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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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X. Feuer in Yokuhama.
der Gesellschaft. Wir waren niemals so freundschaftlich beisammen ge-
wesen; die aufrichtige Theilnahme der englischen und amerikanischen
Collegen gab sich in der liebenswürdigsten Heiterkeit kund. Nach
Tisch lockte das herrliche Wetter in das Freie; wir setzten uns,
unserer sechszehn, mit dem Gesandten zu Pferde und ritten, von
dreiundzwanzig Yakuninen geleitet, durch die Stadt und das Siro;
die Ausgelassenheit erreichte hier ihren höchsten Grad; die jüngeren
Reiter tummelten auf den breiten öden Strassen neben dem Schloss-
graben ihre Hengste gegeneinander und verübten die muthwilligsten
Streiche. -- Abends blieb Heusken allein noch bis gegen neun bei
uns; wir studirten englische Zeitungen, die damals voll waren von
dem italienischen Kriege. Heusken stiess dabei auf einen Schlacht-
bericht, wo der Tod eines jungen Generals erzählt wird, der siegend
im Hochgefühl voller Kraftentwickelung seine glänzende Laufbahn
endet; er war von dieser Erzählung sichtlich ergriffen und konnte
nicht aufhören die Glückseligkeit solchen Todes zu preisen. Die
Ausgelassenheit des Tages hatte bei Allen einer kleinen Abspannung
Platz gemacht; wir anderen lasen oder schwatzten sehr ruhig, und
der sonst so muntere Heusken kam uns ganz sentimental vor; seine
Stimmung an jenem Abende fiel Allen auf.

Die Bevölkerung von Yokuhama wurde an demselben Tage
in heftige Bestürzung versetzt. Im Pferdestall eines holländischen
Kaufmanns war Feuer ausgekommen, das bald auch das daran-
stossende Wohnhaus und Magazin ergriff; man erwartete nun das
grosse Gemetzel. Von der Arkona aus, welche um Wasser einzu-
nehmen auf einen Tag hinüber gegangen war, wurde die auf-
steigende Flamme bemerkt; da sich zugleich Flintenschüsse hören
liessen, so armirte Capitän Sundewall seine Boote und schickte
sie mit zahlreicher Mannschaft an das Land. Auf der Brandstätte
anlangend fanden unsere Seeleute den Gouverneur von Kanagava
in voller Rüstung, die Löschanstalten leitend; er gab bereitwillig
Aufklärung: die Schüsse rührten von einem Detachement Soldaten
her, das, im Feuer exercirend, in der Nähe inspicirt wurde. -- Von
den ansässigen Ausländern war niemand auf der Brandstätte; sie hielten
sich, einen Angriff fürchtend, in ihren Häusern. Das Feuer griff so
rasch um sich, dass wenig gerettet werden konnte, blieb aber auf das
eine Grundstück beschränkt. Unsere Mannschaften kamen nicht in
Thätigkeit und begegneten, an Bord zurückkehrend, den Booten des
Encounter und des Cachelot, die jetzt ebenfalls zu Hülfe eilten.

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X. Feuer in Yokuhama.
der Gesellschaft. Wir waren niemals so freundschaftlich beisammen ge-
wesen; die aufrichtige Theilnahme der englischen und amerikanischen
Collegen gab sich in der liebenswürdigsten Heiterkeit kund. Nach
Tisch lockte das herrliche Wetter in das Freie; wir setzten uns,
unserer sechszehn, mit dem Gesandten zu Pferde und ritten, von
dreiundzwanzig Yakuninen geleitet, durch die Stadt und das Siro;
die Ausgelassenheit erreichte hier ihren höchsten Grad; die jüngeren
Reiter tummelten auf den breiten öden Strassen neben dem Schloss-
graben ihre Hengste gegeneinander und verübten die muthwilligsten
Streiche. — Abends blieb Heusken allein noch bis gegen neun bei
uns; wir studirten englische Zeitungen, die damals voll waren von
dem italienischen Kriege. Heusken stiess dabei auf einen Schlacht-
bericht, wo der Tod eines jungen Generals erzählt wird, der siegend
im Hochgefühl voller Kraftentwickelung seine glänzende Laufbahn
endet; er war von dieser Erzählung sichtlich ergriffen und konnte
nicht aufhören die Glückseligkeit solchen Todes zu preisen. Die
Ausgelassenheit des Tages hatte bei Allen einer kleinen Abspannung
Platz gemacht; wir anderen lasen oder schwatzten sehr ruhig, und
der sonst so muntere Heusken kam uns ganz sentimental vor; seine
Stimmung an jenem Abende fiel Allen auf.

Die Bevölkerung von Yokuhama wurde an demselben Tage
in heftige Bestürzung versetzt. Im Pferdestall eines holländischen
Kaufmanns war Feuer ausgekommen, das bald auch das daran-
stossende Wohnhaus und Magazin ergriff; man erwartete nun das
grosse Gemetzel. Von der Arkona aus, welche um Wasser einzu-
nehmen auf einen Tag hinüber gegangen war, wurde die auf-
steigende Flamme bemerkt; da sich zugleich Flintenschüsse hören
liessen, so armirte Capitän Sundewall seine Boote und schickte
sie mit zahlreicher Mannschaft an das Land. Auf der Brandstätte
anlangend fanden unsere Seeleute den Gouverneur von Kanagava
in voller Rüstung, die Löschanstalten leitend; er gab bereitwillig
Aufklärung: die Schüsse rührten von einem Detachement Soldaten
her, das, im Feuer exercirend, in der Nähe inspicirt wurde. — Von
den ansässigen Ausländern war niemand auf der Brandstätte; sie hielten
sich, einen Angriff fürchtend, in ihren Häusern. Das Feuer griff so
rasch um sich, dass wenig gerettet werden konnte, blieb aber auf das
eine Grundstück beschränkt. Unsere Mannschaften kamen nicht in
Thätigkeit und begegneten, an Bord zurückkehrend, den Booten des
Encounter und des Cachelot, die jetzt ebenfalls zu Hülfe eilten.

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[147/0167] X. Feuer in Yokuhama. der Gesellschaft. Wir waren niemals so freundschaftlich beisammen ge- wesen; die aufrichtige Theilnahme der englischen und amerikanischen Collegen gab sich in der liebenswürdigsten Heiterkeit kund. Nach Tisch lockte das herrliche Wetter in das Freie; wir setzten uns, unserer sechszehn, mit dem Gesandten zu Pferde und ritten, von dreiundzwanzig Yakuninen geleitet, durch die Stadt und das Siro; die Ausgelassenheit erreichte hier ihren höchsten Grad; die jüngeren Reiter tummelten auf den breiten öden Strassen neben dem Schloss- graben ihre Hengste gegeneinander und verübten die muthwilligsten Streiche. — Abends blieb Heusken allein noch bis gegen neun bei uns; wir studirten englische Zeitungen, die damals voll waren von dem italienischen Kriege. Heusken stiess dabei auf einen Schlacht- bericht, wo der Tod eines jungen Generals erzählt wird, der siegend im Hochgefühl voller Kraftentwickelung seine glänzende Laufbahn endet; er war von dieser Erzählung sichtlich ergriffen und konnte nicht aufhören die Glückseligkeit solchen Todes zu preisen. Die Ausgelassenheit des Tages hatte bei Allen einer kleinen Abspannung Platz gemacht; wir anderen lasen oder schwatzten sehr ruhig, und der sonst so muntere Heusken kam uns ganz sentimental vor; seine Stimmung an jenem Abende fiel Allen auf. Die Bevölkerung von Yokuhama wurde an demselben Tage in heftige Bestürzung versetzt. Im Pferdestall eines holländischen Kaufmanns war Feuer ausgekommen, das bald auch das daran- stossende Wohnhaus und Magazin ergriff; man erwartete nun das grosse Gemetzel. Von der Arkona aus, welche um Wasser einzu- nehmen auf einen Tag hinüber gegangen war, wurde die auf- steigende Flamme bemerkt; da sich zugleich Flintenschüsse hören liessen, so armirte Capitän Sundewall seine Boote und schickte sie mit zahlreicher Mannschaft an das Land. Auf der Brandstätte anlangend fanden unsere Seeleute den Gouverneur von Kanagava in voller Rüstung, die Löschanstalten leitend; er gab bereitwillig Aufklärung: die Schüsse rührten von einem Detachement Soldaten her, das, im Feuer exercirend, in der Nähe inspicirt wurde. — Von den ansässigen Ausländern war niemand auf der Brandstätte; sie hielten sich, einen Angriff fürchtend, in ihren Häusern. Das Feuer griff so rasch um sich, dass wenig gerettet werden konnte, blieb aber auf das eine Grundstück beschränkt. Unsere Mannschaften kamen nicht in Thätigkeit und begegneten, an Bord zurückkehrend, den Booten des Encounter und des Cachelot, die jetzt ebenfalls zu Hülfe eilten. 10*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/167>, abgerufen am 05.10.2024.