen gern als Mitmenschen ansehen und sich ihnen verbrüdern. Diese unbewusste Menschlichkeit, welche in allen Classen unseres Volkes lebt und sonst den meisten schiffahrt- treibenden Nationen practisch mehr oder weniger fehlt, gibt dem Deutschen im Verkehr mit minder civilisirten Völkern ein grosses Uebergewicht über andere Ausländer. Ueberall wollen die Einge- borenen am liebsten mit Deutschen in Handelsverkehr treten, deutschen Schiffen ihre Person und ihre Waaren anvertrauen, weil sie wissen, dass sie menschlich und billig behandelt werden. Die deutschen Handelshäuser stehen in allen Ländern in der grössten Achtung; ihr Geschäftsverkehr ist in den letzten Jahrzehnten trotz dem mangelhaften Schutze mächtig gestiegen und wird schnell zur höchsten Blüthe gelangen, wenn ihre Unternehmungen durch Han- dels-Verträge erleichtert und durch Kriegsflotten bewacht werden. Der Handel aber bricht in der Ferne der Cultur ihre sicheren Bahnen und ist heute der beste Weg zur Colonisation. Nicht die Gold- gräber Californiens haben Schätze erworben und bleibenden Besitz gegründet, sondern diejenigen, welche ihnen die Lebensbedürfnisse und Genüsse schafften. Es wäre in unseren Tagen thöricht von jedem Culturvolke, sich in fernen Welttheilen die Wege durch Arbeitercolonieen bahnen zu wollen, seine Kräfte in Leistungen zu vergeuden, die geringere Begabung fordern. Die Ansiedeler gehen meist zu Grunde, die den Boden urbar machen, und der Fussbreit Landes den sie gewinnen ist des Opfers nicht werth, während der Handel in stätigem sicherem Fortschritt seine Netze über weite Län- derstrecken zieht, sich ausgebreiteten Völkerschaften nützlich und unentbehrlich macht und bald jedem Beruf, jeder Fähigkeit ihren angemessenen Wirkungskreis und sichere Erfolge bereitet. Nicht die Erwerbung überseeischer Gebiete fördert die Ausbreitung deut- scher Cultur über den Erdball, sondern die wirksamste Unterstützung des Handels durch unabhängige Vertreter und achtunggebietende X. Aussichten des Weltverkehrs. sich nur da, wo Deutsche vereinzelt oder in geringer Anzahl unterfremden Nationen leben. Ueberall wo sie in zahlreicher Gesellschaft auftreten, üben sie einen grösseren, tieferen, mehr innerlichen Einfluss auf ihre Umgebung als irgend eine andere Nationalität. Grade die Fähigkeit sich Allem anzupassen beruft den Deutschen zur civilisa- torischen Thätigkeit; seine vorwiegende Charaktereigenschaft ist Humanität; er wird leichter als alle anderen Nationen seine Ueber- legenheit über uncivilisirte und farbige Racen vergessen, wird im fernsten Welttheile die Eingeborenen gern als Mitmenschen ansehen und sich ihnen verbrüdern. Diese unbewusste Menschlichkeit, welche in allen Classen unseres Volkes lebt und sonst den meisten schiffahrt- treibenden Nationen practisch mehr oder weniger fehlt, gibt dem Deutschen im Verkehr mit minder civilisirten Völkern ein grosses Uebergewicht über andere Ausländer. Ueberall wollen die Einge- borenen am liebsten mit Deutschen in Handelsverkehr treten, deutschen Schiffen ihre Person und ihre Waaren anvertrauen, weil sie wissen, dass sie menschlich und billig behandelt werden. Die deutschen Handelshäuser stehen in allen Ländern in der grössten Achtung; ihr Geschäftsverkehr ist in den letzten Jahrzehnten trotz dem mangelhaften Schutze mächtig gestiegen und wird schnell zur höchsten Blüthe gelangen, wenn ihre Unternehmungen durch Han- dels-Verträge erleichtert und durch Kriegsflotten bewacht werden. Der Handel aber bricht in der Ferne der Cultur ihre sicheren Bahnen und ist heute der beste Weg zur Colonisation. Nicht die Gold- gräber Californiens haben Schätze erworben und bleibenden Besitz gegründet, sondern diejenigen, welche ihnen die Lebensbedürfnisse und Genüsse schafften. Es wäre in unseren Tagen thöricht von jedem Culturvolke, sich in fernen Welttheilen die Wege durch Arbeitercolonieen bahnen zu wollen, seine Kräfte in Leistungen zu vergeuden, die geringere Begabung fordern. Die Ansiedeler gehen meist zu Grunde, die den Boden urbar machen, und der Fussbreit Landes den sie gewinnen ist des Opfers nicht werth, während der Handel in stätigem sicherem Fortschritt seine Netze über weite Län- derstrecken zieht, sich ausgebreiteten Völkerschaften nützlich und unentbehrlich macht und bald jedem Beruf, jeder Fähigkeit ihren angemessenen Wirkungskreis und sichere Erfolge bereitet. Nicht die Erwerbung überseeischer Gebiete fördert die Ausbreitung deut- scher Cultur über den Erdball, sondern die wirksamste Unterstützung des Handels durch unabhängige Vertreter und achtunggebietende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0187" n="167"/><fw place="top" type="header">X. Aussichten des Weltverkehrs.</fw><lb/> sich nur da, wo Deutsche vereinzelt oder in geringer Anzahl unter<lb/> fremden Nationen leben. Ueberall wo sie in zahlreicher Gesellschaft<lb/> auftreten, üben sie einen grösseren, tieferen, mehr innerlichen Einfluss<lb/> auf ihre Umgebung als irgend eine andere Nationalität. Grade die<lb/> Fähigkeit sich Allem anzupassen beruft den Deutschen zur civilisa-<lb/> torischen Thätigkeit; seine vorwiegende Charaktereigenschaft ist<lb/> Humanität; er wird leichter als alle anderen Nationen seine Ueber-<lb/> legenheit über uncivilisirte und farbige Racen vergessen, wird im<lb/> fernsten Welttheile die Eingeborenen gern als Mitmenschen ansehen<lb/> und sich ihnen verbrüdern. Diese unbewusste Menschlichkeit, welche<lb/> in allen Classen unseres Volkes lebt und sonst den meisten schiffahrt-<lb/> treibenden Nationen <hi rendition="#g">practisch</hi> mehr oder weniger fehlt, gibt dem<lb/> Deutschen im Verkehr mit minder civilisirten Völkern ein grosses<lb/> Uebergewicht über andere Ausländer. Ueberall wollen die Einge-<lb/> borenen am liebsten mit <hi rendition="#g">Deutschen</hi> in Handelsverkehr treten,<lb/><hi rendition="#g">deutschen</hi> Schiffen ihre Person und ihre Waaren anvertrauen,<lb/> weil sie wissen, dass sie menschlich und billig behandelt werden.<lb/> Die deutschen Handelshäuser stehen in allen Ländern in der grössten<lb/> Achtung; ihr Geschäftsverkehr ist in den letzten Jahrzehnten trotz<lb/> dem mangelhaften Schutze mächtig gestiegen und wird schnell zur<lb/> höchsten Blüthe gelangen, wenn ihre Unternehmungen durch Han-<lb/> dels-Verträge erleichtert und durch Kriegsflotten bewacht werden.<lb/> Der Handel aber bricht in der Ferne der Cultur ihre sicheren Bahnen<lb/> und ist heute der beste Weg zur Colonisation. Nicht die Gold-<lb/> gräber <placeName>Californiens</placeName> haben Schätze erworben und bleibenden Besitz<lb/> gegründet, sondern diejenigen, welche ihnen die Lebensbedürfnisse<lb/> und Genüsse schafften. Es wäre in unseren Tagen thöricht von<lb/> jedem Culturvolke, sich in fernen Welttheilen die Wege durch<lb/> Arbeitercolonieen bahnen zu wollen, seine Kräfte in Leistungen zu<lb/> vergeuden, die geringere Begabung fordern. <hi rendition="#g">Die</hi> Ansiedeler gehen<lb/> meist zu Grunde, die den Boden urbar machen, und der Fussbreit<lb/> Landes den sie gewinnen ist des Opfers nicht werth, während der<lb/> Handel in stätigem sicherem Fortschritt seine Netze über weite Län-<lb/> derstrecken zieht, sich ausgebreiteten Völkerschaften nützlich und<lb/> unentbehrlich macht und bald jedem Beruf, jeder Fähigkeit ihren<lb/> angemessenen Wirkungskreis und sichere Erfolge bereitet. Nicht<lb/> die Erwerbung überseeischer Gebiete fördert die Ausbreitung deut-<lb/> scher Cultur über den Erdball, sondern die wirksamste Unterstützung<lb/> des Handels durch unabhängige Vertreter und achtunggebietende<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [167/0187]
X. Aussichten des Weltverkehrs.
sich nur da, wo Deutsche vereinzelt oder in geringer Anzahl unter
fremden Nationen leben. Ueberall wo sie in zahlreicher Gesellschaft
auftreten, üben sie einen grösseren, tieferen, mehr innerlichen Einfluss
auf ihre Umgebung als irgend eine andere Nationalität. Grade die
Fähigkeit sich Allem anzupassen beruft den Deutschen zur civilisa-
torischen Thätigkeit; seine vorwiegende Charaktereigenschaft ist
Humanität; er wird leichter als alle anderen Nationen seine Ueber-
legenheit über uncivilisirte und farbige Racen vergessen, wird im
fernsten Welttheile die Eingeborenen gern als Mitmenschen ansehen
und sich ihnen verbrüdern. Diese unbewusste Menschlichkeit, welche
in allen Classen unseres Volkes lebt und sonst den meisten schiffahrt-
treibenden Nationen practisch mehr oder weniger fehlt, gibt dem
Deutschen im Verkehr mit minder civilisirten Völkern ein grosses
Uebergewicht über andere Ausländer. Ueberall wollen die Einge-
borenen am liebsten mit Deutschen in Handelsverkehr treten,
deutschen Schiffen ihre Person und ihre Waaren anvertrauen,
weil sie wissen, dass sie menschlich und billig behandelt werden.
Die deutschen Handelshäuser stehen in allen Ländern in der grössten
Achtung; ihr Geschäftsverkehr ist in den letzten Jahrzehnten trotz
dem mangelhaften Schutze mächtig gestiegen und wird schnell zur
höchsten Blüthe gelangen, wenn ihre Unternehmungen durch Han-
dels-Verträge erleichtert und durch Kriegsflotten bewacht werden.
Der Handel aber bricht in der Ferne der Cultur ihre sicheren Bahnen
und ist heute der beste Weg zur Colonisation. Nicht die Gold-
gräber Californiens haben Schätze erworben und bleibenden Besitz
gegründet, sondern diejenigen, welche ihnen die Lebensbedürfnisse
und Genüsse schafften. Es wäre in unseren Tagen thöricht von
jedem Culturvolke, sich in fernen Welttheilen die Wege durch
Arbeitercolonieen bahnen zu wollen, seine Kräfte in Leistungen zu
vergeuden, die geringere Begabung fordern. Die Ansiedeler gehen
meist zu Grunde, die den Boden urbar machen, und der Fussbreit
Landes den sie gewinnen ist des Opfers nicht werth, während der
Handel in stätigem sicherem Fortschritt seine Netze über weite Län-
derstrecken zieht, sich ausgebreiteten Völkerschaften nützlich und
unentbehrlich macht und bald jedem Beruf, jeder Fähigkeit ihren
angemessenen Wirkungskreis und sichere Erfolge bereitet. Nicht
die Erwerbung überseeischer Gebiete fördert die Ausbreitung deut-
scher Cultur über den Erdball, sondern die wirksamste Unterstützung
des Handels durch unabhängige Vertreter und achtunggebietende
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |