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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Verhältniss zu Korea. Wachsende Macht des Lehnsadels.
liessen es sich gefallen, von ihnen als Könige von Japan angeredet
zu werden. Sie nahmen unter den Gegengeschenken auch chinesische
Kalender an und bekannten sich dadurch zu Vasallen des Reiches
der Mitte. Ein wirkliches Abhängigkeitsverhältniss scheint nicht
bestanden zu haben, die Anerkennung der chinesischen Oberherr-
schaft von Seiten der Siogun's -- denn mit den Erbkaisern kamen
die Gesandtschaften niemals in Berührung48) -- war vielleicht nur
Courtoisie, vielleicht auch Staatsklugheit, den mächtigen Nach-
barn gegenüber. -- Gegen 1403 beginnen die Klagen der Chinesen
über japanische Corsaren, und später nahm die Seeräuberei eine
grosse Ausdehnung an. Zu Anfang des sechszehnten Jahrhun-
derts, wo alle politischen und bürgerlichen Verhältnisse des Landes
in voller Auflösung waren, verwüsteten japanische Piraten fast
jährlich die Küsten des mittelen China, namentlich die Umgegend
von Ningpo.

Mit Korea, wo im Jahre 1389 ein Usurpator die herrschende
Dynastie gestürzt und unter Anerkennung der chinesischen Ming
das neue Reich Tsaosien gegründet hatte, schloss Japan gleich
nach Herstellung des Friedens 1392 einen Vertrag, demzufolge bei
dem jedesmaligen Thronwechsel im Hause des Siogun eine Gesandt-
schaft nach Miako geschickt werden sollte. Dieser gesandtschaft-
liche Verkehr dauerte bis 1573.

Einige unbedeutende Rebellionen abgerechnet, herrschte unter
Yosi-mitsi und seinem Sohne Yosi-motsi im Inneren von Japan
noch Ruhe: aber mit der Einigkeit des Regimentes und der festen
politischen Ordnung, die unter den Regenten von Kamakura das
Reich zusammengehalten, Sicherheit, Wohlstand und Gesittung ver-
breitet hatte, war es vorbei. Während des langen Krieges musste
die Centralregierung, für ihre Existenz kämpfend, unablässig um die
Gunst der Lehnsfürsten buhlen, welche das Waffenhandwerk zu
ihrem Beruf gemacht und sich mit geübten Kriegerschaaren umgeben
hatten, die sie auch nach Herstellung des Friedens nicht entliessen.
Die Unterhaltung einer starken Heeresmacht blieb seitdem Brauch
und Sitte bei den Grossen und ein Attribut ihrer Würde; ihre
Selbstständigkeit ruhte jetzt auf einer festen materiellen Grund-
lage. -- Im Kuanto, jenem östlichen Theile von Nippon, der,

48) Seit des Yori-tomo Zeit wurde keine fremde Gesandtschaft mehr von den
Mikado's empfangen. -- Die Fosio übten während ihrer Herrschaft auch dieses Recht
mit Uebergehung der Siogun's.

Verhältniss zu Korea. Wachsende Macht des Lehnsadels.
liessen es sich gefallen, von ihnen als Könige von Japan angeredet
zu werden. Sie nahmen unter den Gegengeschenken auch chinesische
Kalender an und bekannten sich dadurch zu Vasallen des Reiches
der Mitte. Ein wirkliches Abhängigkeitsverhältniss scheint nicht
bestanden zu haben, die Anerkennung der chinesischen Oberherr-
schaft von Seiten der Siogun’s — denn mit den Erbkaisern kamen
die Gesandtschaften niemals in Berührung48) — war vielleicht nur
Courtoisie, vielleicht auch Staatsklugheit, den mächtigen Nach-
barn gegenüber. — Gegen 1403 beginnen die Klagen der Chinesen
über japanische Corsaren, und später nahm die Seeräuberei eine
grosse Ausdehnung an. Zu Anfang des sechszehnten Jahrhun-
derts, wo alle politischen und bürgerlichen Verhältnisse des Landes
in voller Auflösung waren, verwüsteten japanische Piraten fast
jährlich die Küsten des mittelen China, namentlich die Umgegend
von Ningpo.

Mit Korea, wo im Jahre 1389 ein Usurpator die herrschende
Dynastie gestürzt und unter Anerkennung der chinesischen Ming
das neue Reich Tšaosien gegründet hatte, schloss Japan gleich
nach Herstellung des Friedens 1392 einen Vertrag, demzufolge bei
dem jedesmaligen Thronwechsel im Hause des Siogun eine Gesandt-
schaft nach Miako geschickt werden sollte. Dieser gesandtschaft-
liche Verkehr dauerte bis 1573.

Einige unbedeutende Rebellionen abgerechnet, herrschte unter
Yosi-mitsi und seinem Sohne Yosi-motsi im Inneren von Japan
noch Ruhe: aber mit der Einigkeit des Regimentes und der festen
politischen Ordnung, die unter den Regenten von Kamakura das
Reich zusammengehalten, Sicherheit, Wohlstand und Gesittung ver-
breitet hatte, war es vorbei. Während des langen Krieges musste
die Centralregierung, für ihre Existenz kämpfend, unablässig um die
Gunst der Lehnsfürsten buhlen, welche das Waffenhandwerk zu
ihrem Beruf gemacht und sich mit geübten Kriegerschaaren umgeben
hatten, die sie auch nach Herstellung des Friedens nicht entliessen.
Die Unterhaltung einer starken Heeresmacht blieb seitdem Brauch
und Sitte bei den Grossen und ein Attribut ihrer Würde; ihre
Selbstständigkeit ruhte jetzt auf einer festen materiellen Grund-
lage. — Im Kuanto, jenem östlichen Theile von Nippon, der,

48) Seit des Yori-tomo Zeit wurde keine fremde Gesandtschaft mehr von den
Mikado’s empfangen. — Die Fosio übten während ihrer Herrschaft auch dieses Recht
mit Uebergehung der Siogun’s.
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[42/0072] Verhältniss zu Korea. Wachsende Macht des Lehnsadels. liessen es sich gefallen, von ihnen als Könige von Japan angeredet zu werden. Sie nahmen unter den Gegengeschenken auch chinesische Kalender an und bekannten sich dadurch zu Vasallen des Reiches der Mitte. Ein wirkliches Abhängigkeitsverhältniss scheint nicht bestanden zu haben, die Anerkennung der chinesischen Oberherr- schaft von Seiten der Siogun’s — denn mit den Erbkaisern kamen die Gesandtschaften niemals in Berührung 48) — war vielleicht nur Courtoisie, vielleicht auch Staatsklugheit, den mächtigen Nach- barn gegenüber. — Gegen 1403 beginnen die Klagen der Chinesen über japanische Corsaren, und später nahm die Seeräuberei eine grosse Ausdehnung an. Zu Anfang des sechszehnten Jahrhun- derts, wo alle politischen und bürgerlichen Verhältnisse des Landes in voller Auflösung waren, verwüsteten japanische Piraten fast jährlich die Küsten des mittelen China, namentlich die Umgegend von Ningpo. Mit Korea, wo im Jahre 1389 ein Usurpator die herrschende Dynastie gestürzt und unter Anerkennung der chinesischen Ming das neue Reich Tšaosien gegründet hatte, schloss Japan gleich nach Herstellung des Friedens 1392 einen Vertrag, demzufolge bei dem jedesmaligen Thronwechsel im Hause des Siogun eine Gesandt- schaft nach Miako geschickt werden sollte. Dieser gesandtschaft- liche Verkehr dauerte bis 1573. Einige unbedeutende Rebellionen abgerechnet, herrschte unter Yosi-mitsi und seinem Sohne Yosi-motsi im Inneren von Japan noch Ruhe: aber mit der Einigkeit des Regimentes und der festen politischen Ordnung, die unter den Regenten von Kamakura das Reich zusammengehalten, Sicherheit, Wohlstand und Gesittung ver- breitet hatte, war es vorbei. Während des langen Krieges musste die Centralregierung, für ihre Existenz kämpfend, unablässig um die Gunst der Lehnsfürsten buhlen, welche das Waffenhandwerk zu ihrem Beruf gemacht und sich mit geübten Kriegerschaaren umgeben hatten, die sie auch nach Herstellung des Friedens nicht entliessen. Die Unterhaltung einer starken Heeresmacht blieb seitdem Brauch und Sitte bei den Grossen und ein Attribut ihrer Würde; ihre Selbstständigkeit ruhte jetzt auf einer festen materiellen Grund- lage. — Im Kuanto, jenem östlichen Theile von Nippon, der, 48) Seit des Yori-tomo Zeit wurde keine fremde Gesandtschaft mehr von den Mikado’s empfangen. — Die Fosio übten während ihrer Herrschaft auch dieses Recht mit Uebergehung der Siogun’s.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/72>, abgerufen am 27.11.2024.