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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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X. Die Lage.
den Bravo's in die Klingen laufen. Sie hatten den grossen Vortheil,
uns überall sogleich an der Kleidung zu erkennen, während wir sie
erst beim Angriff von anderen Japanern zu unterscheiden gewusst
hätten. Ehe Hülfe von den Schiffen anlangte vergingen im gün-
stigsten Falle beinah zwei Stunden, so lange konnte man sich gegen
einen entschlossenen Angriff nicht halten; ein heftiger Westwind,
wie wir ihn kannten, cernirte uns aber vollständig. Solche Betrach-
tungen liessen wohl Manchen die ersten Nächte in unruhigem Schlafe
verbringen, wir ritten auch an den beiden ersten Tagen weniger aus
als sonst; dann aber wurde die Vorsicht unbequem, die Möglichkeit
der Gefahr erweckte nur frischeren Lebensmuth und wir gingen
ganz unsere früheren Wege.

Auf den anderen Gesandtschaften hatten die Japaner ähnliche
Vorsichtsmaassregeln getroffen wie bei uns. Vor dem amerikanischen
Tempel waren sogar Kanonen aufgefahren, trotz allen Protesten des
Herrn Harris, der anfangs an keine Gefahr glaubte und die ganze
Verschwörungsgeschichte für eine List der Regierung hielt. Man
hatte ihn schon beim ersten Aufenthalt in Yeddo, als er 1857 den
Vertrag verhandelte, ebenfalls mit einer starken militärischen Wache
umgeben und einen nächtlichen Patrouillendienst organisirt, ihm
auch täglich die Lebensgefahr vorgestellt in welcher er schwebe,
nur um ihn einzuschüchtern und aus der Hauptstadt zu vertreiben;
als aber das Alles keinen Eindruck machte, stellte man damals still-
schweigend den Patrouillendienst wieder ein und zog die Wache
zurück. Aehnlich deutete er die jetzige Lage: die Regierung hatte
wiederholt den dringenden Wunsch ausgesprochen, dass die frem-
den Consuln in Yokuhama statt in Kanagava wohnen, die Gesandt-
schaften in Yeddo aber sämmtlich ein Gebäude innerhalb des Siro,
der kaiserlichen Stadt beziehen möchten, wo bei weit grösserer
Sicherheit auch der Verkehr mit den japanischen Behörden viel
bequemer wäre; die Diplomaten sahen in diesen Vorschlägen aber
nur die Absicht sie zu beaufsichtigen und immer mehr zu beschrän-
ken, und lehnten sich consequent dagegen auf. Da jetzt die Japaner
mit ähnlichen Ansinnen hervortraten, so hielt namentlich Herr Harris
die Vorspiegelung der Gefahr für einen Versuch, jenen Zweck durch
Einschüchterung zu erreichen. Herr Alcock sah die Sache ernster
an; die Japaner schienen ihm wirklich beunruhigt, das Auftreten der
Bunyo's hatte etwas Ernstes und Aufrichtiges und eine gewisse
Aengstlichkeit liess sich auch unseren Hausbeamten und Dienern

X. Die Lage.
den Bravo’s in die Klingen laufen. Sie hatten den grossen Vortheil,
uns überall sogleich an der Kleidung zu erkennen, während wir sie
erst beim Angriff von anderen Japanern zu unterscheiden gewusst
hätten. Ehe Hülfe von den Schiffen anlangte vergingen im gün-
stigsten Falle beinah zwei Stunden, so lange konnte man sich gegen
einen entschlossenen Angriff nicht halten; ein heftiger Westwind,
wie wir ihn kannten, cernirte uns aber vollständig. Solche Betrach-
tungen liessen wohl Manchen die ersten Nächte in unruhigem Schlafe
verbringen, wir ritten auch an den beiden ersten Tagen weniger aus
als sonst; dann aber wurde die Vorsicht unbequem, die Möglichkeit
der Gefahr erweckte nur frischeren Lebensmuth und wir gingen
ganz unsere früheren Wege.

Auf den anderen Gesandtschaften hatten die Japaner ähnliche
Vorsichtsmaassregeln getroffen wie bei uns. Vor dem amerikanischen
Tempel waren sogar Kanonen aufgefahren, trotz allen Protesten des
Herrn Harris, der anfangs an keine Gefahr glaubte und die ganze
Verschwörungsgeschichte für eine List der Regierung hielt. Man
hatte ihn schon beim ersten Aufenthalt in Yeddo, als er 1857 den
Vertrag verhandelte, ebenfalls mit einer starken militärischen Wache
umgeben und einen nächtlichen Patrouillendienst organisirt, ihm
auch täglich die Lebensgefahr vorgestellt in welcher er schwebe,
nur um ihn einzuschüchtern und aus der Hauptstadt zu vertreiben;
als aber das Alles keinen Eindruck machte, stellte man damals still-
schweigend den Patrouillendienst wieder ein und zog die Wache
zurück. Aehnlich deutete er die jetzige Lage: die Regierung hatte
wiederholt den dringenden Wunsch ausgesprochen, dass die frem-
den Consuln in Yokuhama statt in Kanagava wohnen, die Gesandt-
schaften in Yeddo aber sämmtlich ein Gebäude innerhalb des Siro,
der kaiserlichen Stadt beziehen möchten, wo bei weit grösserer
Sicherheit auch der Verkehr mit den japanischen Behörden viel
bequemer wäre; die Diplomaten sahen in diesen Vorschlägen aber
nur die Absicht sie zu beaufsichtigen und immer mehr zu beschrän-
ken, und lehnten sich consequent dagegen auf. Da jetzt die Japaner
mit ähnlichen Ansinnen hervortraten, so hielt namentlich Herr Harris
die Vorspiegelung der Gefahr für einen Versuch, jenen Zweck durch
Einschüchterung zu erreichen. Herr Alcock sah die Sache ernster
an; die Japaner schienen ihm wirklich beunruhigt, das Auftreten der
Bunyo’s hatte etwas Ernstes und Aufrichtiges und eine gewisse
Aengstlichkeit liess sich auch unseren Hausbeamten und Dienern

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[141/0161] X. Die Lage. den Bravo’s in die Klingen laufen. Sie hatten den grossen Vortheil, uns überall sogleich an der Kleidung zu erkennen, während wir sie erst beim Angriff von anderen Japanern zu unterscheiden gewusst hätten. Ehe Hülfe von den Schiffen anlangte vergingen im gün- stigsten Falle beinah zwei Stunden, so lange konnte man sich gegen einen entschlossenen Angriff nicht halten; ein heftiger Westwind, wie wir ihn kannten, cernirte uns aber vollständig. Solche Betrach- tungen liessen wohl Manchen die ersten Nächte in unruhigem Schlafe verbringen, wir ritten auch an den beiden ersten Tagen weniger aus als sonst; dann aber wurde die Vorsicht unbequem, die Möglichkeit der Gefahr erweckte nur frischeren Lebensmuth und wir gingen ganz unsere früheren Wege. Auf den anderen Gesandtschaften hatten die Japaner ähnliche Vorsichtsmaassregeln getroffen wie bei uns. Vor dem amerikanischen Tempel waren sogar Kanonen aufgefahren, trotz allen Protesten des Herrn Harris, der anfangs an keine Gefahr glaubte und die ganze Verschwörungsgeschichte für eine List der Regierung hielt. Man hatte ihn schon beim ersten Aufenthalt in Yeddo, als er 1857 den Vertrag verhandelte, ebenfalls mit einer starken militärischen Wache umgeben und einen nächtlichen Patrouillendienst organisirt, ihm auch täglich die Lebensgefahr vorgestellt in welcher er schwebe, nur um ihn einzuschüchtern und aus der Hauptstadt zu vertreiben; als aber das Alles keinen Eindruck machte, stellte man damals still- schweigend den Patrouillendienst wieder ein und zog die Wache zurück. Aehnlich deutete er die jetzige Lage: die Regierung hatte wiederholt den dringenden Wunsch ausgesprochen, dass die frem- den Consuln in Yokuhama statt in Kanagava wohnen, die Gesandt- schaften in Yeddo aber sämmtlich ein Gebäude innerhalb des Siro, der kaiserlichen Stadt beziehen möchten, wo bei weit grösserer Sicherheit auch der Verkehr mit den japanischen Behörden viel bequemer wäre; die Diplomaten sahen in diesen Vorschlägen aber nur die Absicht sie zu beaufsichtigen und immer mehr zu beschrän- ken, und lehnten sich consequent dagegen auf. Da jetzt die Japaner mit ähnlichen Ansinnen hervortraten, so hielt namentlich Herr Harris die Vorspiegelung der Gefahr für einen Versuch, jenen Zweck durch Einschüchterung zu erreichen. Herr Alcock sah die Sache ernster an; die Japaner schienen ihm wirklich beunruhigt, das Auftreten der Bunyo’s hatte etwas Ernstes und Aufrichtiges und eine gewisse Aengstlichkeit liess sich auch unseren Hausbeamten und Dienern

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/161>, abgerufen am 27.11.2024.