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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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V. Schmetterlings- und Kreiselspiele. -- Die Vertrags-Aussichten.
leisteten. Besonders anziehend sind ihre Kreisel- und Schmetterlings-
spiele; bei letzterem lässt der Jongleur zwei durch einen Seidenfaden
verbundene Stückchen Papier durch die Bewegungen seines Fächers
das Flattern und Spielen zweier Schmetterlinge so täuschend nach-
ahmen, dass man es wirklich zu sehen glaubt; ein sehr anmuthiges
Kunststück, das sich bei stiller Luft auch im Freien ausführen lässt
und dann gewöhnlich damit schliesst, dass einer der Schmetterlinge
hoch in die Luft gejagt wird und sich, langsam herabsinkend, auf
eine von dem Jongleur gehaltene Blume niederlässt. Die Kreisel-
spiele erfordern einen grösseren Apparat, sind aber sehr künstlich
und sinnreich erfunden; der Jongleur lässt den Kreisel von der
Hand über den Arm, über Schultern und Rücken bis in die andere
Hand hinablaufen und mit unglaublicher Geschicklichkeit die wunder-
samsten Sprünge vollführen.

Unterdessen wurden die Aussichten auf den Vertrag wenig
besser; die Regierung fuhr fort die fremden Vertreter zu versichern,
dass sie jetzt keine weiteren Handelstractate abschliessen könne.
Die am 21. September eintreffende Nachricht von der Einnahme
der Taku-Forts und Tientsin's durch die englisch-französische
Armee machte gar keinen Eindruck; offenbar wirkte das Schreckbild
eines auswärtigen Krieges nicht mehr wie früher, die Regierung des
Taikun fürchtete wahrscheinlich einen Aufstand der Daimio's mehr
als alles Andere. Graf Eulenburg hatte die Bunyo's bei ihrem Besuche
am achtzehnten ernstlich aufgefordert, ihm den definitiven Bescheid
der Minister bald mitzutheilen; sie erschienen schon am einundzwan-
zigsten wieder in Akabane, sagten, eine schriftliche Instruction in
der Hand, nochmals alle schon zum Ueberdruss wiederholten Argu-
mente her, um den Gesandten von der Unmöglichkeit des Vertrags-
abschlusses im gegenwärtigen Moment zu überzeugen, und äusserten
schliesslich die Bitte irgend ein Auskunftsmittel zu finden, welches
die japanische Regierung der unangenehmen Nothwendigkeit enthöbe,
die Anträge des Gesandten zurückzuweisen. Graf Eulenburg hatte in
der Unterhaltung am achtzehnten, um sich der asiatischen Auffassung
anzupassen, ein Gleichniss gebraucht: Vier Personen hätten mit
einer fünften Freundschaft geschlossen, und diese erkläre ihnen, dass
sie gern auch noch mit anderen anständigen Leuten Bekanntschaft
machen würde. Die vier Freunde erzählten das einer anderen
Person, und versprächen entgegenkommende Aufnahme, wenn sie

V. Schmetterlings- und Kreiselspiele. — Die Vertrags-Aussichten.
leisteten. Besonders anziehend sind ihre Kreisel- und Schmetterlings-
spiele; bei letzterem lässt der Jongleur zwei durch einen Seidenfaden
verbundene Stückchen Papier durch die Bewegungen seines Fächers
das Flattern und Spielen zweier Schmetterlinge so täuschend nach-
ahmen, dass man es wirklich zu sehen glaubt; ein sehr anmuthiges
Kunststück, das sich bei stiller Luft auch im Freien ausführen lässt
und dann gewöhnlich damit schliesst, dass einer der Schmetterlinge
hoch in die Luft gejagt wird und sich, langsam herabsinkend, auf
eine von dem Jongleur gehaltene Blume niederlässt. Die Kreisel-
spiele erfordern einen grösseren Apparat, sind aber sehr künstlich
und sinnreich erfunden; der Jongleur lässt den Kreisel von der
Hand über den Arm, über Schultern und Rücken bis in die andere
Hand hinablaufen und mit unglaublicher Geschicklichkeit die wunder-
samsten Sprünge vollführen.

Unterdessen wurden die Aussichten auf den Vertrag wenig
besser; die Regierung fuhr fort die fremden Vertreter zu versichern,
dass sie jetzt keine weiteren Handelstractate abschliessen könne.
Die am 21. September eintreffende Nachricht von der Einnahme
der Taku-Forts und Tientsin’s durch die englisch-französische
Armee machte gar keinen Eindruck; offenbar wirkte das Schreckbild
eines auswärtigen Krieges nicht mehr wie früher, die Regierung des
Taïkūn fürchtete wahrscheinlich einen Aufstand der Daïmio’s mehr
als alles Andere. Graf Eulenburg hatte die Bunyo’s bei ihrem Besuche
am achtzehnten ernstlich aufgefordert, ihm den definitiven Bescheid
der Minister bald mitzutheilen; sie erschienen schon am einundzwan-
zigsten wieder in Akabane, sagten, eine schriftliche Instruction in
der Hand, nochmals alle schon zum Ueberdruss wiederholten Argu-
mente her, um den Gesandten von der Unmöglichkeit des Vertrags-
abschlusses im gegenwärtigen Moment zu überzeugen, und äusserten
schliesslich die Bitte irgend ein Auskunftsmittel zu finden, welches
die japanische Regierung der unangenehmen Nothwendigkeit enthöbe,
die Anträge des Gesandten zurückzuweisen. Graf Eulenburg hatte in
der Unterhaltung am achtzehnten, um sich der asiatischen Auffassung
anzupassen, ein Gleichniss gebraucht: Vier Personen hätten mit
einer fünften Freundschaft geschlossen, und diese erkläre ihnen, dass
sie gern auch noch mit anderen anständigen Leuten Bekanntschaft
machen würde. Die vier Freunde erzählten das einer anderen
Person, und versprächen entgegenkommende Aufnahme, wenn sie

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[347/0377] V. Schmetterlings- und Kreiselspiele. — Die Vertrags-Aussichten. leisteten. Besonders anziehend sind ihre Kreisel- und Schmetterlings- spiele; bei letzterem lässt der Jongleur zwei durch einen Seidenfaden verbundene Stückchen Papier durch die Bewegungen seines Fächers das Flattern und Spielen zweier Schmetterlinge so täuschend nach- ahmen, dass man es wirklich zu sehen glaubt; ein sehr anmuthiges Kunststück, das sich bei stiller Luft auch im Freien ausführen lässt und dann gewöhnlich damit schliesst, dass einer der Schmetterlinge hoch in die Luft gejagt wird und sich, langsam herabsinkend, auf eine von dem Jongleur gehaltene Blume niederlässt. Die Kreisel- spiele erfordern einen grösseren Apparat, sind aber sehr künstlich und sinnreich erfunden; der Jongleur lässt den Kreisel von der Hand über den Arm, über Schultern und Rücken bis in die andere Hand hinablaufen und mit unglaublicher Geschicklichkeit die wunder- samsten Sprünge vollführen. Unterdessen wurden die Aussichten auf den Vertrag wenig besser; die Regierung fuhr fort die fremden Vertreter zu versichern, dass sie jetzt keine weiteren Handelstractate abschliessen könne. Die am 21. September eintreffende Nachricht von der Einnahme der Taku-Forts und Tientsin’s durch die englisch-französische Armee machte gar keinen Eindruck; offenbar wirkte das Schreckbild eines auswärtigen Krieges nicht mehr wie früher, die Regierung des Taïkūn fürchtete wahrscheinlich einen Aufstand der Daïmio’s mehr als alles Andere. Graf Eulenburg hatte die Bunyo’s bei ihrem Besuche am achtzehnten ernstlich aufgefordert, ihm den definitiven Bescheid der Minister bald mitzutheilen; sie erschienen schon am einundzwan- zigsten wieder in Akabane, sagten, eine schriftliche Instruction in der Hand, nochmals alle schon zum Ueberdruss wiederholten Argu- mente her, um den Gesandten von der Unmöglichkeit des Vertrags- abschlusses im gegenwärtigen Moment zu überzeugen, und äusserten schliesslich die Bitte irgend ein Auskunftsmittel zu finden, welches die japanische Regierung der unangenehmen Nothwendigkeit enthöbe, die Anträge des Gesandten zurückzuweisen. Graf Eulenburg hatte in der Unterhaltung am achtzehnten, um sich der asiatischen Auffassung anzupassen, ein Gleichniss gebraucht: Vier Personen hätten mit einer fünften Freundschaft geschlossen, und diese erkläre ihnen, dass sie gern auch noch mit anderen anständigen Leuten Bekanntschaft machen würde. Die vier Freunde erzählten das einer anderen Person, und versprächen entgegenkommende Aufnahme, wenn sie

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/377>, abgerufen am 25.11.2024.