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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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V. Hut- und Schuhläden.
Packsättel sind sehr künstlich und zweckmässig eingerichtet; oben
auf der Ladung bleibt ein bequemer Sitz für den Führer oder Rei-
senden, -- denn reiten dürfen nur die Samrai.

In den Hutläden sieht man die sonderbarsten Kopfbedeckungen.
Der Japaner geht meistens baarhaupt und trägt den Hut nur zum Schutz
gegen Sonne und Regen. Die gewöhnlichste Form ist tellerartig wie
die Strohhüte von Nizza, und eben so breit, aus dünnem Holze,
aussen schwarz, inwendig oft roth lackirt, mit phantastischem Muster
in Goldlack, Vögeln, Fischen, Drachen, Wolken und Meereswogen.
Andere Hüte sind aus gepresstem und lackirtem Lederpapier, eben-
falls rund, aber zusammenzuklappen wie ein Claque, wieder andere
von feinem Korbgeflecht. Die Landleute, Bergpriester und Nonnen,
und die Reisenden aus dem Volke tragen einen breiten, muldenför-
migen Hut mit niedergebeugter Krempe, der gegen Sonne und Regen
vollständigen Schutz bietet und fast das ganze Gesicht versteckt.
Die Vorrichtung zum Festbinden ist bei allen Hüten sehr umständlich,
denn der wohlgeglättete Haarschopf darf nicht aus der Facon ge-
bracht werden; deshalb liegen unter dem Teller zwei dicke Wülste
zwischen welchen der flachgelegte Schopf unberührt bleibt, während
zu beiden Seiten breite Backenbänder herablaufen, die unter und
vor dem Kinn sehr künstlich und ungeschickt verknotet werden.

Die Fussbekleidung ist einfach: Sandalen aus Stroh oder
feinem Binsengeflecht -- je nach dem Range, -- vielfach mit Sohlen
von dickem Leder und einem flachen Stück Eisen unter der Ferse.
Von der Spitze aus laufen zwischen dem grossen und dem zweiten
Zehen nach den Seiten zwei rundgenähte Lederbänder, welche die
Sandale am Fusse festhalten. Demgemäss haben auch die genähten
Strümpfe, welche bei kühlem Wetter getragen werden, eine beson-
dere Abtheilung für den grossen Zehen. Bei schmutzigen Wegen
trägt man Holzpantinen mit hohen Absätzen unter Ballen und Ferse.

Kleiderhandlungen, deren es in allen chinesischen Städten so
viele giebt, sahen wir in Yeddo nicht; man scheint sich nach alter
guter Sitte seinen Rock beim Schneider zu bestellen. Die Samrai
würden fertige in der That nicht brauchen können, da ihr Wappen
oder das ihres Lehnsherrn vor dem Nähen in den Stoff eingefärbt
werden muss 3). Der Schnitt ist übrigens so einfach, dass die

3) Die Art, wie diese Wappen und andere Muster eingefärbt werden, scheint in
Europa wenig bekannt zu sein. Man zeichnet mit einer harzigen Flüssigkeit auf den
noch ungefärbten Stoff, der dann in die Farbe geworfen wird. Die von jenem Firniss
I. 20

V. Hut- und Schuhläden.
Packsättel sind sehr künstlich und zweckmässig eingerichtet; oben
auf der Ladung bleibt ein bequemer Sitz für den Führer oder Rei-
senden, — denn reiten dürfen nur die Samraï.

In den Hutläden sieht man die sonderbarsten Kopfbedeckungen.
Der Japaner geht meistens baarhaupt und trägt den Hut nur zum Schutz
gegen Sonne und Regen. Die gewöhnlichste Form ist tellerartig wie
die Strohhüte von Nizza, und eben so breit, aus dünnem Holze,
aussen schwarz, inwendig oft roth lackirt, mit phantastischem Muster
in Goldlack, Vögeln, Fischen, Drachen, Wolken und Meereswogen.
Andere Hüte sind aus gepresstem und lackirtem Lederpapier, eben-
falls rund, aber zusammenzuklappen wie ein Claque, wieder andere
von feinem Korbgeflecht. Die Landleute, Bergpriester und Nonnen,
und die Reisenden aus dem Volke tragen einen breiten, muldenför-
migen Hut mit niedergebeugter Krempe, der gegen Sonne und Regen
vollständigen Schutz bietet und fast das ganze Gesicht versteckt.
Die Vorrichtung zum Festbinden ist bei allen Hüten sehr umständlich,
denn der wohlgeglättete Haarschopf darf nicht aus der Façon ge-
bracht werden; deshalb liegen unter dem Teller zwei dicke Wülste
zwischen welchen der flachgelegte Schopf unberührt bleibt, während
zu beiden Seiten breite Backenbänder herablaufen, die unter und
vor dem Kinn sehr künstlich und ungeschickt verknotet werden.

Die Fussbekleidung ist einfach: Sandalen aus Stroh oder
feinem Binsengeflecht — je nach dem Range, — vielfach mit Sohlen
von dickem Leder und einem flachen Stück Eisen unter der Ferse.
Von der Spitze aus laufen zwischen dem grossen und dem zweiten
Zehen nach den Seiten zwei rundgenähte Lederbänder, welche die
Sandale am Fusse festhalten. Demgemäss haben auch die genähten
Strümpfe, welche bei kühlem Wetter getragen werden, eine beson-
dere Abtheilung für den grossen Zehen. Bei schmutzigen Wegen
trägt man Holzpantinen mit hohen Absätzen unter Ballen und Ferse.

Kleiderhandlungen, deren es in allen chinesischen Städten so
viele giebt, sahen wir in Yeddo nicht; man scheint sich nach alter
guter Sitte seinen Rock beim Schneider zu bestellen. Die Samraï
würden fertige in der That nicht brauchen können, da ihr Wappen
oder das ihres Lehnsherrn vor dem Nähen in den Stoff eingefärbt
werden muss 3). Der Schnitt ist übrigens so einfach, dass die

3) Die Art, wie diese Wappen und andere Muster eingefärbt werden, scheint in
Europa wenig bekannt zu sein. Man zeichnet mit einer harzigen Flüssigkeit auf den
noch ungefärbten Stoff, der dann in die Farbe geworfen wird. Die von jenem Firniss
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[305/0335] V. Hut- und Schuhläden. Packsättel sind sehr künstlich und zweckmässig eingerichtet; oben auf der Ladung bleibt ein bequemer Sitz für den Führer oder Rei- senden, — denn reiten dürfen nur die Samraï. In den Hutläden sieht man die sonderbarsten Kopfbedeckungen. Der Japaner geht meistens baarhaupt und trägt den Hut nur zum Schutz gegen Sonne und Regen. Die gewöhnlichste Form ist tellerartig wie die Strohhüte von Nizza, und eben so breit, aus dünnem Holze, aussen schwarz, inwendig oft roth lackirt, mit phantastischem Muster in Goldlack, Vögeln, Fischen, Drachen, Wolken und Meereswogen. Andere Hüte sind aus gepresstem und lackirtem Lederpapier, eben- falls rund, aber zusammenzuklappen wie ein Claque, wieder andere von feinem Korbgeflecht. Die Landleute, Bergpriester und Nonnen, und die Reisenden aus dem Volke tragen einen breiten, muldenför- migen Hut mit niedergebeugter Krempe, der gegen Sonne und Regen vollständigen Schutz bietet und fast das ganze Gesicht versteckt. Die Vorrichtung zum Festbinden ist bei allen Hüten sehr umständlich, denn der wohlgeglättete Haarschopf darf nicht aus der Façon ge- bracht werden; deshalb liegen unter dem Teller zwei dicke Wülste zwischen welchen der flachgelegte Schopf unberührt bleibt, während zu beiden Seiten breite Backenbänder herablaufen, die unter und vor dem Kinn sehr künstlich und ungeschickt verknotet werden. Die Fussbekleidung ist einfach: Sandalen aus Stroh oder feinem Binsengeflecht — je nach dem Range, — vielfach mit Sohlen von dickem Leder und einem flachen Stück Eisen unter der Ferse. Von der Spitze aus laufen zwischen dem grossen und dem zweiten Zehen nach den Seiten zwei rundgenähte Lederbänder, welche die Sandale am Fusse festhalten. Demgemäss haben auch die genähten Strümpfe, welche bei kühlem Wetter getragen werden, eine beson- dere Abtheilung für den grossen Zehen. Bei schmutzigen Wegen trägt man Holzpantinen mit hohen Absätzen unter Ballen und Ferse. Kleiderhandlungen, deren es in allen chinesischen Städten so viele giebt, sahen wir in Yeddo nicht; man scheint sich nach alter guter Sitte seinen Rock beim Schneider zu bestellen. Die Samraï würden fertige in der That nicht brauchen können, da ihr Wappen oder das ihres Lehnsherrn vor dem Nähen in den Stoff eingefärbt werden muss 3). Der Schnitt ist übrigens so einfach, dass die 3) Die Art, wie diese Wappen und andere Muster eingefärbt werden, scheint in Europa wenig bekannt zu sein. Man zeichnet mit einer harzigen Flüssigkeit auf den noch ungefärbten Stoff, der dann in die Farbe geworfen wird. Die von jenem Firniss I. 20

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/335>, abgerufen am 22.11.2024.