[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.V. Die Betto's. Schwungkraft und Gewandtheit, zu denen unser tägliches Lebenniemals Gelegenheit bietet. Der Betto muss beim Anhalten immer gleich bei der Hand sein, um den Pferden, die es in Japan so ver- langen, die Mäuler auszuwaschen. -- Zu Hause waren sie nicht viel werth; der Stall musste von unseren Leuten beaufsichtigt werden, sonst verjubelten die Betto's das Futtergeld; es gab fortwährend Zank und Aerger. Man war gezwungen die Zahltage für jeden anders zu legen, denn häufig verschwanden sie nach empfangener Löhnung auf einige Tage und Nächte ganz, trieben sich in den Schenken herum, und kamen nicht eher wieder bis Alles durch- gebracht war, -- sie sahen dann sehr hohläugig und verschwärmt aus, thaten reuig und demüthig, und schworen hoch und theuer sich bessern zu wollen. Die Betto's spielen, trinken und lieben das schöne Geschlecht, sind zu jedem Wagniss, zu jeder Schlägerei aufgelegt, aber ihrem Herrn unbedingt ergeben. Beim Antritt des Dienstes erhielt jeder einen Rock mit dem Namenszuge oder Wappen seines Gebieters auf dem Rücken; -- sie thaten es nicht anders, identificirten sich dann aber auch ganz mit ihrem Ernährer. Sie haben ein lebhaftes Ehr- und Standesgefühl; glaubte einer sein Recht verletzt, so musste sein Herr ihm Genugthuung verschaffen, und wenn das nicht nach Wunsch geschah, gingen wohl alle seine Freunde mit ihm davon. So blieb der Stall oft ohne Bedienung. -- Wie in Japan jeder Stand, selbst jede Verbindung von mehreren Menschen, so haben auch die Betto's ihr gemeinsames Oberhaupt, das schwere Abgaben von ihnen erhebt, für ihre Interessen und ihr Unter- kommen sorgen, und sie, wie es heisst, in Zeiten der Dienstlosigkeit ernähren muss. In unserem Stall nahm der Stallknecht des Gesandten sogleich die Stellung eines "Ober-Betto" an und behauptete über seine Kameraden eine gewisse Autorität. Es scheint auch sehr feine Standesunterschiede unter ihnen zu geben. So geschah es dass Einer von uns seinen Betto wegen grosser Unlenksamkeit fortjagte, und einen anderen in Dienst nehmen wollte, der häufig mit den Miethpferden gekommen war und sich durch sein ruhiges und gesetztes Wesen vortheilhaft vor den anderen auszeichnete: da widersetzten sich aber alle übrigen; das sei ein "Akindo-Betto", ein Kaufmannsstallknecht, mit dem sie nicht dienen könnten; auch er selbst gestand demüthig seine Incompetenz. -- Da nun Kaufleute nicht reiten dürfen, so lieh man uns offenbar Packpferde; andere waren wohl auch in Yeddo nicht zu vermiethen. V. Die Betto’s. Schwungkraft und Gewandtheit, zu denen unser tägliches Lebenniemals Gelegenheit bietet. Der Betto muss beim Anhalten immer gleich bei der Hand sein, um den Pferden, die es in Japan so ver- langen, die Mäuler auszuwaschen. — Zu Hause waren sie nicht viel werth; der Stall musste von unseren Leuten beaufsichtigt werden, sonst verjubelten die Betto’s das Futtergeld; es gab fortwährend Zank und Aerger. Man war gezwungen die Zahltage für jeden anders zu legen, denn häufig verschwanden sie nach empfangener Löhnung auf einige Tage und Nächte ganz, trieben sich in den Schenken herum, und kamen nicht eher wieder bis Alles durch- gebracht war, — sie sahen dann sehr hohläugig und verschwärmt aus, thaten reuig und demüthig, und schworen hoch und theuer sich bessern zu wollen. Die Betto’s spielen, trinken und lieben das schöne Geschlecht, sind zu jedem Wagniss, zu jeder Schlägerei aufgelegt, aber ihrem Herrn unbedingt ergeben. Beim Antritt des Dienstes erhielt jeder einen Rock mit dem Namenszuge oder Wappen seines Gebieters auf dem Rücken; — sie thaten es nicht anders, identificirten sich dann aber auch ganz mit ihrem Ernährer. Sie haben ein lebhaftes Ehr- und Standesgefühl; glaubte einer sein Recht verletzt, so musste sein Herr ihm Genugthuung verschaffen, und wenn das nicht nach Wunsch geschah, gingen wohl alle seine Freunde mit ihm davon. So blieb der Stall oft ohne Bedienung. — Wie in Japan jeder Stand, selbst jede Verbindung von mehreren Menschen, so haben auch die Betto’s ihr gemeinsames Oberhaupt, das schwere Abgaben von ihnen erhebt, für ihre Interessen und ihr Unter- kommen sorgen, und sie, wie es heisst, in Zeiten der Dienstlosigkeit ernähren muss. In unserem Stall nahm der Stallknecht des Gesandten sogleich die Stellung eines »Ober-Betto« an und behauptete über seine Kameraden eine gewisse Autorität. Es scheint auch sehr feine Standesunterschiede unter ihnen zu geben. So geschah es dass Einer von uns seinen Betto wegen grosser Unlenksamkeit fortjagte, und einen anderen in Dienst nehmen wollte, der häufig mit den Miethpferden gekommen war und sich durch sein ruhiges und gesetztes Wesen vortheilhaft vor den anderen auszeichnete: da widersetzten sich aber alle übrigen; das sei ein »Akindo-Betto«, ein Kaufmannsstallknecht, mit dem sie nicht dienen könnten; auch er selbst gestand demüthig seine Incompetenz. — Da nun Kaufleute nicht reiten dürfen, so lieh man uns offenbar Packpferde; andere waren wohl auch in Yeddo nicht zu vermiethen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0359" n="329"/><fw place="top" type="header">V. Die <hi rendition="#k">Betto</hi>’s.</fw><lb/> Schwungkraft und Gewandtheit, zu denen unser tägliches Leben<lb/> niemals Gelegenheit bietet. 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V. Die Betto’s.
Schwungkraft und Gewandtheit, zu denen unser tägliches Leben
niemals Gelegenheit bietet. Der Betto muss beim Anhalten immer
gleich bei der Hand sein, um den Pferden, die es in Japan so ver-
langen, die Mäuler auszuwaschen. — Zu Hause waren sie nicht viel
werth; der Stall musste von unseren Leuten beaufsichtigt werden,
sonst verjubelten die Betto’s das Futtergeld; es gab fortwährend
Zank und Aerger. Man war gezwungen die Zahltage für jeden
anders zu legen, denn häufig verschwanden sie nach empfangener
Löhnung auf einige Tage und Nächte ganz, trieben sich in den
Schenken herum, und kamen nicht eher wieder bis Alles durch-
gebracht war, — sie sahen dann sehr hohläugig und verschwärmt
aus, thaten reuig und demüthig, und schworen hoch und theuer
sich bessern zu wollen. Die Betto’s spielen, trinken und lieben
das schöne Geschlecht, sind zu jedem Wagniss, zu jeder Schlägerei
aufgelegt, aber ihrem Herrn unbedingt ergeben. Beim Antritt des
Dienstes erhielt jeder einen Rock mit dem Namenszuge oder Wappen
seines Gebieters auf dem Rücken; — sie thaten es nicht anders,
identificirten sich dann aber auch ganz mit ihrem Ernährer. Sie
haben ein lebhaftes Ehr- und Standesgefühl; glaubte einer sein
Recht verletzt, so musste sein Herr ihm Genugthuung verschaffen,
und wenn das nicht nach Wunsch geschah, gingen wohl alle seine
Freunde mit ihm davon. So blieb der Stall oft ohne Bedienung. —
Wie in Japan jeder Stand, selbst jede Verbindung von mehreren
Menschen, so haben auch die Betto’s ihr gemeinsames Oberhaupt, das
schwere Abgaben von ihnen erhebt, für ihre Interessen und ihr Unter-
kommen sorgen, und sie, wie es heisst, in Zeiten der Dienstlosigkeit
ernähren muss. In unserem Stall nahm der Stallknecht des Gesandten
sogleich die Stellung eines »Ober-Betto« an und behauptete über
seine Kameraden eine gewisse Autorität. Es scheint auch sehr
feine Standesunterschiede unter ihnen zu geben. So geschah es
dass Einer von uns seinen Betto wegen grosser Unlenksamkeit
fortjagte, und einen anderen in Dienst nehmen wollte, der häufig
mit den Miethpferden gekommen war und sich durch sein ruhiges
und gesetztes Wesen vortheilhaft vor den anderen auszeichnete:
da widersetzten sich aber alle übrigen; das sei ein »Akindo-Betto«, ein
Kaufmannsstallknecht, mit dem sie nicht dienen könnten; auch er
selbst gestand demüthig seine Incompetenz. — Da nun Kaufleute
nicht reiten dürfen, so lieh man uns offenbar Packpferde; andere
waren wohl auch in Yeddo nicht zu vermiethen.
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