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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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IX. Vertrags-Verhandlungen.
übertragen konnten; die Substituirung gleichbedeutender ihnen ge-
läufiger Ausdrücke stellte sie dann leicht zufrieden. Sie versuchten
wohl in einzelnen Fällen Artikel, welche der japanischen Regierung
in den übrigen Verträgen unbequem geworden waren, zu ihrem
Vortheil anders zu fassen, scheiterten damit aber an der Festigkeit
des Gesandten. In der Münzfrage gab das Wort "Gehalt" -- als
Feingehalt der Metalle -- Anstoss, weil sich dieser Begriff in japa-
nischer Sprache nicht ausdrücken lässt. Muragaki verstand die
Bedeutung vollkommen und führte an, dass vor dem Eindringen der
Fremden die Itsibu's von viel reinerem Silber gewesen seien, -- wie
wir uns vielfach überzeugten, -- dass aber beim ersten Umwechseln
die japanischen Beamten den bedeutenden Kupfergehalt der mexica-
nischen Dollars wohl bemerkt, und darauf, bei der Verpflichtung
Gewicht für Gewicht zu wechseln, auch ihre Münzen stärker hätten
legiren müssen. Man setzte für "Gehalt" das Wort "Gattung". --
Statt "Deutsche Sprache" wollten sie durchaus "Preussische" haben
und liessen sich erst nach langen Erklärungen zu dem richtigen
Ausdruck bereden.

Die grösste Schwierigkeit machte die Bestimmung über die
Auswechselung der Ratificationen. Graf Eulenburg hatte sich dazu
verstanden dafür gar keinen Termin zu nennen und dem Minister
unter der oben erwähnten Bedingung versprochen, eine längere Hin-
ausschiebung der Auswechselung bei seiner Regierung zu befürwor-
ten. Jetzt verlangten die Bunyo's "der öffentlichen Meinung zu
Liebe", die Nennung eines bestimmten Termines, -- etwa dreissig
Monate, -- vor welchem die Auswechselung nicht stattfinden dürfte.
Der Gesandte versicherte sie zwar, dass sie vor dieser Frist nicht
zu erwarten sei, da der Vertrag dem Landtage vorgelegt werden
müsse, schützte aber vor, dass die "öffentliche Meinung" in Preussen
eine solche Vorschrift als Beleidigung ansehen würde. -- Dass es nun
den Japanern hier wirklich nicht um die Sache, sondern nur um
den Ausdruck einer hinausgeschobenen Frist zu thun war, geht aus
dem Umstande hervor, dass sie sich jetzt ohne viel Schwierigkeit
zu der Bestimmung der Auswechselung binnen dreissig Monaten
verstanden. Die Bevollmächtigten gaben sich wohl über die Trag-
weite dieser für uns sehr wichtigen Concession damals keine Rechen-
schaft; sie zogen dieselbe, von dem Minister desavouirt, schon in
der nächsten Sitzung wieder zurück. Der Artikel wurde also noch-
mals geändert, aber nicht zu unserem Nachtheil.

IX. Vertrags-Verhandlungen.
übertragen konnten; die Substituirung gleichbedeutender ihnen ge-
läufiger Ausdrücke stellte sie dann leicht zufrieden. Sie versuchten
wohl in einzelnen Fällen Artikel, welche der japanischen Regierung
in den übrigen Verträgen unbequem geworden waren, zu ihrem
Vortheil anders zu fassen, scheiterten damit aber an der Festigkeit
des Gesandten. In der Münzfrage gab das Wort »Gehalt« — als
Feingehalt der Metalle — Anstoss, weil sich dieser Begriff in japa-
nischer Sprache nicht ausdrücken lässt. Muragaki verstand die
Bedeutung vollkommen und führte an, dass vor dem Eindringen der
Fremden die Itsibu’s von viel reinerem Silber gewesen seien, — wie
wir uns vielfach überzeugten, — dass aber beim ersten Umwechseln
die japanischen Beamten den bedeutenden Kupfergehalt der mexica-
nischen Dollars wohl bemerkt, und darauf, bei der Verpflichtung
Gewicht für Gewicht zu wechseln, auch ihre Münzen stärker hätten
legiren müssen. Man setzte für »Gehalt« das Wort »Gattung«. —
Statt »Deutsche Sprache« wollten sie durchaus »Preussische« haben
und liessen sich erst nach langen Erklärungen zu dem richtigen
Ausdruck bereden.

Die grösste Schwierigkeit machte die Bestimmung über die
Auswechselung der Ratificationen. Graf Eulenburg hatte sich dazu
verstanden dafür gar keinen Termin zu nennen und dem Minister
unter der oben erwähnten Bedingung versprochen, eine längere Hin-
ausschiebung der Auswechselung bei seiner Regierung zu befürwor-
ten. Jetzt verlangten die Bunyo’s »der öffentlichen Meinung zu
Liebe«, die Nennung eines bestimmten Termines, — etwa dreissig
Monate, — vor welchem die Auswechselung nicht stattfinden dürfte.
Der Gesandte versicherte sie zwar, dass sie vor dieser Frist nicht
zu erwarten sei, da der Vertrag dem Landtage vorgelegt werden
müsse, schützte aber vor, dass die »öffentliche Meinung« in Preussen
eine solche Vorschrift als Beleidigung ansehen würde. — Dass es nun
den Japanern hier wirklich nicht um die Sache, sondern nur um
den Ausdruck einer hinausgeschobenen Frist zu thun war, geht aus
dem Umstande hervor, dass sie sich jetzt ohne viel Schwierigkeit
zu der Bestimmung der Auswechselung binnen dreissig Monaten
verstanden. Die Bevollmächtigten gaben sich wohl über die Trag-
weite dieser für uns sehr wichtigen Concession damals keine Rechen-
schaft; sie zogen dieselbe, von dem Minister desavouirt, schon in
der nächsten Sitzung wieder zurück. Der Artikel wurde also noch-
mals geändert, aber nicht zu unserem Nachtheil.

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[135/0155] IX. Vertrags-Verhandlungen. übertragen konnten; die Substituirung gleichbedeutender ihnen ge- läufiger Ausdrücke stellte sie dann leicht zufrieden. Sie versuchten wohl in einzelnen Fällen Artikel, welche der japanischen Regierung in den übrigen Verträgen unbequem geworden waren, zu ihrem Vortheil anders zu fassen, scheiterten damit aber an der Festigkeit des Gesandten. In der Münzfrage gab das Wort »Gehalt« — als Feingehalt der Metalle — Anstoss, weil sich dieser Begriff in japa- nischer Sprache nicht ausdrücken lässt. Muragaki verstand die Bedeutung vollkommen und führte an, dass vor dem Eindringen der Fremden die Itsibu’s von viel reinerem Silber gewesen seien, — wie wir uns vielfach überzeugten, — dass aber beim ersten Umwechseln die japanischen Beamten den bedeutenden Kupfergehalt der mexica- nischen Dollars wohl bemerkt, und darauf, bei der Verpflichtung Gewicht für Gewicht zu wechseln, auch ihre Münzen stärker hätten legiren müssen. Man setzte für »Gehalt« das Wort »Gattung«. — Statt »Deutsche Sprache« wollten sie durchaus »Preussische« haben und liessen sich erst nach langen Erklärungen zu dem richtigen Ausdruck bereden. Die grösste Schwierigkeit machte die Bestimmung über die Auswechselung der Ratificationen. Graf Eulenburg hatte sich dazu verstanden dafür gar keinen Termin zu nennen und dem Minister unter der oben erwähnten Bedingung versprochen, eine längere Hin- ausschiebung der Auswechselung bei seiner Regierung zu befürwor- ten. Jetzt verlangten die Bunyo’s »der öffentlichen Meinung zu Liebe«, die Nennung eines bestimmten Termines, — etwa dreissig Monate, — vor welchem die Auswechselung nicht stattfinden dürfte. Der Gesandte versicherte sie zwar, dass sie vor dieser Frist nicht zu erwarten sei, da der Vertrag dem Landtage vorgelegt werden müsse, schützte aber vor, dass die »öffentliche Meinung« in Preussen eine solche Vorschrift als Beleidigung ansehen würde. — Dass es nun den Japanern hier wirklich nicht um die Sache, sondern nur um den Ausdruck einer hinausgeschobenen Frist zu thun war, geht aus dem Umstande hervor, dass sie sich jetzt ohne viel Schwierigkeit zu der Bestimmung der Auswechselung binnen dreissig Monaten verstanden. Die Bevollmächtigten gaben sich wohl über die Trag- weite dieser für uns sehr wichtigen Concession damals keine Rechen- schaft; sie zogen dieselbe, von dem Minister desavouirt, schon in der nächsten Sitzung wieder zurück. Der Artikel wurde also noch- mals geändert, aber nicht zu unserem Nachtheil.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/155>, abgerufen am 10.10.2024.