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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Die Lage nach Ikamo's Ermordung. IV.
verwundete schlitzten sich, unfähig zu fliehen, den Leib auf, die
übrigen acht entkamen. Man fand in der Sänfte den blutigen Rumpf,
aber nicht den Kopf des Ikamo, welchen die Mörder entführten.
Jener erste, der mit dem abgeschlagenen Haupte eines seiner
Gefährten floh, hatte sich geopfert um den übrigen die Arbeit zu
erleichtern.

Der wahre Verlauf des Ereignisses wurde nicht sogleich
bekannt; die japanischen Minister erklärten den Gesandten, der
Regent sei verwundet, und nahmen ihre Glückwünsche zu dessen
Rettung entgegen. Demgemäss berichteten auch die englischen
Zeitungen in China und Singapore, und die preussische Gesandtschaft
erfuhr den unglücklichen Ausgang erst bei ihrem Eintreffen in Yeddo.
Ikamo
war nach einiger Zeit auch amtlich verschieden.

Nach den officiellen Angaben der japanischen Minister wurde
man keines der entflohenen Mörder habhaft; im Vertrauen aber
theilten die Bunyo's den Gesandtschaften mit, sie wären ergriffen
und hätten Alles gestanden; die That sei ein Racheact des Fürsten
von Mito und von dessen Trabanten verübt. Nähere Aufschlüsse
konnte man nicht erlangen; die Regierung hüllte sich in Geheimniss
und traf nur fernere Maassregeln für die Sicherheit der Legationen.
Die Wachen wurden bedeutend verstärkt und alle Zugänge mit
Feldstücken besetzt; zugleich bat man die Fremden in Yeddo, sich
in diesen unruhigen Tagen nicht auf der Strasse zu zeigen, und
unterwarf ihren Verkehr mit den Eingeborenen noch grösserer
Beschränkung als vorher und der strengsten Controlle -- "zu ihrer
Sicherheit" und nicht minderen Unbequemlichkeit. Schon damals
muss ein allgemeiner Angriff auf die Fremden von Seiten der "Mito-
Lonin
e", der fanatisirten Soldaten des verbannten Fürsten befürchtet
worden sein, darauf deutet das ganze Benehmen der Regierung.
Mito stand offenbar an der Spitze einer mächtigen Parthei, welche
den unmündigen Taikun und dessen Anhang zu stürzen drohte;
es hiess allgemein dass er durch die Ermordung der Fremden die
Minister in einen Krieg mit den westlichen Mächten zu verwickeln
und dann über seine Gegner zu triumphiren hoffe. Fast alle seitdem
in Japan an Ausländern verübten Morde sind seinen Leuten zur
Last gelegt worden. -- Die Hauptstadt war in den Tagen nach
Ikamo's Tode in der grössten Aufregung; die Wachen wurden
verdoppelt und alle Strassenthore geschlossen, angeblich um die
Mörder zu fangen, in der That aber wohl in der Erwartung eines

Die Lage nach Ikamo’s Ermordung. IV.
verwundete schlitzten sich, unfähig zu fliehen, den Leib auf, die
übrigen acht entkamen. Man fand in der Sänfte den blutigen Rumpf,
aber nicht den Kopf des Ikamo, welchen die Mörder entführten.
Jener erste, der mit dem abgeschlagenen Haupte eines seiner
Gefährten floh, hatte sich geopfert um den übrigen die Arbeit zu
erleichtern.

Der wahre Verlauf des Ereignisses wurde nicht sogleich
bekannt; die japanischen Minister erklärten den Gesandten, der
Regent sei verwundet, und nahmen ihre Glückwünsche zu dessen
Rettung entgegen. Demgemäss berichteten auch die englischen
Zeitungen in China und Singapore, und die preussische Gesandtschaft
erfuhr den unglücklichen Ausgang erst bei ihrem Eintreffen in Yeddo.
Ikamo
war nach einiger Zeit auch amtlich verschieden.

Nach den officiellen Angaben der japanischen Minister wurde
man keines der entflohenen Mörder habhaft; im Vertrauen aber
theilten die Bunyo’s den Gesandtschaften mit, sie wären ergriffen
und hätten Alles gestanden; die That sei ein Racheact des Fürsten
von Mito und von dessen Trabanten verübt. Nähere Aufschlüsse
konnte man nicht erlangen; die Regierung hüllte sich in Geheimniss
und traf nur fernere Maassregeln für die Sicherheit der Legationen.
Die Wachen wurden bedeutend verstärkt und alle Zugänge mit
Feldstücken besetzt; zugleich bat man die Fremden in Yeddo, sich
in diesen unruhigen Tagen nicht auf der Strasse zu zeigen, und
unterwarf ihren Verkehr mit den Eingeborenen noch grösserer
Beschränkung als vorher und der strengsten Controlle — »zu ihrer
Sicherheit« und nicht minderen Unbequemlichkeit. Schon damals
muss ein allgemeiner Angriff auf die Fremden von Seiten der »Mito-
Lonin
e«, der fanatisirten Soldaten des verbannten Fürsten befürchtet
worden sein, darauf deutet das ganze Benehmen der Regierung.
Mito stand offenbar an der Spitze einer mächtigen Parthei, welche
den unmündigen Taïkūn und dessen Anhang zu stürzen drohte;
es hiess allgemein dass er durch die Ermordung der Fremden die
Minister in einen Krieg mit den westlichen Mächten zu verwickeln
und dann über seine Gegner zu triumphiren hoffe. Fast alle seitdem
in Japan an Ausländern verübten Morde sind seinen Leuten zur
Last gelegt worden. — Die Hauptstadt war in den Tagen nach
Ikamo’s Tode in der grössten Aufregung; die Wachen wurden
verdoppelt und alle Strassenthore geschlossen, angeblich um die
Mörder zu fangen, in der That aber wohl in der Erwartung eines

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[286/0316] Die Lage nach Ikamo’s Ermordung. IV. verwundete schlitzten sich, unfähig zu fliehen, den Leib auf, die übrigen acht entkamen. Man fand in der Sänfte den blutigen Rumpf, aber nicht den Kopf des Ikamo, welchen die Mörder entführten. Jener erste, der mit dem abgeschlagenen Haupte eines seiner Gefährten floh, hatte sich geopfert um den übrigen die Arbeit zu erleichtern. Der wahre Verlauf des Ereignisses wurde nicht sogleich bekannt; die japanischen Minister erklärten den Gesandten, der Regent sei verwundet, und nahmen ihre Glückwünsche zu dessen Rettung entgegen. Demgemäss berichteten auch die englischen Zeitungen in China und Singapore, und die preussische Gesandtschaft erfuhr den unglücklichen Ausgang erst bei ihrem Eintreffen in Yeddo. Ikamo war nach einiger Zeit auch amtlich verschieden. Nach den officiellen Angaben der japanischen Minister wurde man keines der entflohenen Mörder habhaft; im Vertrauen aber theilten die Bunyo’s den Gesandtschaften mit, sie wären ergriffen und hätten Alles gestanden; die That sei ein Racheact des Fürsten von Mito und von dessen Trabanten verübt. Nähere Aufschlüsse konnte man nicht erlangen; die Regierung hüllte sich in Geheimniss und traf nur fernere Maassregeln für die Sicherheit der Legationen. Die Wachen wurden bedeutend verstärkt und alle Zugänge mit Feldstücken besetzt; zugleich bat man die Fremden in Yeddo, sich in diesen unruhigen Tagen nicht auf der Strasse zu zeigen, und unterwarf ihren Verkehr mit den Eingeborenen noch grösserer Beschränkung als vorher und der strengsten Controlle — »zu ihrer Sicherheit« und nicht minderen Unbequemlichkeit. Schon damals muss ein allgemeiner Angriff auf die Fremden von Seiten der »Mito- Lonine«, der fanatisirten Soldaten des verbannten Fürsten befürchtet worden sein, darauf deutet das ganze Benehmen der Regierung. Mito stand offenbar an der Spitze einer mächtigen Parthei, welche den unmündigen Taïkūn und dessen Anhang zu stürzen drohte; es hiess allgemein dass er durch die Ermordung der Fremden die Minister in einen Krieg mit den westlichen Mächten zu verwickeln und dann über seine Gegner zu triumphiren hoffe. Fast alle seitdem in Japan an Ausländern verübten Morde sind seinen Leuten zur Last gelegt worden. — Die Hauptstadt war in den Tagen nach Ikamo’s Tode in der grössten Aufregung; die Wachen wurden verdoppelt und alle Strassenthore geschlossen, angeblich um die Mörder zu fangen, in der That aber wohl in der Erwartung eines

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/316>, abgerufen am 25.11.2024.