Kampf der Ministerhäuser. Verarmung des Mikado-Hauses.
das Land lag verwüstet und das Volk versank in das tiefste Elend; die Sitten verwilderten, alle Sicherheit des Lebens und des Eigen- thums hatte aufgehört.
In dem Kampfe der beiden Ministerhäuser sind zunächst die Foso-kawa siegreich, werden aber bald gestürzt und proclamiren den Bruder des von ihren Gegnern ernannten Siogun als Gegen- Regenten. Die beiden Partheien entreissen einander wechselweise den Mikado und die Hauptstadt, deren Bewohner die Waffen ergreifen, um an dem Kampfe Theil zu nehmen. Schreckliche Feuersbrünste verwüsten Miako, durch die Rohheit der verwilderten Heerhaufen gehen die wichtigsten Denkmäler, Kunstwerke und Schriften zu Grunde; die Stadt liegt in Trümmern, am Hofe des Mikado unter- bleiben viele Jahre lang die üblichen Feierlichkeiten. Der Krieg verbreitet sich durch das ganze Land, alle Bande des Blutes und der Gesellschaft sind gelöst -- Brüder kämpfen gegen Brüder und Diener gegen ihre Herren.
1473.Um 1473 waren die Kräfte erschöpft, die Anführer der Par- theien gestorben, die Grossen zogen heim nach ihren Besitzungen und es trat eine kurze Ruhe ein. Dem Namen nach wird die Centralgewalt wieder hergestellt, alle Partheien huldigen dem neuen Siogun Minamoto-no-Yosi-nao. Man baut in Miako Paläste, legt Sammlungen der aus der Zerstörung geretteten Alterthümer und Kunstwerke an und schickt eine Gesandtschaft nach China, um vom dortigen Hofe eine Siegelhälfte zur Ausstellung der Pässe für die nach den chinesischen Häfen fahrenden Schiffe zu erwirken. Die Grossen fingen unterdess nach kurzer Rast wieder an einander zu befehden und handelten ungestraft wie ihnen beliebte. Als gegen Ende des funfzehnten Jahrhunderts der Siogun Yosi-tada sich beikommen lässt, gegen einen der übermüthigen Lehns- fürsten zu Felde zu ziehen, wird er von diesem gefangen und muss seine Würde einem andern Minamoto abtreten. Der Krieg entbrennt von neuem: auch die Miako zunächst liegenden Land- schaften, aus denen früher die Siogun's ihre Einkünfte bezogen hatten, werden jetzt eine Beute mächtiger Partheihäupter. In Miako wurde das Elend so gross, dass, wie die Annalen unter dem Jahre 1500 berichten, beim Tode des Mikado nicht das zu seiner Beerdigung nothwendige Geld herbeigeschafft werden konnte, so dass die Leiche 40 Tage lang am Thore des Palastes liegen blieb.
Kampf der Ministerhäuser. Verarmung des Mikado-Hauses.
das Land lag verwüstet und das Volk versank in das tiefste Elend; die Sitten verwilderten, alle Sicherheit des Lebens und des Eigen- thums hatte aufgehört.
In dem Kampfe der beiden Ministerhäuser sind zunächst die Foso-kawa siegreich, werden aber bald gestürzt und proclamiren den Bruder des von ihren Gegnern ernannten Siogun als Gegen- Regenten. Die beiden Partheien entreissen einander wechselweise den Mikado und die Hauptstadt, deren Bewohner die Waffen ergreifen, um an dem Kampfe Theil zu nehmen. Schreckliche Feuersbrünste verwüsten Miako, durch die Rohheit der verwilderten Heerhaufen gehen die wichtigsten Denkmäler, Kunstwerke und Schriften zu Grunde; die Stadt liegt in Trümmern, am Hofe des Mikado unter- bleiben viele Jahre lang die üblichen Feierlichkeiten. Der Krieg verbreitet sich durch das ganze Land, alle Bande des Blutes und der Gesellschaft sind gelöst — Brüder kämpfen gegen Brüder und Diener gegen ihre Herren.
1473.Um 1473 waren die Kräfte erschöpft, die Anführer der Par- theien gestorben, die Grossen zogen heim nach ihren Besitzungen und es trat eine kurze Ruhe ein. Dem Namen nach wird die Centralgewalt wieder hergestellt, alle Partheien huldigen dem neuen Siogun Minamoto-no-Yosi-nao. Man baut in Miako Paläste, legt Sammlungen der aus der Zerstörung geretteten Alterthümer und Kunstwerke an und schickt eine Gesandtschaft nach China, um vom dortigen Hofe eine Siegelhälfte zur Ausstellung der Pässe für die nach den chinesischen Häfen fahrenden Schiffe zu erwirken. Die Grossen fingen unterdess nach kurzer Rast wieder an einander zu befehden und handelten ungestraft wie ihnen beliebte. Als gegen Ende des funfzehnten Jahrhunderts der Siogun Yosi-tada sich beikommen lässt, gegen einen der übermüthigen Lehns- fürsten zu Felde zu ziehen, wird er von diesem gefangen und muss seine Würde einem andern Minamoto abtreten. Der Krieg entbrennt von neuem: auch die Miako zunächst liegenden Land- schaften, aus denen früher die Siogun’s ihre Einkünfte bezogen hatten, werden jetzt eine Beute mächtiger Partheihäupter. In Miako wurde das Elend so gross, dass, wie die Annalen unter dem Jahre 1500 berichten, beim Tode des Mikado nicht das zu seiner Beerdigung nothwendige Geld herbeigeschafft werden konnte, so dass die Leiche 40 Tage lang am Thore des Palastes liegen blieb.
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Kampf der Ministerhäuser. Verarmung des Mikado-Hauses.
das Land lag verwüstet und das Volk versank in das tiefste Elend;
die Sitten verwilderten, alle Sicherheit des Lebens und des Eigen-
thums hatte aufgehört.
In dem Kampfe der beiden Ministerhäuser sind zunächst die
Foso-kawa siegreich, werden aber bald gestürzt und proclamiren
den Bruder des von ihren Gegnern ernannten Siogun als Gegen-
Regenten. Die beiden Partheien entreissen einander wechselweise
den Mikado und die Hauptstadt, deren Bewohner die Waffen ergreifen,
um an dem Kampfe Theil zu nehmen. Schreckliche Feuersbrünste
verwüsten Miako, durch die Rohheit der verwilderten Heerhaufen
gehen die wichtigsten Denkmäler, Kunstwerke und Schriften zu
Grunde; die Stadt liegt in Trümmern, am Hofe des Mikado unter-
bleiben viele Jahre lang die üblichen Feierlichkeiten. Der Krieg
verbreitet sich durch das ganze Land, alle Bande des Blutes und
der Gesellschaft sind gelöst — Brüder kämpfen gegen Brüder und
Diener gegen ihre Herren.
Um 1473 waren die Kräfte erschöpft, die Anführer der Par-
theien gestorben, die Grossen zogen heim nach ihren Besitzungen
und es trat eine kurze Ruhe ein. Dem Namen nach wird die
Centralgewalt wieder hergestellt, alle Partheien huldigen dem neuen
Siogun Minamoto-no-Yosi-nao. Man baut in Miako Paläste, legt
Sammlungen der aus der Zerstörung geretteten Alterthümer und
Kunstwerke an und schickt eine Gesandtschaft nach China, um
vom dortigen Hofe eine Siegelhälfte zur Ausstellung der Pässe für
die nach den chinesischen Häfen fahrenden Schiffe zu erwirken.
Die Grossen fingen unterdess nach kurzer Rast wieder an einander
zu befehden und handelten ungestraft wie ihnen beliebte. Als
gegen Ende des funfzehnten Jahrhunderts der Siogun Yosi-tada
sich beikommen lässt, gegen einen der übermüthigen Lehns-
fürsten zu Felde zu ziehen, wird er von diesem gefangen und
muss seine Würde einem andern Minamoto abtreten. Der Krieg
entbrennt von neuem: auch die Miako zunächst liegenden Land-
schaften, aus denen früher die Siogun’s ihre Einkünfte bezogen
hatten, werden jetzt eine Beute mächtiger Partheihäupter. In
Miako wurde das Elend so gross, dass, wie die Annalen unter
dem Jahre 1500 berichten, beim Tode des Mikado nicht das
zu seiner Beerdigung nothwendige Geld herbeigeschafft werden
konnte, so dass die Leiche 40 Tage lang am Thore des Palastes
liegen blieb.
1473.
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/74>, abgerufen am 26.06.2024.
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